Mittwoch, 30. Oktober 2019

euro|topics: Führt die Neuwahl aus dem Brexit-Chaos?

Das britische Unterhaus hat den Weg frei gemacht für die von Premier Johnson geforderte Neuwahl. Sie findet nun am 12. Dezember statt. Zuvor hatte die EU die Austrittsfrist bis Ende Januar verlängert. Damit war ein No-Deal-Brexit vom Tisch, so dass die Labour-Partei ihren Widerstand aufgab. Kommentatoren setzen in die Wahl ganz unterschiedliche Hoffnungen.
RZECZPOSPOLITA (PL)

Chance auf Neuanfang für die ganze EU

Auf einen Exit vom Brexit hofft Rzeczpospolita:
„Dreieinhalb Jahre nach dem von den Brexit-Anhängern gewonnenen Referendum steht dem Vereinigten Königreich nicht unbedingt eine Scheidung von der EU bevor. Es kann sich noch von ihr zurückziehen. Dies wird geschehen, wenn eine Koalition aus jenen Parteien die Wahl gewinnt, die sich für die Integration einsetzten: Labour, Liberale und die schottischen Nationalisten. ... Wenn die Briten im Dezember wirklich auf eine proeuropäische Regierung setzen, kann und wird dies keine Rückkehr ins Jahr 2016 sein. Vielmehr wäre es eine Einladung, die Beziehungen zwischen Brüssel und dem Vereinigten Königreich - und allen anderen Mitgliedstaaten - auf neuer Grundlage zu gestalten.“
Jedrzej Bielecki
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THE IRISH TIMES (IE)

Gute Aussichten für Konservative

Boris Johnson könnte als der große Sieger aus dem Wahlkampf hervorgehen, spekuliert The Irish Times:
„Dank der Eigentümlichkeiten des britischen Mehrheitswahlrechts ist nicht davon auszugehen, dass die Brexit-Party von Nigel Farage viele Sitze gewinnen wird - vielleicht auch gar keine. ... Die Konservativen wiederum können sich von einem Wahlkampf, der sich um den Brexit dreht, einiges erhoffen. Sie profitieren von einer klaren Botschaft, die der Labour Party fehlt. Boris Johnson darf als Wahlkämpfer nicht unterschätzt werden. Und wenn sie es kommunikativ richtig anstellen, können sie die Wähler dazu bringen, die Tories zu unterstützen, weil diese alles versuchten, um den Willen des Volkes durchzusetzen gegen jene auf der anderen Seite des Unterhauses, die das ständig verhindern wollen.“
Finn McRedmond
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FINANCIAL TIMES (GB)

Brexit-Fixierung wäre fatal

Vor der alleinigen Fokussierung von Politik und Wählern auf den Brexit warnt Financial Times:
„Der Brexit wird wohl dominieren, aber der Wahlkampf muss andere grundlegend wichtige Fragen zur Richtung beantworten, die Großbritannien in den nächsten fünf Jahren einschlagen soll. Das System der öffentlichen Dienstleistungen ist dermaßen überstrapaziert, dass ein Zusammenbruch droht. Im Gesundheitssystem zeichnet sich eine Winterkrise ab. Einige Versprechen der Labour Party, wie die Reduzierung der CO2-Emissionen Großbritanniens auf Null bis 2030, würden eine Umgestaltung der Wirtschaft erfordern. Es wäre ein Fehler, sich nur darauf zu konzentrieren, 'den Brexit umzusetzen'. ... Die Wähler verdienen eine ehrliche Kampagne, die die wirklich wichtigen Entscheidungen thematisiert, vor denen Großbritannien steht.“
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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

Nach dem Berg folgen die Mühen der Ebene

Daran, dass der Brexit-Deal erst der Anfang ist, erinnert die Neue Zürcher Zeitung:
„[D]ie Hoffnung auf Normalität ist trügerisch. Denn mit dem Austritt ist das künftige Verhältnis zur EU noch lange nicht geregelt. Es müssen weitere mühsame Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen und Tausende von Detailfragen des künftigen Zusammenlebens mit der Union geklärt werden. Interessenkonflikte, Streit, Frustration und Unsicherheiten werden noch lange nicht vorbei sein. Darunter wird auch die Wirtschaft weiter leiden. Der Gewinner der Wahl ist kaum vorherzusagen. Wie auch immer die Wähler sich entscheiden werden. Es ist gut, dass sie endlich das Sagen haben. “
Peter Rasonyi
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Jeremy Corbyn wird munter, ZEIT 30.10.19 , Hamburg 

Freitag, 18. Oktober 2019

euro|topics: Brexit-Deal und Waffenruhe für Nordsyrien

Neuer Brexit-Deal: Hat es Johnson geschafft?
Zwei Wochen vor dem Austrittstermin haben sich die EU und Großbritannien auf ein neues Abkommen zum Brexit geeinigt. Es sieht unter anderem vor, dass Nordirland zum britischen Zollgebiet gehört, aber die EU-Regeln zum Binnenmarkt dort weiterhin gelten. Am Samstag soll das britische Unterhaus über den Deal abstimmen. Europas Medien überlegen, wie es nun weitergeht.
DE VOLKSKRANT (NL)

Nun beginnt die schmerzhafte Scheidung

Ein ungeregelter Austritt Großbritanniens könne verhindert werden, lobt De Volkskrant, warnt jedoch davor, zu früh aufzuatmen:
„Es ist eine komplizierte Regelung, aber sie verhindert auf jeden Fall, dass die nationalistischen Fieberträume der Engländer den Frieden in Nordirland in Gefahr bringen . ... Wenn das Unterhaus zustimmt, kann der Brexit vonstattengehen. Ein 'No Deal' wäre verhindert. ... Dennoch wird dies nur der Anfang eines langen und schmerzhaften Scheidungsverfahrens sein. Nach dem Brexit beginnen die komplizierten Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien über ein Handelsabkommen. Die Frage bleibt dieselbe: Wie kann Europa eine gute politische und wirtschaftliche Beziehung zu Großbritannien behalten, ohne dass London nur die Vorteile, aber nicht die Lasten der EU trägt?“
Peter Giesen
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DER STANDARD (AT)

Opposition macht es Johnson leicht

Die Bedingungen für Johnson sind nicht die schlechtesten, erklärt Der Standard:
„Dass seinem Brexit-Vabanquespiel ... Erfolg beschieden sein könnte, hat mit der Schwäche der Opposition zu tun. Mitten in der schwersten außen- und innenpolitischen Krise der Nachkriegszeit verfolgen Sozialdemokraten, Liberaldemokraten, Grüne und Nationalisten alle nur ihre engen parteipolitischen Interessen. Die Labour-Partei leistet sich zudem als Vorsitzenden den zutiefst unpopulären Jeremy Corbyn, einen zur Führung ungeeigneten, an Machtfragen uninteressierten, von Europa gelangweilten Gesinnungsethiker. Und das zynische Spiel der schottischen Nationalisten zielt einzig und allein auf die Unabhängigkeit ab; die beiden Seiten in Nordirland werden von mediokren, schmerzhaften Kompromissen gegenüber unwilligen Figuren geleitet.“
Sebastian Borger
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PROTAGON.GR (GR)

So hat Brüssel auch London kleingekriegt

Johnson musste sich der EU letztlich unterwerfen, findet Protagon:
„Boris Johnson ging in etwa denselben Weg, den auch Griechenlands Ex-Premier Tsipras ging [bei den Verhandlungen mit der EU 2015]. Er begann mit der Ankündigung, einen heldenhaften Ausstieg ohne Deal zu ermöglichen und landete dann schließlich bei einer Einigung, die auch Theresa May vorgeschlagen wurde - nur unter einem anderen Namen und schlechteren Bedingungen. Vielleicht bekam er auch ein freundliches Tätscheln auf die Wange von Jean-Claude Juncker, der zum Ende seiner Amtszeit als EU-Kommissionspräsident alle noch einmal daran erinnerte, dass der harte Kern Europas nur dann in Verhandlungen nachgibt, wenn er sich als nachgiebig darstellen will.“
Giannakidis Kostas
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RTE NEWS (IE)

Premier opferte Nordirlands Unionisten

Um das Abkommen mit der EU besiegeln zu können, nahm der britische Premier keine Rücksicht mehr auf seine bisherigen Unterstützer von der nordirischen Unionistenpartei DUP, analysiert RTE News:
„Die DUP musste eine schreckliche Lektion über Boris Johnson lernen. Noch sitzt der Schock zu tief, um es zu realisieren, doch hier handelte es sich um einen Fall 'knallharter Liebe'. Die DUP musste zu ihrem eigenen Leidwesen erkennen, dass Johnson politisch schnell einmal den Partner wechselt. ... Es ist nicht so, dass er die DUP aus Eigennutz verriet, nein, er nahm im Finale der Verhandlungen schlicht keine Rücksicht mehr auf sie. Das einzige was noch zählte, war schiere Machtpolitik. ... Niemand geht durchs Leben, ohne dabei Schläge einstecken zu müssen, besonders in der Politik. Nun traf es die DUP.“
Tommie Gorman
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CORRIERE DEL TICINO (CH)

Die Schotten werden keine Ruhe geben

Der Deal wird auf jeden Fall Widerstand in Schottland hervorrufen, prophezeit Kolumnist Gerardo Morina in Corriere del Ticino:
„Selbst wenn man versucht, das Glas als halb voll zu betrachten und eine knappe Mehrheit in Westminister 'Ja' sagt, wird Johnson sich kaum als gerettet erachten können. ... Die Gegner, die im Referendum 2016 für 'Remain' gestimmt haben, werden ihm keine Ruhe lassen. Insbesondere die Mitglieder der Schottischen Nationalpartei (SNP) werden ihm das Leben schwer machen und ihn weiterhin daran erinnern, dass Schottland gegen einen Brexit in welcher Form auch immer gestimmt hat. Für Edinburgh wird es vor allem eine Gelegenheit sein, ein zweites Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands zu fordern, nachdem das erste gescheitert ist. ... Und diesmal ohne unbedingt den Konsens mit London zu suchen.“
Gerardo Morina
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Neuer Brexit-Deal: Hat es Johnson geschafft?
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USA und Türkei besiegeln Waffenruhe für Nordsyrien
US-Diplomaten haben mit der türkischen Regierung eine fünftägige Waffenruhe in Nordsyrien ausgehandelt. Die Kurdenmiliz YPG soll in dieser Frist die von der Türkei angestrebte Sicherheitszone verlassen und die Türkei ihren Angriff in der Region beenden. Was US-Präsident Trump als großen Erfolg feiert, betrachten manche Kommentatoren skeptisch.
LA REPUBBLICA (IT)

Schadensregulierung für Trump

Pence musste für Trump die Kastanien aus dem Feuer holen, glaubt der USA-Korrespondent Federico Rampini in La Repubblica:
„Trumps Anti-Diplomatie steht seit einer Woche im Kreuzfeuer der Kritik. Nicht nur der Rest der Welt, sondern auch das gesamte amerikanische Establishment, einschließlich eines Großteils der Republikaner, haben sich auf ihn eingeschossen. Das Repräsentantenhaus in Washington hat seine Entscheidung, Truppen aus Syrien abzuziehen - die schließlich grünes Licht für Erdoğans Invasion gab - verurteilt, und sogar der Senat, in dem die Republikaner die Mehrheit haben, drohte dies zu tun. Deshalb musste Trump die diplomatische Expedition seines Stellvertreters Pence und seines Außenministers Pompeo improvisieren, die gestern Abend, am Ende eines langen Gesprächs mit Erdoğan, das 'Wunder' vollbrachte.“
Federico Rampini
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BERLINGSKE (DK)

Makel wird den USA anhaften

Die Waffenruhe reicht nicht aus, um Trumps diplomatischen Fauxpas auszubügeln, fürchtet Berlingske:
„Die Verantwortung für ein Blutbad und den Verrat eines engen Alliierten wird in den Augen vieler weiter an seiner Präsidentschaft kleben. Die Waffenruhe lässt seine Parteifreunde und die westlichen Alliierten mit ihrer Kritik nicht verstummen: dass Trump mit seiner Anweisung, die amerikanischen Soldaten heimzuholen, die Kurden in Nordsyrien im Stich gelassen hat, nachdem diese den USA beim Kampf gegen den IS geholfen hatten. Das kann für die USA in Zukunft ernste Konsequenzen haben, denn es könnte schwierig werden, Alliierte zu finden, wenn diese fürchten müssen, plötzlich allein auf dem Schlachtfeld zu stehen.“
Michael Bjerre
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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)

Hat es dafür einen Krieg gebraucht?

Die Invasion hat letztlich zu einem für den türkischen Präsidenten paradoxen Ergebnis geführt, stellt die Süddeutsche Zeitung fest:
„Erdoğan hat einst die Allianz gegen den Diktator Baschar al-Assad angeführt. ... Nun bewirkte ausgerechnet der türkische Einmarsch, dass Assads Armee sich jenen Teil Syriens zurückholen konnte, den Damaskus den Kurden überlassen hatte. So ist der syrische Diktator der größte Gewinner der türkischen Offensive. Zudem hatte Trump mit Sanktionen gedroht. Das wirkte. Pence lobte dafür ausführlich Erdoğan und das gute Verhältnis USA-Türkei. Hat es dafür einen Krieg gebraucht?“
Christiane Schlötzer