Mittwoch, 28. Juni 2017

Ist Aufforderung zum Zweifel keine Propaganda?

Hiermit mache ich Propaganda für das Heft "Propaganda" von fluter von der bpb, weil darin über den Sender Russia Today alias RT Deutsch unter anderem verbreitet wird, er versuche Zweifel an der Korrektheit von Aussagen aus der westlichen Presse zu wecken.*
Und das, nachdem in derselben Ausgabe von fluter am Anfang geschrieben worden war, Zweifel sei eine Möglichkeit, sich gegen Propaganda zu immunisieren.
Ich weise hier nicht auf einen Aphorismus von Lichtenberg hin.

Das ist natürlich eine glatte Lüge. Denn mit diesem Hinweis handele ich ja nach dem Verfahren, mit dem man dazu auffordert, nicht an einen rosa Elefanten zu denken. Dies Verfahren ruft nämlich genau den Gedanken hervor, den es angeblich unterdrücken will.

Ich werde an verschiedenen Stellen im Netz ähnliche Nachrichten mit kleinen Abweichungen verbreiten. Unter anderem werde ich einzelne Aussagen mit Links versehen. Mache ich mich dadurch glaubwürdiger oder senke ich die Glaubwürdigkeit für meine anderen Aussagen?

Jetzt muss ich als erstes einmal einen Tweet auf diesen Artikel verlinken. [Diese Aussage stand und steht in einem sonst gleichlautenden Artikel von mir. Diesen Artikel verlinke ich aber nicht. Jenen habe ich aber schon wie angekündigt schon verlinkt.]

Hier verlinke ich auf Aphorismen von Lichtenberg, unter denen der bekannte, auf den ich angespielt habe, nicht enthalten ist.

* Zweifel zu wecken ist doch gewiss eine wichtige Aufgabe der politischen Bildung. Deshalb bin ich auch so dankbar, dass euro|topics laufend Aussagen aus verschiedenen europäischen Presseorganen liefert, die Zweifel daran ausschließen, dass alle Recht haben könnten, obwohl aus ihrer nationalen Sicht vieles genauso zwingend erscheinen wird wie bei uns der Konsens der Qualitätsmedien. 
Zum Glück haben wir für den Inlandsgebrauch aber auch die Nachdenkseiten, die fleißig Zweifel am Mainstream zu wecken suchen, auch wenn es nicht immer gelingt. 



Dienstag, 27. Juni 2017

Kann Tudose Rumänien aus der Krise führen?


Rumänien hat einen neuen Premier. Staatspräsident Klaus Johannis beauftragte am Montag den bisherigen Wirtschaftsminister Mihai Tudose mit der Regierungsbildung. Tudose folgt auf Sorin Grindeanu, der von seiner eigenen Partei in einem Misstrauensvotum gestürzt wurde. Viele Kommentatoren sahen PSD-Parteichef Liviu Dragnea als Strippenzieher des Coups und vermuten jetzt, dass auch die Entscheidung für den neuen Premier ganz in Dragneas Sinne ist.
ADEVÂRUL (RO)

Dragneas Spielchen gehen weiter

Für Adevârul ist der neue Regierungschef nicht viel mehr als eine Marionette von PSD-Chef Dragnea:
„Es ist kein Zufall, dass sich wichtige Spitzenpolitiker aus der PSD vor der Nominierung gedrückt haben. Denn niemand kann sich seiner Position sicher sein, jeder weiß, dass dem neuen Premier das gleiche Schicksal blühen kann wie Sorin Grindeanu. Dragnea ist es egal, wer die Regierung führt, es ist ja nur ein kurzes Mandat. Für ihn ist damit aber die Möglichkeit verbunden, einem Strafverfahren zu entgehen. … Die einzige Rolle [von Tudoses Regierung] ist, dem PSD-Chef einen Draht zur Exekutive bereitzustellen.“
Ion M. Ionita
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ZIARE (RO)

Absolute Fehlbesetzung

Präsident Klaus Johannis hätte Mihai Tudose nicht mit der Regierungsbildung beauftragen dürfen, rügt Ziare:
„Der Präsident hatte erklärt, er wolle einen unbescholtenen Premier. Doch wie kann ein Mensch unbescholten sein, der seine Doktorarbeit gekauft hat? ... Das ist ein Musterfall von Betrügerei und Unehrlichkeit, der mit den Kriterien des Präsidenten unvereinbar ist. Außerdem wollte der Präsident einen fähigen Premier. Doch welche Kompetenzen kann Tudose nach seiner zweimaligen Zeit als Minister vorweisen? … Seinen eigenen Kriterien folgend hätte der Präsident allen Grund gehabt, Tudose abzulehnen. Nicht, um den Anspruch der PSD auf die Regierungsbildung abzustreiten, sondern um einen Maßstab zu setzen und zumindest mit seiner eigenen Haltung im Einklang zu sein.“
Ioana Ene Dogioiu
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Freitag, 23. Juni 2017

Gefahren bei Abschaffung des Bargelds

Das Ende des Bargelds 
"Ökonomen, Banker und Politiker wollen Münzen und Scheine zurückdrängen. Zeit, sich zu wehren." 
Von Lisa Nienhaus und Jens Tönnesmann 21. Juni 2017 DIE ZEIT Nr. 26/2017, 22. Juni 2017

"Bislang ist die schöne neue Welt von Swish zwar kostenlos. Nichts spricht aber dagegen, das irgendwann zu ändern, sodass die Banken an jeder Zahlung mitverdienen.
Auf diese Weise sind die schwedischen Banken die treibende Kraft bei der Verdrängung des Bargelds aus ihrem Land geworden. Auf der einen Seite erfinden sie neue Möglichkeiten, ohne Geld zu bezahlen. Auf der anderen Seite reduzieren sie das Bargeldangebot. Geldautomaten verschwinden, Filialen haben keine Scheine mehr und nehmen auch keine mehr an.
So sparen die Banken jene Kosten, die Bargeld verursacht: Jeder Geldtransporter muss gepanzert sein, jeder Geldautomat nachgefüllt werden. Das ist auf der ganzen Welt teuer, in Schweden aber besonders. Hier sind die Wege weit, das Land ist dünn besiedelt. Außerdem müssen hier die Banken den größten Teil der Kosten für die Geldversorgung tragen. Während in vielen Ländern die Notenbanken einen engen Service anbieten, hat die Riksbank vor etwas mehr als zehn Jahren beschlossen, es weitgehend den privaten Banken zu überlassen, das Land mit Bargeld zu versorgen. [...]
Zwar ist die Zahl der Überfälle auf Banken und Geldtransporter in Schweden in den vergangenen zehn Jahren deutlich gesunken, von mehr als 200 im Jahr 2008 auf unter 40 im Jahr 2015. Zeitgleich vervielfachten sich allerdings betrügerische Zahlungen mit gestohlenen Karten von knapp unter 20.000 auf fast 70.000 im Jahr.
Eriksson ist außerdem überzeugt, dass es ohne Bargeld für die Bankkunden teurer würde. Die Banken könnten leicht höhere Gebühren und bei Bedarf Negativzinsen durchsetzen. Und sie könnten nachvollziehen und kontrollieren, wie, wo und wofür die Menschen ihr Geld ausgeben. "Wir leben in einer Zeit, in der Hackerangriffe Alltag sind", sagt Eriksson. "Um unser Land lahmzulegen, würde es in einer Zukunft ohne Bargeld ausreichen, den Zugang zum Internet oder die Stromversorgung zu stören." Das Datenschutzargument: Es ist ein wichtiges in der Debatte.
Inzwischen hat Eriksson Verbündete gefunden. Es könnte allerdings zu spät sein. Die Gesellschaft und der Alltag in Schweden haben sich dem Druck der Banken angepasst. Und ist die Bargeldversorgung einmal gestört, dann ist es schwierig, sie wieder herzustellen.
Zur Vorschau auf eine Welt ohne Münzen und Scheine gehört auch ein Blick dorthin, wo die Verhältnisse weniger stabil sind als in Stockholm. [...]
Dimitrios Kampanaros [...] schwört auf Bargeld, seit es ihm vor zwei Jahren den Kopf gerettet hat. Damals, auf dem Höhepunkt der Krise, führte Griechenland Kapitalkontrollen ein, zeitweise konnten die Griechen kein Geld mehr abheben; auch Überweisungen waren schwierig. "Ich muss jeden Monat Rechnungen über 80.000 Euro bezahlen", sagt Kampanaros. Aber er hatte das Unglück kommen sehen und Bargeld in ein Schließfach gelegt. Damit konnte er seine Mitarbeiter bezahlen und Lebensmittel kaufen. So überbrückte er die Zeit, bis sich die Lage beruhigt hatte.
Bargeld ist also auch eine Möglichkeit, in schwierigen Zeiten sein Eigentum zu bewahren. In der Diskussion derer, die das Bargeld loswerden wollen, spielt das bislang keine große Rolle. Vielleicht sind sie zu optimistisch, dass alles gut geht. Kampanaros jedenfalls hat sein Schließfach wieder aufgefüllt. Soll die nächste Krise doch kommen, er ist gewappnet."

Ist die EU aus dem Gröbsten raus?


"Als Lösung, nicht als Problem" - so wird die EU laut Ratspräsident Donald Tusk wieder wahrgenommen. Auf dem EU-Sommergipfel in Brüssel demonstrierten die Teilnehmer Einigkeit und beschlossen eine engere Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung und in Sachen Verteidigung. Während einige Medien dies als Aufbruchstimmung bejubeln, bleiben andere skeptisch.
LA STAMPA (IT)

Brüssel profitiert vom Macron-Effekt

Dass der französische Präsident Macron nun mit im Bunde ist, tut der EU offensichtlich gut, freut sich La Stampa:
„Schnell, konkret und kompakt. Beim gestrigen Treffen des Europäischen Rats zeigte die EU Eigenschaften, die man lange vermisst hat. Vermutlich ist das dem Macron-Effekt zu verdanken, denn der neue französische Präsident, der beim Treffen der Staats- und Regierungschefs seinen Einstand feierte, war der Star des Gipfels. Und tatsächlich hat dieser Sommergipfel konkrete Ergebnisse hervorgebracht, bei den Themen Verteidigung und Kampf gegen den Terrorismus. Und zwar ohne die üblichen internen Meinungsverschiedenheiten, die nicht selten ausufern und eine große Belastung sind. Und ohne die üblichen Verzögerungen. Die gestrige Runde endete sogar eine Stunde früher als geplant.“
Marco Bresolin
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DE VOLKSKRANT (NL)

Ist der Erlöser gekommen?

Ob die Vorschusslorbeeren für Macron gerechtfertigt sind, wird sich noch zeigen, kommentiert De Volkskrant:
„Entspannt aber souverän schreitet der französische Präsident über den roten Teppich. Ein Mann, der weiß, was er will - in Frankreich und Europa. Es ist deutlich: Der Erlöser ist gekommen. ... Ob Macron in Europa Erfolg haben wird, hängt allerdings davon ab, was er in Frankreich tun wird. Deutschland wünscht sich, dass er die dortige Starre durchbricht, den Arbeitsmarkt reformiert und die Staatsverschuldung abbaut. Gelingt ihm das nicht, dann kann Angelas Umarmung zum Würgegriff werden und die Stimmung in Europa könnte sich schnell wieder drehen.“
Arie Elshout
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TVNET (LV)

Europa ist furchtloser als zuvor

Ein Jahr nach dem Brexit-Referendum ist man in der EU viel ruhiger geworden, analysiert das russischsprachige Onlineportal Tvnet:
„Eine Panik wie die, die vor einem Jahr ausbrach, hatte die EU seit ihrer Gründung nicht erlebt. Sie war das Ergebnis des Brexit-Referendums, wuchs von Monat zu Monat und erreichte ihren Höhepunkt mit dem Sieg von Donald Trump. Aber nun, nach anderthalb Monaten Pause, ist sie geschrumpft. Ist das Verlorene wieder zurück? ... War es nur eine Laune, die nach ein paar Monaten Beruhigung fand? ... Möglicherweise hat sich weniger der allgemeine Trend geändert als vielmehr die Haltung der Europäer dazu. Es ist schließlich kein Geheimnis, dass der Sieg leichter fällt, wenn man keine Angst hat. Heute hat Europa keine Angst mehr.“
Paukovs Ivans
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DIE PRESSE (AT)

Noch immer eine Großbaustelle

Die neue Brüsseler Zuversicht hält Die Presse für übertrieben:
„Das derzeitige Gefühl in Brüssel kennt jeder, der schon einmal bei einem Unfall glimpflich davongekommen ist – eine bis in die letzte Körperfaser spürbare Erleichterung. Paradoxerweise ist die Situation, in der sich die EU momentan befindet, nicht mit einem Unfall zu vergleichen, sondern eher mit einer unüberschaubaren Großbaustelle. Migration, Terrorbekämpfung, Eurokrise, Handelspolitik, BudgetdisziplinEinhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien im Osten der EU, Flüchtlingsverteilung – an jeder Ecke müsste schleunigst zugepackt werden. ... Momentan lebt Europa im Konjunktiv und berauscht sich an den Möglichkeiten, die der Brexit, der Wahltriumph Emmanuel Macrons in Frankreich und die sich abzeichnende Wiederwahl Angela Merkels in Deutschland bieten. Ob diese Chancen ergriffen werden, steht auf einem anderen Blatt.“
Michael Laczynski