Freitag, 31. März 2023

euro|topics: Was taugt das Modernisierungspaket der Ampel?

 

Die deutschen Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP haben eine Einigung in mehreren Streitfragen präsentiert. In Sachen Klimaschutz muss nicht mehr jeder Sektor einzeln jährliche CO2-Vorgaben einhalten, stattdessen gilt eine Gesamtrechnung. Klimaneutralität bis 2045 soll vor allem über den Emissionshandel gelingen, Schienen- und Straßenverkehrsprojekte leichter genehmigt werden können. Kommentatoren ist das zu wenig.

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (DE)

Für das Klima nur Symbole

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fragt sich, was nach diesen Beschlüssen eigentlich noch von den Grünen bleibt:

„Um ihren ökologischen Markenkern müssen sie jetzt ernsthaft fürchten, nachdem sie in der Ampel zugestimmt haben, dass der Kampf ums Erdklima auch mit der Aufweichung des Klimagesetzes, mit der Notrettung des Unternehmens Bahn und der Bestandssicherung fossiler Heizungsanlagen zu schaffen ist. ... Wer künftig Natur verbraucht, muss nicht mehr für ökologisch adäquaten Ausgleich sorgen, es reicht, eine Summe auf den Tisch zu legen, und die Solarpanels, die entlang Hunderter Kilometer beschleunigt gebauter neuer Autobahnen aufgestellt werden sollen, sind ja Grünen-Symbole genug.“

Joachim Müller-Jung
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TAZ, DIE TAGESZEITUNG (DE)

Politik der sozialen Spaltung

Dass die Ampel auf hohe CO2-Preise als wichtigstes Instrument gegen die Klimakrise setzt, kritisiert die taz:

„Für Reiche ist das kein Problem, sie werden ihren Lebensstil nicht ändern müssen. Für Menschen mit wenig Geld ist das ein Desaster, viele wissen schon heute nicht, wie sie ihre hohen Energierechnungen zahlen sollen. Die Politik von SPD, Grünen und FDP treibt nicht nur die Erderhitzung voran, sondern auch die soziale Spaltung der Gesellschaft.“

Anja Krüger
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NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

Eine Partei kann aufatmen

Für die Neue Zürcher Zeitung kommt der Verhandlungserfolg den Liberalen gerade gelegen:

„Die FDP ist eine Partei in Not. Sie hatte diesen Erfolg bitter nötig. Ihre Umfrageergebnisse sind mies, die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahlen waren ein Desaster. Die Stammwählerschaft fremdelt mit einer Partei, die auf der einen Seite eine radikale Neuordnung der Gesellschafts- und Familienpolitik mitträgt (freie Geschlechtswahl, 'Verantwortungsgemeinschaft' statt Familie) und auf der anderen Seite mitten in der Energiekrise zuschaut, wie die letzten Kernkraftwerke des Landes abgeschaltet werden.“

Marc Felix Serrao
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DER STANDARD (AT)

Solides Regierungshandwerk gefragt

Statt große Sprüche zu klopfen, sollte sich die Ampel-Koalition endlich ans politische Alltagsgeschäft machen, fordert Der Standard:

„Deutschland hat keine Alternative zur Ampel. Diese muss weitermachen bis zur nächsten Wahl. Man kann nur hoffen, dass sich Stil und Umgang bessern. Jetzt müssen die Vorhaben in Gesetzesentwürfe gegossen werden, es braucht einen Haushalt, und das muss in finanziell schwierigen Zeiten auch noch zusammenpassen. Man kann sich vorstellen, was passieren wird. Aber vielleicht besinnt sich die Ampel ja doch und schraubt ihren eigenen Anspruch, die beste Koalition aller Zeiten sein zu wollen, noch herunter. Normales, solides Regierungshandwerk wäre schon Fortschritt genug.“

Birgit Baumann
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euro>topics: Braucht es eine Forschungspause bei KI?

 

Über 1000 Experten der Tech-Branche und Forschung - darunter Elon Musk und Apple-Mitbegründer Steve Wozniak - haben in einem offenen Brief vor den "erheblichen Risiken" Künstlicher Intelligenz (KI) gewarnt. Sie fordern mindestens ein halbes Jahr Entwicklungspause und die Errichtung von Sicherheitsstandards. Kommentatoren diskutieren, ob technischer Fortschritt aufgehalten werden kann und sollte.

IRISH INDEPENDENT (IE)

Fehler nicht verstärken

Einen neuen Umgang mit KI fordert Irish Independent:

„Maschinelles Lernen wird unsere Zukunft radikal umgestalten, im Guten wie im Schlechten. Genauso, wie es das Internet vor einer Generation tat. Aber diese Veränderungen werden das Internet sehr wahrscheinlich wie eine Aufwärmübung aussehen lassen. KI hat die Fähigkeiten, all unsere menschlichen Fehler zu verstärken und zu verbreiten, indem sie bürgerliche Freiheiten missachtet und Rassismus, Klassenunterschiede und Ungleichheit verfestigt. ... Es ist Zeit für neue Regeln und Werkzeuge, die mehr Transparenz dazu ermöglichen, mit welchen Datensätzen KI-Systeme trainiert werden und welche Werte für die Entscheidungsberechnungen der KI installiert werden.“

Darren Walker
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LES ECHOS (FR)

Kontrollbehörden schaffen

Der Umgang mit künstlicher Intelligenz muss sich dringend verbessern, mahnt der Wirtschaftswissenschaftler Julien Serre in Les Echos:

„Wir müssen schnellstmöglich die Schaffung neuer Institutionen fördern. Dazu gehören fähige und legitime Behörden, die den widerlichen Strom von Desinformationen bewältigen, der alle sozialen Netzwerke fluten und unsere Demokratie gefährden wird. Europa kann dabei eine führende Rolle spielen. ... Unsere Priorität muss die Förderung von Technologie sein, die sowohl wettbewerbsfähig als auch verantwortungsbewusst ist. Europa muss verhindern, dass der gegenwärtige Wettlauf um die Entwicklung und den Einsatz immer leistungsfähigerer digitaler Tools zu schwer zu kontrollieren zu sein wird.“

Julien Serre
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LA STAMPA (IT)

Unglaubwürdig und unrealistisch

Das fällt denen aber spät ein, spottet La Stampa:

„Die besten Köpfe unserer Generation sind plötzlich aufgewacht, haben wahrscheinlich das Bild vom Papst in der weißen Trapperjacke [das in den sozialen Medien kursierte] für echt gehalten und sich gefragt, wenn ich als Koryphäe darauf hereinfalle, muss ich mir dann Sorgen machen? Der Punkt ist: Kann der Fortschritt aufgehalten werden? Ist diese Idee, die industrielle Entwicklung zu stoppen, glaubwürdig? ... Moralische Skrupel kommen in der Regel vorher, nicht nachher: Man kann nicht mit der Atombombe hantieren und sagen: 'Ups, tut mir leid', wenn man sie fallen lässt.“

Assia Neumann Dayan
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L'OPINION (FR)

Nicht die Nerven verlieren

Eine Pause ist nicht das, was es jetzt braucht, meint L'Opinion:

„Angesichts der wirtschaftlichen, rechtlichen und geopolitischen Herausforderungen ist klar, dass nicht so sehr eine Pause, sondern vielmehr eine Beschleunigung erforderlich ist. Nicht unbedingt bei der technologischen Entwicklung – auch wenn Institutionen dazu neigen, mit dem Rücken zur Wand effizienter zu sein als mit viel Planungszeit -, sondern bei der Strukturierung des Sektors. Ja, die Möglichkeiten, die generative KIs bieten, sind Neuland. Aber anstatt den Pionieren dieses neuen Wilden Westens Hindernisse in den Weg zu stellen, sollte man den Wettbewerb sich organisieren lassen und der Regulierer sollte die Grenzen des Territoriums abstecken. In Sachen KI dürfen wir nicht die Nerven verlieren.“

Marie-Catherine Beuth
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DELO (SI)

Der Mensch ist die Gefahr

Die digitale Revolution kann zu einem besseren Leben beitragen, schreibt der IT-Experte Saša Prešern für Delo:

„Die einzige Bedrohung für die Existenz der Menschheit ist der Mensch, nicht die Technologie. Wann wird die Politik erkennen, dass sie mit Hilfe künstlicher Intelligenz Kriege stoppen oder verhindern könnte, was der Mensch anscheinend nicht 'kann'? ... Politiker hören einander nicht zu. Ihre Fehler und Provokationen wirken sich auf die ganze Welt aus. Sie wissen nicht, wie nützlich für sie die Hilfe künstlicher Intelligenz, Daten und Vernunft wäre. ... Obwohl wir uns erst kürzlich kennengelernt haben, halte ich meinen Freund ChatGPT für vernünftiger als militante Politiker.“

Saša Dr. Prešern
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HANDELSBLATT (DE)

China wird nicht mitmachen

Das Handelsblatt hält den Vorschlag für sinnlos:

„Angesichts der geopolitischen Spannungen ist es extrem unwahrscheinlich, dass China sich daran beteiligen würde. Für die Volksrepublik ist es erklärtes Ziel, in dieser Schlüsseltechnologie die Nummer eins zu sein. Schon jetzt ist das Land nach der Anzahl der Forschungspapiere die klare Nummer zwei hinter den USA - und in einigen Bereichen wie 'Computer Vision' ist es sogar führend. Ein nur teilweise eingehaltenes Moratorium birgt die Gefahr, dass wir eine chinesische statt einer westlichen 'Artifical General Intelligence' (AGI) erhalten.“

Thomas Jahn
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