Montag, 13. Februar 2017

Griechenlandkrise und Juncker

Die Tragödie der Griechischen Staatsschuldenkrise läuft weiter (vgl. auch FR vom 13.2.17).

Als Blogger kann man nicht stets alles thematisieren. Aber man darf gelegentlich erwähnen, was in den Mainstream-Medien allzu kurz kommt.

Die Hilflosigkeit des Kommissionspräsidenten Juncker, der angekündigt hat, für keine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen, drückt sich in seiner Äußerung über das Kreditprogramm für Griechenland aus:
"Es steht auf wackligen Füßen in dem Sinne, dass wir nicht richtig sehen können, wie der Internationale Währungsfonds dieses Problem bewerkstelligen könnte". (FR 13.2.17)

Zugegeben, bewältigen ist für einen Ausländer kein einfaches Wort, aber bewerkstelligen ist auch kein sonderlich einfaches, und es sagt das Gegenteil von dem aus, was er sagen will.
Das kommt davon, wenn man gewohnt ist, mit inhaltsleeren Worten Nebel zu verbreiten. Sie bekommen gelegentlich einen erschreckend aussagekräftigen Sinn.

Spitzt sich die Griechenlandkrise wieder zu?
Erneut geht der Streit um Finanzhilfen für Griechenland in eine heiße Phase. Am 20. Februar soll die Eurogruppe die Auszahlung der nächsten Kredittranche billigen. Doch die Gläubiger sind sich weiter uneins über einen Schuldenschnitt und härtere Sparmaßnahmen, die insbesondere Bundesfinanzminister Schäuble fordert. Einige Kommentatoren gehen streng mit ihm ins Gericht, während andere kritisieren, dass sich die EU im Wahljahr 2017 weiter durchmogeln wird.

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

Gläubiger verweigern sich der Realität

Im Streit um weitere Griechenlandhilfen werden sich die europäischen Gläubiger im Wahljahr 2017 um das eigentliche Problem herummogeln, glaubt die Neue Zürcher Zeitung:
„Hält man sich an die Fakten, gibt es nur zwei Optionen: Entweder befreit sich Griechenland aus dem Korsett des Euro, oder die Gläubiger gewähren einen substanziellen Schuldenschnitt. Von beidem wollen die Europäer aber nichts wissen. Der Terminkalender spricht für Athen. So stehen in den kommenden Monaten wichtige Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich und in Deutschland an. In keinem dieser Länder hat die Regierung ein Interesse an einer Eskalation der Krise, da dies den rechtsnationalen Kräften in die Hände spielen würde. Also wird man an überaus optimistischen Szenarien festhalten, Bereitschaft für kosmetische Schuldenerleichterungen zeigen und Athen noch vor dem Sommer, wenn milliardenschwere Schuldenrückzahlungen anstehen, eine nächste Kredittranche überweisen. Man kann dies Realpolitik nennen - oder Realitätsverweigerung.“
Thomas Fuster
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PÚBLICO (PT)

Deutsche Kompromisslosigkeit verschärft Streit

An der Zuspitzung der Lage hat diesmal nicht Griechenland Schuld, argumentiert der Wirtschaftsprofessor Ricardo Cabral in Público:
„Griechenlands staatliche Verschuldung steht erneut im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, aber diesmal - man stelle sich das einmal vor - nicht wegen Griechenland, sondern wegen eines alten 'Konflikts', der seit 2015 zwischen dem IWF und der Eurogruppe besteht. Der deutsche Finanzminister vertritt eine kompromisslose Position und wird durch die Kommission und den Europäischen Stabilitätsmechanismus [ESM] unterstützt. ... Der IWF plädiert für eine Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden. ... Ansonsten sei der IWF nicht bereit, sich an einem neuen Rettungspaket für Griechenland zu beteiligen. Doch Berlin sperrt sich gegen einen Schuldenschnitt und beharrt darauf, dass die IWF-Beteiligung an einem wahrscheinlichen vierten Rettungspaket eine conditio sine qua non sei.“
Ricardo Cabral
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LA TRIBUNE (FR)

Oberlehrer Schäuble zerstört Solidarität

Die Pläne von Bundesfinanzminister Schäuble könnten die Hoffnung auf eine solidarischere Eurozone beerdigen, fürchtet La Tribune:
„Wolfgang Schäuble schreitet voran mit der Bildung einer europäischen Organisation nach den Vorstellungen seines Projekts von 1994: dem eines 'harten Kerns' der Eurozone. … Und dieser Option nähern wir uns: Es handelt sich um eine Korrektur der aktuellen Eurozone. Entweder durch den Ausschluss der 'schlechten Schüler' oder durch eine noch strengere Korrektur mit mehr Reformen und höheren Anforderungen in Sachen Primärüberschüsse ab 2018. Zudem geht es darum, den anderen Ländern der Eurozone neue ungeschriebene Regeln für die Zukunft vorzulegen: einseitige Anpassung oder Austritt. … Im Fall Griechenland steht also nicht nur das Schicksal des Landes selbst auf dem Spiel, sondern die Zukunft der Eurozone: Wenn die Pläne von Wolfgang Schäuble Realität werden, ist es mit den Träumen von einer ausgeglicheneren und solidarischeren Eurozone vorbei.“
Romaric Godin
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AVGI (GR)

Nur vereint könnte Athen Berlin trotzen

Die Politiker in Griechenland sind zu zerstritten, als dass sie der deutschen Dominanz etwas entgegen zu setzen hätten, klagt die regierungsnahe Tageszeitung Avgi:
„Die deutsche politische Führung scheint ihre Taktik bezüglich der griechischen Frage nicht zu ändern und hat das neue EU-Modell der zwei Geschwindigkeiten ausgearbeitet. ... Griechenland könnte in diesem ungleichen Kampf aufrecht stehen, wenn es geeint wäre. Wenn alle politischen Kräfte verstanden hätten, wie wichtig das für die Zukunft des Landes ist. Stellen Sie sich ein Szenario vor, in dem alle griechischen Politiker Nein zu Schäubles Vorschlägen sagen. Man male sich aus, was passieren würde, wenn das Land die Erpressungen abwehren könnte. Aber das ist unvorstellbar, da der Oppositionsführer und Vorsitzende der konservativen Partei Nea Dimokratia, Kyriakos Mitsotakis, Premier werden will und die Vorsitzende der Sozialisten von Pasok, Fofi Gennimata, ebenfalls ihren Anteil an der Macht in der deutschen Kolonie haben will.“
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Spitzt sich die Griechenlandkrise wieder zu?
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Juncker verzichtet auf zweite Amtszeit
Jean-Claude Juncker will nicht erneut für den EU-Kommissionsvorsitz kandidieren. In einem Interview warnte er vor einem Auseinanderbrechen der Union angesichts der Brexit-Verhandlungen und forderte er Einigkeit gegenüber dem neuen US-Präsidenten. Einige Medien hoffen auf frischen Wind in Brüssel, andere loben den scheidenden Kommissionspräsidenten für seinen Altruismus.

DER STANDARD (AT)

Kommissionspräsident will EU aufrütteln

In seiner Ankündigung hat Juncker ein düsteres Bild der Union gezeichnet, bis hin zu ihrem Zerfall. Der Standard glaubt, dass er damit die Staats- und Regierungschefs aufrütteln wollte:
„Der frühere 'ewige' Ministerpräsident von Luxemburg und langjährige Chef der Eurogruppe kennt alle ... Tricks. Er wirkte schon länger müde, etwas desillusioniert. Die nicht enden wollende 'Multikrise' in der Union seit 2008 hat ihm zugesetzt. Noch mehr aber irritiert den Vertreter eines geeinten, versöhnten und politisch integrierten Europa, dass 'seine' Regierungschefs in der Tafelrunde bei den EU-Gipfeln ihn und die Kommission, das Gemeinsame, permanent hängenlassen. Statt sich darauf zu konzentrieren, wie man sich als Union aus der Misere herausarbeitet, statt den 'EU-Zerstörern' konstruktiv etwas entgegenzusetzen, setzten immer mehr Länder auf Egoismus und Nationalismus. Es scheint, als wollte Juncker ultimativ sagen: Mir geht es nicht (mehr) um mich, wacht auf, kämpft um die EU.“
Thomas Mayer
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LE MONDE (FR)

Union braucht frische Führungskräfte

Auf Juncker muss eine neue Generation an der Spitze der EU folgen, fordert Le Monde:
„Juncker leitet seit 2014 eine Kommission, die politischer, weniger konservativ, weniger technokratisch und weniger deutsch ist. … Doch das genügt nicht. Das Europa, das derzeit das 25-jährige Bestehen des Maastricht-Vertrags feiert, der den Euro hervorgebracht hat, und auch den 60. Jahrestag der Verträge von Rom, die den Gemeinsamen Markt geschaffen haben, ist nicht nur schwierig umzusetzen, sondern sogar unerreichbar. … Mit der Welt von Juncker, der Ende der 1980er Jahre als junger Finanzminister an den Verhandlungen von Maastricht teilnahm, geht es zu Ende. Die alte Garde muss von einer neuen Generation abgelöst werden, die einen frischen Blick hat, aber nicht die Erinnerungen an tausende seit einem Vierteljahrhundert in Brüssel geschmiedete Kompromisse, die für nichts anderes stehen als für eine Blockade.“
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Juncker verzichtet auf zweite Amtszeit
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