Mittwoch, 4. Januar 2023

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Ukraine: Wie realistisch ist ein Kriegsende 2023?

Der Kreml hat die Zahl der toten Soldaten durch einen ukrainischen Militärschlag in der Silvesternacht auf 89 nach oben korrigiert. Kreml-nahe Blogger und Abgeordnete kritisierten die russische Militärführung scharf. Auf ukrainischer Seite werden derweil die Schäden der jüngsten Raketen- und Drohnenangriffe aufgeräumt. Europas Presse fragt, wie sich der Krieg langfristig entwickeln könnte.

LA TRIBUNE DE GENÈVE (CH)

Erlahmen der Front wahrscheinlich

Trotz wiederholter Fehler könnte Russlands Militär standhalten, bangt La Tribune de Genève:

„Das jüngste Blutbad macht zumindest eines deutlich: Die russische Armee lernt nicht aus ihren Misserfolgen. Die Soldaten in Makijwka, deren Handys offenbar die Aufmerksamkeit der gegnerischen Geheimdienste erregt haben, haben sich unerklärlich amateurhaft verhalten. ... Wird es Moskaus Soldaten gelingen, die versprochene neue Gegenoffensive zu starten? Oder brechen sie endgültig zusammen und reißen Wladimir Putin mit? Ein dritter Weg ist zu befürchten: der eines Erlahmens der Front. Dank Waggons voller Kanonenfutter und alter Sowjetmunition, deren Vorrat endlos zu sein scheint, könnte es Russland gelingen, den Konflikt einzufrieren. Das wäre das echte Desaster.“

Théophile Simon
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ČESKÝ ROZHLAS (CZ)

Mehr als ein Waffenstillstand ist nicht drin

Ein Frieden mit Putin ist unmöglich, ist Kommentator Daniel Kroupa in Český rozhlas überzeugt:

„Weil der Grund für seine Aggression in der Ukraine nicht die Angst vor Bedrohung durch die EU oder die Nato ist, sondern das Bemühen, die russische imperiale Idee zu verwirklichen. Die erfordert die Beseitigung der friedlichen Weltordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Prinzip der Anerkennung der Souveränität der Staaten und ihrer territorialen Integrität geschaffen wurde. ... Angebotene Kompromisse könnten höchstens einen Waffenstillstand herbeiführen, der Putin wiederum nur dazu dient, an Stärke zu gewinnen und unter einem anderen Vorwand weiterzumachen.“

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NV (UA)

Rückzug auf Linien vom 23. Februar?

Welche Bedingungen für einen Waffenstillstand erfüllt werden müssen, erläutert der Politologe Wolodymyr Fessenko in NV:

„Es gibt ausreichend erfolgreiche Offensivaktionen der ukrainischen Armee; eine relativ stabile militärische, technische und wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine durch unsere internationalen Partner; eine militärische, politische und wirtschaftliche Schwächung Russlands, jedoch ohne eine systemische interne Krise; eine Stabilisierung der Frontlinie an der Verwaltungsgrenze zur Krim und möglicherweise im Donbas. In diesem Fall könnten die Kampfhandlungen nach einiger Zeit durch eine technische Vereinbarung über einen vorübergehenden (aber ohne zeitliche Festlegung) Waffenstillstand beendet werden. Die Frage der Befreiung der Krim würde auf die diplomatische Ebene verlagert.“

Wolodymyr Fessenko
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ALFA (LT)

Westen könnte sich wieder einlullen lassen

Dass Putin im Laufe dieses Jahres Geschichte sein wird, davon ist Publizist Edward Lucas in Alfa überzeugt, erwartet davon aber keine Sicherheit für die Ukraine:

„Angesichts des unaufhaltsamen Zerfalls und der Niederlage der russischen Armee wird der Druck auf und innerhalb des Kremls unerträglich sein. Jemand wird nachgeben. ... Ich bin beunruhigt: Westler neigen im Allgemeinen dazu, dem neuen Kremlherrn einen Vertrauensvorschuss zu gewähren, bis die Realität sie trifft. Die große Gefahr ist, dass die Ukraine den Krieg gewinnt, aber den Frieden verliert. Es kann sein, dass sie nicht alle verlorenen Gebiete zurückerhält und ohne verlässliche Sicherheitsgarantien dasteht, während der Angreifer ungestraft bleibt.“

Edward Lucas
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THE MOSCOW TIMES (RU)

Der Krieg wird zum Alltag

Der Politologe Wladimir Pastuchow schreibt in The Moscow Times:

„Die Möglichkeiten beider Seiten, Ressourcen zu mobilisieren, sind sehr begrenzt: ... Damit die Ukraine gewinnt, muss die westliche Militärhilfe sowohl quantitativ als auch qualitativ vervielfacht werden; damit Russland gewinnt, ist nicht eine partielle, sondern eine vollständige Mobilmachung mit Umstellung der gesamten Industrie auf Kriegsgleise erforderlich. ... Da weder die erste noch die zweite Variante hinreichend wahrscheinlich erscheinen, bleibt als prioritäres Basisszenario für 2023 die 'Palästinisierung des Konflikts', in der sich beide Gesellschaften allmählich an den Krieg als Lebensweise gewöhnen.“

Vladimir Pastukhov
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IRISH INDEPENDENT (IE)

Westliche Apathie ist Putins bedeutendste Waffe

Je länger der Krieg dauert, desto wahrscheinlicher wird es, dass die Unterstützung für die Ukraine nachlässt, warnt Irish Independent:

„Unsere Aufmerksamkeitsspanne und finanzielle Hilfsbereitschaft sind nicht endlos. Das spielt Moskau in die Hände. Globale Apathie ist Putins größte Waffe. Wenn die Unterstützung für die Ukraine nachlässt, wächst seine Chance auf Sieg. Wenn wir der Notlage der Ukraine überdrüssig werden, riskieren wir, eine Invasion global zu normalisieren. Wir riskieren, einen gefährlichen weltweiten Präzedenzfall zu schaffen.“

Bel Trew
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