So wie Lloyd George die historische Rolle zugefallen ist, die liberale Partei Großbritanniens zu spalten und damit ihrer politischen Bedeutungslosigkeit entgegenzuführen (übrigens unter tätiger Mithilfe des zwischen Konservativen und Liberalen hin und her wechselnden Churchill), so könnte es dem etwas merkwürdig einander unterstützenden Zusammenwirken von Gerhard Schröder, Lafontaine und Ypsilanti gelungen sein, die historische Rolle zu übernehmen, die SPD zu spalten und das notwendige Umsteuern zu ökologisch nachhaltiger Wirtschaftspolitik zu diskreditieren.
George W. Bushs historische Rolle ist schon jetzt klar zu erkennen: Er hat den Boden für die Präsidentschaft eines Präsidenten bereitet, der mehr als Schwarzer denn als Weißer erlebt wird und der es als seine historische Rolle ansieht, die Gegensätze zwischen Weiß und Schwarz in den USA zu überbrücken. Und es ist ihm gelungen, in kürzester Zeit die historisch einmalige Rolle der USA als einzige Supermacht (als Hypermacht) zu diskreditieren.
Während es bei Lloyd George eines überragenden politischen Talents bedurfte, die Liberalen zu spalten, reichte bei Schröder und Lafontaine zur Parteispaltung aus, dass sich zwei Bündnispartner mit entgegengesetzten politischen Zielen zusammengetan hatten.
Die Diskreditierung ökologisch nachhaltiger Wirtschaftspolitik wird primär von neoliberalen Politikern und kurzsichtigen Managern angestrebt. Es steht zu hoffen, dass Weltfianz- und -wirtschaftskrise dem Versuch ein Ende bereiten. Doch Yplsilantis Serie von Ungeschicklichkeiten, die das für ihre Politik notwendige Zusammengehen traditioneller und neuer Linker verhinderten, ist es zuzuschreiben, dass trotz der Finanzkrise noch einmal wirtschaftspolitische Verblendung den Sieg davontragen konnte.
George W. Bush hat für seine historische Leistung natürlich Helfer gehabt: Die Neokonservativen, die im Bündnis mit religiösem Obskurantismus eine angebliche Sendung Amerikas zur gewaltsamen Durchsetzung von Demokratie propagierten, um sie zur Energiesicherung in neoimperialistischer Manier zu nutzen. Vor allem aber das ungewöhnliche politische Talent Obamas, dem es gelang, für seine Politik des sozialen Ausgleichs mehr Spenden zu sammeln als Hillary Clinton in ihrer Rolle als Frau eines erfolgreichen ehemaligen Präsidenten. Und dann allen Fallstricken zu entkommen, die auf dem Weg zur Präsidentschaft einem Schwarzen drohen.
Dass Bush vermutlich dauerhaft nicht als schlechtester Präsident der USA der Geschichte eingehen wird, verdankt er einer Reihe ungewöhnlich unfähiger US-Präsidenten der 19. Jahrhunderts. Dass er zumindest schlechtester US-Präsident des 21. Jahhunderts bleiben wird, ist angesichts der anstehenden Weltprobleme dringlich zu wünschen.
Montag, 19. Januar 2009
Historische Rollen
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Donnerstag, 8. Januar 2009
Es gibt nicht "den" Wähler
In der ZEIT vom 8.1.2009 baut Bernd Ulrich einen Mythos auf, um die Verantwortung von der politischen Elite, Politikern, Journalisten und mehr und mehr Wirtschaftsfuntionören, abzuwälzen: den Wähler.
In den letzten Absatz versteckt er dann das Eingeständnis, dass es "den" Wähler genauso wenig gibt wie "den" Kunden oder "den" Journalisten. Zur politischen Willensbildung der Wähler beizutragen ist Aufgabe der Parteien (Art.21 GG) und - selbstgewählt - Aufgabe der Journalisten. Nicht "der" Wähler hat 1953 und 1957 den Weg zum 3-Parteien-System geebnet, sondern die wirtschaftliche Gesundung, ob man sie Marshallplan, Ludwig Erhard, Konrad Adenauer oder sonst jemandem zuschreiben will. Nicht "der" Wähler hat die Grünen und die Linken gegründet, sondern die etablierten Parteien haben durch beharrliche Ignorierung der Interessen eines erheblichen Anteils der Wähler erreicht, dass trotz 5%-Klausel neue Parteien erst in die Landtage, dann in Regierungen und Bundestag kamen. "Verantwortungswähler" haben erst eine Chance, wenn die Mehrzahl der Politiker und der Journalisten verantwortlich handelt.
In den letzten Absatz versteckt er dann das Eingeständnis, dass es "den" Wähler genauso wenig gibt wie "den" Kunden oder "den" Journalisten. Zur politischen Willensbildung der Wähler beizutragen ist Aufgabe der Parteien (Art.21 GG) und - selbstgewählt - Aufgabe der Journalisten. Nicht "der" Wähler hat 1953 und 1957 den Weg zum 3-Parteien-System geebnet, sondern die wirtschaftliche Gesundung, ob man sie Marshallplan, Ludwig Erhard, Konrad Adenauer oder sonst jemandem zuschreiben will. Nicht "der" Wähler hat die Grünen und die Linken gegründet, sondern die etablierten Parteien haben durch beharrliche Ignorierung der Interessen eines erheblichen Anteils der Wähler erreicht, dass trotz 5%-Klausel neue Parteien erst in die Landtage, dann in Regierungen und Bundestag kamen. "Verantwortungswähler" haben erst eine Chance, wenn die Mehrzahl der Politiker und der Journalisten verantwortlich handelt.
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Mittwoch, 7. Januar 2009
Nahostkonflikt
Amos Oz hat zu recht immer wieder darauf hingewiesen, dass im Nahostkonflikt beide Seiten im Recht sind und es falsch ist, aus verkürzter europäischer Sicht, der einen wie oder der anderen Seite Recht zu geben.
Jetzt spricht er, ohne von seinem früheren Urteil abzurücken, häufiger davon, dass beide Seiten im Unrecht sind.
Zu recht.
Jetzt spricht er, ohne von seinem früheren Urteil abzurücken, häufiger davon, dass beide Seiten im Unrecht sind.
Zu recht.
Freitag, 2. Januar 2009
Schwierigkeiten beim Umdenken
Die Hoffnungen, dass viel Information über Umweltverschmutzung, Rohstoffknappheit und Klimawandel der folgenden Generation hilft, energischer als bisher die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, könnte trügen. Es gibt nämlich auch den entgegengesetzten Effekt:
"Eine Studie mit mehreren Generationen kalifornischer Fischer hat gezeigt, dass die jüngsten das geringste Problembewusstsein hatten, was Überfischung und Artensterben anging - sie hatten nämlich kaum eine Vorstellung davon, dass es dort, wo sie ihre Netze auswarfen, jemals mehr und andere Fische gegeben hatte. Solche "shifting baselines" Veränderungen von Wahrnehmungen und Werten parallel zu sich wandelnden Umwelten, gibt es auch im sozialen Bereich" (Harald Welzer im Spiegel vom 29.12.2008, S. 132)
Als Beispiel führt er die Akzeptanz der Einschränkungen, der Enteignung und dannder Deportation von Juden an. Die nächste Stufe wurde beschritten, als man sich an die vorige bereits gewöhnt hatte.
Dazu eine Stelle bei bei Ludwig Marcuse, immerhin Jude und so weit in die besseren Gesellschaftskreise integriert, dass er den Sohn Wilhelms II. mit Spitznamen nennen durfte, zu seiner Reaktion auf die Straßenkämpfe von 1930-1933:
"Es war ein Kalter Bürgerkrieg, der sich von Monat zu Monat erwärmte. Doch war man so anpassungsfähig, daß mit der Zeit auch das Knallen den übrigen Umwelt-Geräuschen eingeordnet wurde."
Auch er gewöhnte sich, statt wegen des bereits herrschenden Antisemitismus überwachsam zu sein.
"Eine Studie mit mehreren Generationen kalifornischer Fischer hat gezeigt, dass die jüngsten das geringste Problembewusstsein hatten, was Überfischung und Artensterben anging - sie hatten nämlich kaum eine Vorstellung davon, dass es dort, wo sie ihre Netze auswarfen, jemals mehr und andere Fische gegeben hatte. Solche "shifting baselines" Veränderungen von Wahrnehmungen und Werten parallel zu sich wandelnden Umwelten, gibt es auch im sozialen Bereich" (Harald Welzer im Spiegel vom 29.12.2008, S. 132)
Als Beispiel führt er die Akzeptanz der Einschränkungen, der Enteignung und dannder Deportation von Juden an. Die nächste Stufe wurde beschritten, als man sich an die vorige bereits gewöhnt hatte.
Dazu eine Stelle bei bei Ludwig Marcuse, immerhin Jude und so weit in die besseren Gesellschaftskreise integriert, dass er den Sohn Wilhelms II. mit Spitznamen nennen durfte, zu seiner Reaktion auf die Straßenkämpfe von 1930-1933:
"Es war ein Kalter Bürgerkrieg, der sich von Monat zu Monat erwärmte. Doch war man so anpassungsfähig, daß mit der Zeit auch das Knallen den übrigen Umwelt-Geräuschen eingeordnet wurde."
Auch er gewöhnte sich, statt wegen des bereits herrschenden Antisemitismus überwachsam zu sein.
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