"Hier in Italien wird fast nur über die Schleuser geredet, die die Flüchtlingsboote steuern. Mehr als 1000 sind von italienischen Behörden festgenommen worden. Aber sie sind kleine Fische, das letzte Glied der Kette, wie Dealer im Drogenhandel. Einige sind Kleinkriminelle, andere Flüchtlinge, die von Opfern zu Tätern wurden. Die großen Fische agieren im Hintergrund. [...]
Das sind ganz rationale Geschäftsleute, etwa in der Türkei, Tunesien, Ägypten. Einige waren Taxifahrer oder Bootsbesitzer und haben dann die kriminelle Karriere begonnen. In Kairo haben wir einen getroffen, der sich El Douly nennt, „der Internationale“. Er ist Mitte 40, trägt fünf Zeitungen unterm Arm, spricht Englisch, Französisch, alle arabischen Dialekte. Während des Golfkriegs floh er als Deserteur aus dem Irak, mit Hilfe von Schleusern. Die wurden seine Mentoren. Als Tarnung hat er einen Laden für teure Kunstobjekte. Er schleust jährlich Tausende Flüchtlinge durch Ägypten, mit zwei Handvoll Mitarbeitern. Seine Kunden kommen aus Eritrea, Somalia, Subsahara-Afrika, Syrien. Er lässt sie bis zur libyschen Grenze transportieren und übergibt sie an dortige Organisationen. Selbst wenn er von jedem Flüchtling nur 500 Dollar nimmt, verdient er Millionen. [...]
Es ist naiv zu glauben, dass eine Blockade Libyens das Problem löst. Wenn ich einen Flusslauf staue, sucht sich das Wasser einen anderen Weg. Die Schleuser passen ihre Routen schnell an, nutzen geografische und gesetzliche Lücken. [...]
Wenn wir in Ägypten oder der Türkei UN-Flüchtlingslager einrichten, die Leute dort bereits Asyl beantragen können und mit Fingerabdrücken identifiziert werden, nehmen wir den Schleppern die Arbeit weg. Es muss gemeinsame EU-Zuwanderungsregeln, gemeinsame europäische Ermittlerteams gegen Schleuser und Abkommen mit Transitländern zum Austausch von Polizei- und Geheimdienstinformationen geben."
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