Hoeneß fand schon länger, dass Fußballprofis zu viele Steuern zahlen.* Wieso sollte er wesentlich mehr Steuern zahlen wollen, nur weil er wesentlich mehr verdient?
Als die CDs mit Daten zu Steuerparadiesen und vielen Tausend Steuerhinterziehern (ca. 130 000) publik wurden, winkten die Finanzminister nur ab. "Alles kalter Kaffee, längst bekannt."
Warum tun Journalisten so, als wären sie über Hoeneß erstaunt.
Gewundert habe ich mich damals, als Steuerfahnder für verrückt erklärt und entlassen wurden, weil sie ihrer Arbeit nachgingen.
*Ich habe es nicht selbst gehört. Mir wurde aber versichert, er habe das bekannte Argument gebracht, die Profis arbeiteten ein halbes Jahr nur für die Steuer. So als ob nicht Millionen wünschen würden, sie könnten für ihrer Hände Arbeit so viel bekommen, dass nach Abzug des Existenzminimums noch etwas für die Steuer übrig bleibt.
Während die Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung über ein halbes Jahr für ihren Lebensunterhalt arbeitet, haben die Bayernprofis das schon im ersten Monat erledigt, von da ab arbeiten sie nur noch für Luxusbedürfnisse und Steuern.
Zum Problem der Straffreiheit bei Selbstanzeige vgl. ZEIT online.
Montag, 22. April 2013
Sonntag, 21. April 2013
Demokratie in den USA um 1750
"Männer, die um 1750 in Maryland zu Abgeordneten gewählt wurden, besaßen im Durchschnitt zehn bis zwölf Sklaven und über fünfhundert Hektar Land."
Mark Häberlein im Abschnitt "1607-1800" in: Philipp Gassert, Mark Häberlein, Michael Wala: Kleine Geschichte der USA, Reclam 2007
Aus der oben verlinkten Rezension dieser "Kleinen Geschichte der USA" möchte ich noch Folgendes zitieren:
"Bereits in der frühen Republik finden sich religiöse Erweckungsbewegungen sowie die im 20. Jahrhundert in Form der Prohibition wiederkehrende Temperenzbewegung, die bereits 1836 totale Abstinenz forderte (263). Erwähnt sei hier Michael Walas kurzweilige Kulturgeschichte des Alkoholkonsums in den USA, dem im 19. Jahrhundert weder Frauen noch Kinder abgeneigt waren. Letztere nahmen den Alkohol in Form der sogenannten "toddies" zu sich, einem Gemisch aus Fruchtsäften, hochprozentigem Alkohol und Zucker (258ff.)."
Offenbar sind wir zu diesen Zuständen zurückgekehrt.
Mark Häberlein im Abschnitt "1607-1800" in: Philipp Gassert, Mark Häberlein, Michael Wala: Kleine Geschichte der USA, Reclam 2007
Aus der oben verlinkten Rezension dieser "Kleinen Geschichte der USA" möchte ich noch Folgendes zitieren:
"Bereits in der frühen Republik finden sich religiöse Erweckungsbewegungen sowie die im 20. Jahrhundert in Form der Prohibition wiederkehrende Temperenzbewegung, die bereits 1836 totale Abstinenz forderte (263). Erwähnt sei hier Michael Walas kurzweilige Kulturgeschichte des Alkoholkonsums in den USA, dem im 19. Jahrhundert weder Frauen noch Kinder abgeneigt waren. Letztere nahmen den Alkohol in Form der sogenannten "toddies" zu sich, einem Gemisch aus Fruchtsäften, hochprozentigem Alkohol und Zucker (258ff.)."
Offenbar sind wir zu diesen Zuständen zurückgekehrt.
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Montag, 15. April 2013
Diätenerhöhung für Bundestagsabgeordnete
Nichts gegen angemessene Bezahlung, problematisch ist der Modus. Dazu in der FR ein Kommentar und ein Interview mit von Arnim am 15.4.13.
Mittwoch, 10. April 2013
Korruption, das Bündnis von Wirtschaft und Politik, Wulff und ugandische Bauern
Personen mit großer wirtschaftlicher Macht und solche mit politischem Einfluss arbeiten gern zusammen.
Politik braucht Geld und Wirtschaft schätzt politische Begünstigung. Nicht das Bündnis von Thron und Altar oder der militärisch-industrielle Komplex, sondern das Bündnis von Wirtschaft und Politik bestimmen gegenwärtig politische Entscheidungen. Das sieht man beim Steuerrecht, wo die Umverteilung von den wirtschaftlich Schwachen zu den Starken geht, man sieht es bei Auslandsreisen von Regierungschefs, wo Geschäftsabschlüsse an erster und Menschenrechtsfragen an letzter Stelle stehen und manchmal auch auf der Hannovermesse, wo es ähnlich läuft.
Das war freilich auch schon so, als Jakob Fugger Karl V. die Wahl zum Kaiser finanzierte und als der hoch verschuldete Cäsar mit dem reichen Crassus im Triumvirat mit Pompeius die Macht in Rom verteilten.
Während der Amtszeit bereichern sich meist nur Diktatoren ungeniert, Politiker in Demokratien lassen sich ihren politischen Einfluss meist erst später bezahlen. Gerhard Schröder und Roland Koch sind da nur besonders prominente Beispiele.
Weil es gegenwärtig aber zu Exzessen kommt und offenbar keine Regierung in der EU mehr imstande ist, politische Regelungen gegen die Finanzwirtschaft durchzusetzen, ist die Öffentlichkeit empfindlich geworden.
Da half ihr Bundespräsident Wulff. Als Ministerpräsident hatte er die Beziehungspflege seiner reicheren Bekannten und auch die der Medien nicht immer strikt zurückgewiesen, bei seiner Entscheidung, Bundespräsident zu werden, seinen politischen Rückhalt überschätzt, da konnte man ein Exempel statuieren:
Wer als Politiker nicht über jeden Verdacht erhaben ist, durch wirtschaftlich Mächtige beeinflussbar zu sein, muss seinen Platz räumen.
Wenn es bei Merkel und Ackermann nicht möglich ist, dann muss es wenigstens bei Wulff durchgesetzt werden. Das hat auch funktioniert.
Wenn jetzt die Staatsanwaltschaft feststellt, dass ihm keine belangvolle strafbare Handlung nachgewiesen werden kann, ist das ihre Sache. Der Fall ist für die meisten erledigt. Freilich nicht für den Staatsrechtler von Arnim und Spiegel online. (Wäre Wulff etwas klüger und weniger ehrgeizig gewesen, hätte er seinen politischen Einfluss nach der Beendigung seiner Amtszeit als Ministerpräsident versilbert, statt sich zum Bundespräsident wählen zu lassen. So gehört sich das in Deutschland. Oder etwa nicht?)
Was hat das mit ugandischen Bauern zu tun?
Nun ja, 400 Bauern sind 2001 von ugandischem Militär von ihrem Land vertrieben worden und eine 2500 Hektar große Plantage der Neumann Kaffee Gruppe ist auf dem Land eingerichtet worden.
Na und? Shell und die nigerianischen Bauern sind doch ein viel schlimmeres Beispiel. Wieso eine solche Belanglosigkeit erwähnen?
Die Bauern haben Recht bekommen? Was! Das ist ja eine Sensation!
Ach so. Weder die ugandische Regierung noch die Neumann Kaffee Gruppe muss zahlen und das Land bekommen die Bauern auch nicht zurück. Nur eine Entschädigung von rund 11 Millionen Euro sollen sie erhalten (und zwar von den Anwälten der Neumann Kaffee Gruppe). (sieh FR vom 10.4., S.12)
Dann bleibt ja alles beim Alten. Das Bündnis von Wirtschaft und Politik funktioniert weiter wie geschmiert. Die Bauernopfer (in unserem Fall Wulff und zwei Rechtsanwälte - oder am Ende doch nur die Bauern?) haben ausgereicht.
Es geht kein Aufschrei durchs Land. Es geht weiter wie bisher.
Politik braucht Geld und Wirtschaft schätzt politische Begünstigung. Nicht das Bündnis von Thron und Altar oder der militärisch-industrielle Komplex, sondern das Bündnis von Wirtschaft und Politik bestimmen gegenwärtig politische Entscheidungen. Das sieht man beim Steuerrecht, wo die Umverteilung von den wirtschaftlich Schwachen zu den Starken geht, man sieht es bei Auslandsreisen von Regierungschefs, wo Geschäftsabschlüsse an erster und Menschenrechtsfragen an letzter Stelle stehen und manchmal auch auf der Hannovermesse, wo es ähnlich läuft.
Das war freilich auch schon so, als Jakob Fugger Karl V. die Wahl zum Kaiser finanzierte und als der hoch verschuldete Cäsar mit dem reichen Crassus im Triumvirat mit Pompeius die Macht in Rom verteilten.
Während der Amtszeit bereichern sich meist nur Diktatoren ungeniert, Politiker in Demokratien lassen sich ihren politischen Einfluss meist erst später bezahlen. Gerhard Schröder und Roland Koch sind da nur besonders prominente Beispiele.
Weil es gegenwärtig aber zu Exzessen kommt und offenbar keine Regierung in der EU mehr imstande ist, politische Regelungen gegen die Finanzwirtschaft durchzusetzen, ist die Öffentlichkeit empfindlich geworden.
Da half ihr Bundespräsident Wulff. Als Ministerpräsident hatte er die Beziehungspflege seiner reicheren Bekannten und auch die der Medien nicht immer strikt zurückgewiesen, bei seiner Entscheidung, Bundespräsident zu werden, seinen politischen Rückhalt überschätzt, da konnte man ein Exempel statuieren:
Wer als Politiker nicht über jeden Verdacht erhaben ist, durch wirtschaftlich Mächtige beeinflussbar zu sein, muss seinen Platz räumen.
Wenn es bei Merkel und Ackermann nicht möglich ist, dann muss es wenigstens bei Wulff durchgesetzt werden. Das hat auch funktioniert.
Wenn jetzt die Staatsanwaltschaft feststellt, dass ihm keine belangvolle strafbare Handlung nachgewiesen werden kann, ist das ihre Sache. Der Fall ist für die meisten erledigt. Freilich nicht für den Staatsrechtler von Arnim und Spiegel online. (Wäre Wulff etwas klüger und weniger ehrgeizig gewesen, hätte er seinen politischen Einfluss nach der Beendigung seiner Amtszeit als Ministerpräsident versilbert, statt sich zum Bundespräsident wählen zu lassen. So gehört sich das in Deutschland. Oder etwa nicht?)
Was hat das mit ugandischen Bauern zu tun?
Nun ja, 400 Bauern sind 2001 von ugandischem Militär von ihrem Land vertrieben worden und eine 2500 Hektar große Plantage der Neumann Kaffee Gruppe ist auf dem Land eingerichtet worden.
Na und? Shell und die nigerianischen Bauern sind doch ein viel schlimmeres Beispiel. Wieso eine solche Belanglosigkeit erwähnen?
Die Bauern haben Recht bekommen? Was! Das ist ja eine Sensation!
Ach so. Weder die ugandische Regierung noch die Neumann Kaffee Gruppe muss zahlen und das Land bekommen die Bauern auch nicht zurück. Nur eine Entschädigung von rund 11 Millionen Euro sollen sie erhalten (und zwar von den Anwälten der Neumann Kaffee Gruppe). (sieh FR vom 10.4., S.12)
Dann bleibt ja alles beim Alten. Das Bündnis von Wirtschaft und Politik funktioniert weiter wie geschmiert. Die Bauernopfer (in unserem Fall Wulff und zwei Rechtsanwälte - oder am Ende doch nur die Bauern?) haben ausgereicht.
Es geht kein Aufschrei durchs Land. Es geht weiter wie bisher.
Dienstag, 2. April 2013
Ist das Vertrauen in die Unabhängigkeit der deutschen Justiz noch zu retten?
Nach allem, was ich aus den Medien erfahren habe, hat es im deutschen Verfassungsschutz starke Kräfte gegeben, die ein rechtsradikales Terroristentrio bei seinen Mordtaten über viele Jahre hin gedeckt haben.
Beate Zschäpe gehörte zu diesem höchst verdächtigen Trio. Nachdem die Strafverfolgung für die ihr nachgesagten Taten jahrelang vereitelt worden ist, soll sie sich jetzt endlich ihrem gesetzlichen Richter verantworten.
In dieser Situation tun die Medien, die deutsche Politikerklasse und eine Vielzahl von Kollegen der zuständigen Richter alles, um das Vertrauen in diese gesetzlichen Richter zu untergraben.
Wenn sich die Richter dem Diktat der geballten Forderungen nicht unterwerfen, wird es heißen, das Gericht beachte die Rechte der Angehörigen der Mordopfer nicht zureichend. Wenn es sich den Forderungen unterwirft, wird es heißen, das Gericht sei nicht unabhängig und deshalb sei sein Urteil nicht unbefangen.
Das Gericht versucht gegenwärtig den schmalen Grat zu begehen, wo es seinen Fehler (aus meiner Laiensicht jedenfalls war es ein Fehler) hinsichtlich der Nichtzulassung türkischer Medien korrigiert und andererseits den Eindruck vermeidet, sich einem Diktat oder gar dem Druck einer ausländischen Regierung zu unterwerfen.
Kann es diesen Grat so erfolgreich begehen, dass es während des folgenden Prozesses das Vertrauen in seine Unabhängigkeit bewahren kann? Im Augenblick scheint es mir dank des Mitspielens von Vertretern der inländischen Medien noch möglich.
Aber werden Politiker und Medien aus ihren Fehlern beim Prozessauftakt lernen und während des Verfahrens selbst genügend Zurückhaltung üben, dass die Richter ohne Angst für ihre Zukunft herausfinden können, was sie nach besten Wissen und Gewissen aufgrund des Prozessverlaufes für die Wahrheit halten müssen? Werden die Richter überhaupt den Prozess so steuern können, wie sie es für die Wahrheitsfindung für erforderlich halten?
Ob das möglich sein wird, hängt von den Richtern ab, aber ganz wesentlich auch davon, wie die Öffentlichkeit den Prozess begleitet.
Eine andere Sicht aus Kommentaren zu dem oben verlinkten Bericht von ZEIT online.
Zwar liegt dem Kommentator auch an der Unabhängigkeit des Gerichts, doch liegt ihm nichts daran, seine Autorität nicht zu beschädigen. Meiner Meinung nach besteht aber ein enger Zusammenhang zwischen Autorität und Unabhängigkeit. Wer trotz Anschuldigungen von allen Seiten weder kleinlaut werden noch in Trotz verfallen soll, muss ein ganz ungewöhnliches Maß an Selbstsicherheit haben. Ich traue nur sehr sehr wenigen Personen eine solche Unabhängigkeit zu. Wulff und Merkel gewiss nicht, Norbert Lammert freilich schon. Aber eine Amtsautorität, wie sie etwa das Bundesverfassungsgericht - im Unterschied zu den meisten Bundesregierungen - noch besitzt, kann dabei helfen.
Ich bin kein Jurist. So viel aber weiß ich:
Es geht in diesem Prozess um Schuld oder Unschuld an Morden, an denen Verfassungsschutzmitarbeiter nicht ganz unbeteiligt waren, und es fehlen aufgrund von Handlungen von Verfassungsschutzmitgliedern Akten, die vielleicht Informationen zur Beteiligung von Verfassungsschutzmitarbeitern enthielten.
Die Richter dürfen aber nur verurteilen, wenn die Beweislage es zulässt. Das heißt: Ein Freispruch mangels an Beweisen darf nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Die Richter müssen andererseits jeden Eindruck vermeiden, dass sie in ihrem Urteil von Einwirkungen von außen abhängig und somit befangen sind.
Vielleicht wäre es hilfreich, wenn die Prozessordnung darauf Rücksicht nähme, dass aufgrund der Herkunft der Opfer ein spezifisches Interesse ausländischer Medien bestehen könnte und deshalb diesen Medien der Zugang besonders erleichtert werden könnte.
Darauf hat freilich der Richter bei seinem speziellen Prozess keinen Einfluss. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Seine Regelungen können freilich nur für die Zukunft bindend sein. Mit der gegenwärtigen Problematik müssen die Richter aber aufgrund der geltenden Regeln fertig werden.
Die türkischen Forderungen nehmen inzwischen zu.
Ergänzung vom 3.4.:
Christian Bommarius von der FR (3.4.13) sieht im Gericht den Schuldigen:
"So uneinsichtig und verstockt, wie es sich schon vor Beginn des Verfahrens zeigt, ist es diesem Prozess auch nicht gewachsen."
Vorher hat er freilich schon geschrieben:
"Es ist nicht nur eines der größten Strafverfahren in der bundesdeutschen Justizgeschichte, sondern auch – zumal angesichts des anhaltenden Versagens der Sicherheitsbehörden – eines der anspruchsvollsten. Das Oberlandesgericht scheint sich dessen nicht bewusst zu sein."
Auf mich wirkt es so, als wäre er selbst sich dessen nicht genügend bewusst.
Es wäre mir ja sehr recht, wenn es in Deutschland ein Gericht geben sollte, das diesem Prozess trotz der katastrophalen Rolle, die Verfassungsschutz und Polizei bisher gespielt haben, gewachsen ist.
Wenn man die Aufgabe weiterhin durch dauernde Einmischung erschwert, werden aber selbst wit fähigere Richter als die Münchner lieber die Finger von dem Prozess lassen. (vgl. übrigens auch die Kommentare zu Bommarius)
Besonders gewichtig die Entgegnung des Ex-Richters Christian Naundorf in der FR vom 4.4., der argumentiert, das politisch brisante Thema werde ohnehin nur im NSU-Untersuchungsausschuss verhandelt. Den Prozessalltag würde die Öffentlichkeit allenfalls bis zur Verlesung der Anklageschrift verfolgen. Danach sei erfahrungsgemäß der Saal kaum noch halbvoll.
Ergänzung vom 15.4.:
Das Urteil des Verfassungsgerichts hat dem Oberlandesgericht München jetzt die Chance gegeben, den Fehler seiner Überängstlichkeit zu korrigieren. Dank sei den Klägern, die das BVG angerufen haben. So ist der Streitfall von dort entscheiden worden, wo er hingehört, von der Justiz.
Zu Recht erinnert Anetta Kahane (FR vom 15.4.) daran, dass nicht mit dem Oberlandesgericht München und selbst nicht mit dem - im besten Fall hilflosen, im schlimmsten Fall die Täter unterstützenden -Verfassungsschutz das Problem begann. Der Fehler lag in der viele Jahre betriebenen Verharmlosung des Rechtsradikalismus. Diese Verharmlosung hat sich die Mehrheit der Öffentlichkeit selbst zuzuschreiben.
Wenn die Aufregung über das Oberlandesgericht München ihr ein Ende gemacht haben sollte, dann hätte sie sich segensreich ausgewirkt
Kommentar in Spiegel online am 15.4.
Ergänzung vom 8.8.13:
Die Süddeutsche Zeitung vermittelt den Eindruck, bisher sei der Prozess trotz des fehlenden Geständnisses von Zschäpe recht erfolgreich verlaufen.
Beate Zschäpe gehörte zu diesem höchst verdächtigen Trio. Nachdem die Strafverfolgung für die ihr nachgesagten Taten jahrelang vereitelt worden ist, soll sie sich jetzt endlich ihrem gesetzlichen Richter verantworten.
In dieser Situation tun die Medien, die deutsche Politikerklasse und eine Vielzahl von Kollegen der zuständigen Richter alles, um das Vertrauen in diese gesetzlichen Richter zu untergraben.
Wenn sich die Richter dem Diktat der geballten Forderungen nicht unterwerfen, wird es heißen, das Gericht beachte die Rechte der Angehörigen der Mordopfer nicht zureichend. Wenn es sich den Forderungen unterwirft, wird es heißen, das Gericht sei nicht unabhängig und deshalb sei sein Urteil nicht unbefangen.
Das Gericht versucht gegenwärtig den schmalen Grat zu begehen, wo es seinen Fehler (aus meiner Laiensicht jedenfalls war es ein Fehler) hinsichtlich der Nichtzulassung türkischer Medien korrigiert und andererseits den Eindruck vermeidet, sich einem Diktat oder gar dem Druck einer ausländischen Regierung zu unterwerfen.
Kann es diesen Grat so erfolgreich begehen, dass es während des folgenden Prozesses das Vertrauen in seine Unabhängigkeit bewahren kann? Im Augenblick scheint es mir dank des Mitspielens von Vertretern der inländischen Medien noch möglich.
Aber werden Politiker und Medien aus ihren Fehlern beim Prozessauftakt lernen und während des Verfahrens selbst genügend Zurückhaltung üben, dass die Richter ohne Angst für ihre Zukunft herausfinden können, was sie nach besten Wissen und Gewissen aufgrund des Prozessverlaufes für die Wahrheit halten müssen? Werden die Richter überhaupt den Prozess so steuern können, wie sie es für die Wahrheitsfindung für erforderlich halten?
Ob das möglich sein wird, hängt von den Richtern ab, aber ganz wesentlich auch davon, wie die Öffentlichkeit den Prozess begleitet.
Eine andere Sicht aus Kommentaren zu dem oben verlinkten Bericht von ZEIT online.
Zwar liegt dem Kommentator auch an der Unabhängigkeit des Gerichts, doch liegt ihm nichts daran, seine Autorität nicht zu beschädigen. Meiner Meinung nach besteht aber ein enger Zusammenhang zwischen Autorität und Unabhängigkeit. Wer trotz Anschuldigungen von allen Seiten weder kleinlaut werden noch in Trotz verfallen soll, muss ein ganz ungewöhnliches Maß an Selbstsicherheit haben. Ich traue nur sehr sehr wenigen Personen eine solche Unabhängigkeit zu. Wulff und Merkel gewiss nicht, Norbert Lammert freilich schon. Aber eine Amtsautorität, wie sie etwa das Bundesverfassungsgericht - im Unterschied zu den meisten Bundesregierungen - noch besitzt, kann dabei helfen.
Ich bin kein Jurist. So viel aber weiß ich:
Es geht in diesem Prozess um Schuld oder Unschuld an Morden, an denen Verfassungsschutzmitarbeiter nicht ganz unbeteiligt waren, und es fehlen aufgrund von Handlungen von Verfassungsschutzmitgliedern Akten, die vielleicht Informationen zur Beteiligung von Verfassungsschutzmitarbeitern enthielten.
Die Richter dürfen aber nur verurteilen, wenn die Beweislage es zulässt. Das heißt: Ein Freispruch mangels an Beweisen darf nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Die Richter müssen andererseits jeden Eindruck vermeiden, dass sie in ihrem Urteil von Einwirkungen von außen abhängig und somit befangen sind.
Vielleicht wäre es hilfreich, wenn die Prozessordnung darauf Rücksicht nähme, dass aufgrund der Herkunft der Opfer ein spezifisches Interesse ausländischer Medien bestehen könnte und deshalb diesen Medien der Zugang besonders erleichtert werden könnte.
Darauf hat freilich der Richter bei seinem speziellen Prozess keinen Einfluss. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Seine Regelungen können freilich nur für die Zukunft bindend sein. Mit der gegenwärtigen Problematik müssen die Richter aber aufgrund der geltenden Regeln fertig werden.
Die türkischen Forderungen nehmen inzwischen zu.
Ergänzung vom 3.4.:
Christian Bommarius von der FR (3.4.13) sieht im Gericht den Schuldigen:
"So uneinsichtig und verstockt, wie es sich schon vor Beginn des Verfahrens zeigt, ist es diesem Prozess auch nicht gewachsen."
Vorher hat er freilich schon geschrieben:
"Es ist nicht nur eines der größten Strafverfahren in der bundesdeutschen Justizgeschichte, sondern auch – zumal angesichts des anhaltenden Versagens der Sicherheitsbehörden – eines der anspruchsvollsten. Das Oberlandesgericht scheint sich dessen nicht bewusst zu sein."
Auf mich wirkt es so, als wäre er selbst sich dessen nicht genügend bewusst.
Es wäre mir ja sehr recht, wenn es in Deutschland ein Gericht geben sollte, das diesem Prozess trotz der katastrophalen Rolle, die Verfassungsschutz und Polizei bisher gespielt haben, gewachsen ist.
Wenn man die Aufgabe weiterhin durch dauernde Einmischung erschwert, werden aber selbst wit fähigere Richter als die Münchner lieber die Finger von dem Prozess lassen. (vgl. übrigens auch die Kommentare zu Bommarius)
Besonders gewichtig die Entgegnung des Ex-Richters Christian Naundorf in der FR vom 4.4., der argumentiert, das politisch brisante Thema werde ohnehin nur im NSU-Untersuchungsausschuss verhandelt. Den Prozessalltag würde die Öffentlichkeit allenfalls bis zur Verlesung der Anklageschrift verfolgen. Danach sei erfahrungsgemäß der Saal kaum noch halbvoll.
Ergänzung vom 15.4.:
Das Urteil des Verfassungsgerichts hat dem Oberlandesgericht München jetzt die Chance gegeben, den Fehler seiner Überängstlichkeit zu korrigieren. Dank sei den Klägern, die das BVG angerufen haben. So ist der Streitfall von dort entscheiden worden, wo er hingehört, von der Justiz.
Zu Recht erinnert Anetta Kahane (FR vom 15.4.) daran, dass nicht mit dem Oberlandesgericht München und selbst nicht mit dem - im besten Fall hilflosen, im schlimmsten Fall die Täter unterstützenden -Verfassungsschutz das Problem begann. Der Fehler lag in der viele Jahre betriebenen Verharmlosung des Rechtsradikalismus. Diese Verharmlosung hat sich die Mehrheit der Öffentlichkeit selbst zuzuschreiben.
Wenn die Aufregung über das Oberlandesgericht München ihr ein Ende gemacht haben sollte, dann hätte sie sich segensreich ausgewirkt
Kommentar in Spiegel online am 15.4.
Ergänzung vom 8.8.13:
Die Süddeutsche Zeitung vermittelt den Eindruck, bisher sei der Prozess trotz des fehlenden Geständnisses von Zschäpe recht erfolgreich verlaufen.
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