Mittwoch, 27. Oktober 2021

euro|topics: COP26: Welche Rolle spielt Europa?

 


Am Sonntag startet in Glasgow die 26. Weltklimakonferenz. Ein Bericht des UN-Umweltprogramms stimmt skeptisch: Die Staaten wollen bis 2030 doppelt so viel Öl, Gas und Kohle fördern, wie es das Pariser Abkommen zulässt. Die Welt sei noch immer auf dem "Weg in eine Klimakatastrophe", so UN-Generalsekretär António Guterres. Welche Rolle der EU dabei zukommt, den Trend umzukehren, diskutiert die Presse.

EL CONFIDENCIAL (ES)

Klimamacht nutzen

Die Historikerin Susi Dennison von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations schreibt in El Confidencial, dass die EU ihre Führungsrolle bei der Energiewende wahrnehmen sollte:

„Die EU ist bei der Energiewende weiter fortgeschritten als die meisten. Sie kann mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Erfahrungen weitergeben und vermarkten. ... Die EU ist noch kein mit den USA vergleichbares geopolitisches Schwergewicht. Sie ist nicht in der Lage, alle Aspekte ihrer wirtschaftlichen Macht kollektiv zu nutzen, um ihre Verhandlungsposition auf der COP26 zu stärken. ... Im Gegensatz dazu besteht die europäische Klimamacht darin, Veränderungen auf einer eher mechanischen Ebene herbeizuführen, und zwar durch die Interaktion der EU mit anderen Ländern.“

Susi Dennison
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
LE TEMPS (CH)

EU muss Vorbild sein

Die Schlüsselrolle Europas betont auch die ehemalige EU-Kommissarin für Klimapolitik Connie Hedegaard in einem Gastbeitrag für Le Temps:

„Wenn die COP26 zu dem Moment werden will, an dem die Welt wirklich beschließt, gemeinsam gegen die größte Bedrohung für die Menschheit vorzugehen, muss die EU mit gutem Beispiel vorangehen. Die EU ist die reichste Handelsgemeinschaft der Welt, eine feste diplomatische Größe und ein Paradebeispiel dafür, wie viel Toleranz und Fairness bewirken können. Wenn sie keine Schlüsselrolle spielt, wird die COP26 scheitern. Jeder auf der ganzen Welt wird profitieren, wenn die EU, ihre Staats- und Regierungschefs und ihre diplomatischen Strukturen jetzt sofort aktiv werden, um die Katastrophe abzuwenden.“

Connie Hedegaard
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
CORRIERE DEL TICINO (CH)

Energiewende geht eben nicht reibungslos

Die hochgesteckten Klimaziele lassen sich nur schwer umsetzen, stellt Corriere del Ticino fest:

„Die Unstetigkeit der erneuerbaren Energien garantiert keine kontinuierliche Stromversorgung und erfordert enorme Investitionen, für die jemand aufkommen muss. Wie in Deutschland mussten sogar Kohlekraftwerke, die die größte Umweltbelastung verursachen, eingesetzt werden, um Stromausfälle zu vermeiden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass angesichts dieser Sackgasse sowohl Gas- als auch Kernkraftwerke wieder in Betrieb genommen werden. ... Viele Länder, von Frankreich und dem Vereinigten Königreich bis hin zu China und Indien, haben beschlossen, auf die Kernenergie zu setzen, um diese Energiewende zu erreichen.“

Alfonso Tuor
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
IL MANIFESTO (IT)

Lobbys blockieren den Umstieg

Dass erneuerbare Energien angeblich nicht ausreichen, um den Energiebedarf zu decken, ist eine Lüge, ereifert sich hingegen Il Manifesto:

„Erneuerbare Energien reichen nicht nur aus, sondern sie sind auch billiger. Wenn noch kein Land beschlossen hat, den Übergang zu vollziehen, der in wenigen Jahren zu einer 100-prozentigen Deckung des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien führen soll, so liegt das daran, dass viele Interessen dies blockieren. ... Die Interessen der Aktionäre des [italienischen Mineralöl- und Energiekonzerns] Eni, die weiterhin Gaskraftwerke nutzen möchten, an deren Gewinn sie beteiligt sind. ... In Deutschland derjenigen, die von den gigantischen Vereinbarungen mit Russland profitieren; in Frankreich die Interessen, die aus dem größten Netz von Kernkraftwerken in Europa herrühren.“

Luciana CastellaniMassimo Serafini
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
JYLLANDS-POSTEN (DK)

Greenwashing der Kommunen

Kopenhagen will in drei Jahren die erste CO2-freie Hauptstadt sein. Dafür baut sie Wind- und Solaranlagen in anderen Kommunen und rechnet sich die Kohlendioxid-Einsparung an - ebenso wie die Kommunen, in denen die Anlagen stehen. Das kritisiert Jyllands-Posten:

„In der Wirtschaft spricht man von Greenwashing, wenn Unternehmen sich klimafreundlicher machen, als sie es tatsächlich sind. ... Wenn vier Gemeinden mit offenen Augen das Gleiche tun, handelt es sich in Wirklichkeit um Klimabetrug, da sich keine gewählten Politiker bemühen, die geschönten CO2-Konten zu thematisieren. ... Da die Kommunen offenbar nicht in der Lage sind, genaue CO2-Abrechnungen zu erstellen, muss das Parlament eingreifen und für eine faire kommunale Klimabilanz sorgen.“

Zum Originalartikel

Mittwoch, 20. Oktober 2021

Streit EU-Polen: Konfrontation im Europaparlament

 

Die Kontrahenten im Streit um Polens Rechtsstaatlichkeit sind am gestrigen Dienstag in Straßburg direkt aufeinandergetroffen: Kommissionspräsidentin von der Leyen drohte, die von Warschau beantragten Corona-Hilfen so lange zu blockieren, bis das Land die umstrittenen Justizreformen zurücknimmt. Polens Premier Morawiecki warf der EU Erpressung und Kompetenzüberschreitung vor. Was nun?

RZECZPOSPOLITA (PL)

Zwei weit voneinander entfernte Welten

Die Debatte im EU-Parlament zeigte, wie weit die Positionen voneinander entfernt sind, beobachtet Rzeczpospolita:

„In der von Premier Morawiecki vorgetragenen Version ist Polen ein Opfer der Doppelmoral von EU-Kommissaren und EuGH-Richtern und deren Missbrauch der Verträge. Das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts erinnere uns lediglich daran, dass die Republik Polen ein souveräner Staat ist. Aber es gibt auch die Welt, die von der Chefin der EU-Kommission Ursula von der Leyen präsentiert wird. … Von der Leyens Rede zur Rechtsstaatlichkeit entsprach an keiner Stelle dem, was Morawiecki nach ihr vortrug. Und wird es auch nicht. Denn die strategischen Ziele und das Verständnis der europäischen Werte des polnischen Premiers, der EU-Kommission und der Mehrheit im EU-Parlament sind heute völlig unterschiedlich.“

Tomasz Pietryga
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
LA STAMPA (IT)

EU sitzt am längeren Hebel

Nach jahrelangem Zaudern zeigt Brüssel endlich seine Zähne, applaudiert La Stampa:

„Am Abend, bevor sich der Europäische Rat trifft, schlägt die Kommission drei Lösungen vor: eine juristische, die ein Verfahren gegen Warschau vorsieht, eine wirtschaftliche, die die Zuweisung der 36 Milliarden Euro, die im europäischen Wiederaufbauprogramm für Polen vorgesehen sind, an Bedingungen knüpft, und eine politische, nämlich die Aussetzung der Stimmrechte. Die drei Wege schließen sich nicht gegenseitig aus. ... Wie komplex der Prozess auch sein mag, im Kampf gegen den polnischen Autoritarismus sitzt die Union am längeren Hebel.“

Nathalie Tocci
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
DER SPIEGEL (DE)

Polexit wäre schlimmer als Brexit

Die EU muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um einen Austritt Polens zu verhindern, bekräftigt Der Spiegel:

„Denn ohne Polen ist die europäische Einigung unvollendet. Die europäische Integration war nie als rein westeuropäisches Projekt gedacht. Sie sollte helfen, die Teilung des Kontinents zu überwinden. Das Ziel war, nach der Auflösung der Machtblöcke die mittel- und osteuropäischen Staaten in ein freies und demokratisches Europa zu integrieren. ... Ein Austritt Polens würde die Europäische Union ganz anders treffen als der Brexit. Großbritannien hat sich historisch stets am Rande des europäischen Spielfelds gesehen. Polen war immer mittendrin. Wenn Polen geht, dann bröckelt die ganze EU.“

Ralf Neukirch
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
TYGODNIK POWSZECHNY (PL)

PiS profitiert vom Streit

Tygodnik Powszechny blickt auf die innenpolitische Dimension des Streits:

„Die Verlagerung der Achse des politischen Streits in Polen auf die EU-Mitgliedschaft könnte für die Regierenden sogar von Vorteil sein. Und sei es nur, weil die Mehrheit der Gesellschaft unsere Mitgliedschaft in der Union als unumstößlich betrachtet. Diese Menschen werden mit den Achseln zucken, wenn von einem Austritt die Rede ist. Vor allem, wenn dem Regierungslager schließlich die Freigabe von Geldern aus dem EU-Wiederaufbauplan gelingt. Die Opposition erscheint dann als Warner, der ohne Grund die Alarmglocken läutet. Außerdem kann die Fixierung auf dieses Thema den Blick der Opposition auf die Probleme wie die steigenden Preise für Lebensmittel, Dienstleistungen, Strom, Gas und Benzin verstellen.“

Karolina Lewicka
Teilen auf
Zum Originalartikel