Donnerstag, 15. April 2021

euro|topics: Afghanistan: Die US-Truppen gehen, die Angst bleibt

 

US-Präsident Joe Biden verschiebt den endgültigen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan. Sein Vorgänger Trump hatte mit den Taliban den 1. Mai 2021 als Frist vereinbart. Diese ersetzt Biden nun durch den 11. September - 20. Jahrestag der Terroranschläge von New York und Washington. Ein Datum mit Symbolkraft – das aber nicht über das Scheitern des Westens in Afghanistan hinwegtäuschen kann, wie Kommentatoren erklären.

TVXS (GR)

Es gibt noch Tausende Bin Ladens

Für den EU-Abgeordneten Stelios Kouloglou (Syriza) steht der US-Abzug für das Scheitern der Nahost-Politik der USA. Er schreibt auf Tvxs:

„Wir feiern Bin Ladens Ermordung und vergessen dabei, dass sich Tausende von Bin Ladens in der Nachbarschaft befinden. … Übrig bleibt eine kleine Truppe, die die US-Botschaft bewacht. Alles, was sie tun kann, falls die Taliban die Hauptstadt besetzen, ist, die Botschaft mit einem Hubschrauber zu evakuieren, wie 1975 in Saigon. Trump hatte zuvor eine Einigung mit den Taliban erzielt, ein weiterer Beweis für ihre Macht. Nach der Ankündigung der leichten Verzögerung des Abzugs [Trump hatte einen Abzug im Mai in Aussicht gestellt] drohen sie sogar, den Waffenstillstand nicht einzuhalten und nicht an der bevorstehenden Friedenskonferenz in Istanbul teilzunehmen, die von Erdoğan veranstaltet wird.“

Stelios Kouloglou
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LE FIGARO (FR)

Zurück in die Steinzeit, auf in den nächsten Krieg

Das Scheitern Washingtons und der Nato überlässt das Feld den Taliban, bedauert Le Figaro:

„Von den westlichen Einsatzkräften befreit, werden sie das Land sicher bald wieder unter ihre Kontrolle bringen und die Menschenrechte - insbesondere die der Frauen - in die Steinzeit zurückkatapultieren. ... Diese Niederlage ist auch unsere - nämlich die der Nato, unter deren Flagge Frankreich vor seinem Rückzug 2012 bis zu 4.000 Soldaten einsetzte. Und sie bereitet den nächsten Afghanistan-Krieg vor: einen Bürgerkrieg zwischen lokalen Machthabern, die bereits ihre Privatarmeen in Stellung bringen, und einen ferngesteuerten Antiterrorkrieg mit Drohnen. ... Wie bereits der Rückzug aus dem Irak 2012 gezeigt hat, verabscheut die Region das Vakuum. Zumindest dürfte der Westen für eine gewisse Zeit vom naiven Traum eines Demokratieexports geheilt sein.“

Philippe Gélie
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DAGENS NYHETER (SE)

Taliban werden keine Stabilität schaffen

Einen Teufelskreis nach dem Abzug fürchtet Dagens Nyheter:

„Die Taliban sind kaum eine monolithische Organisation. Wenn der äußere Feind verschwindet, könnten die Fraktionen sich gegenseitig bekämpfen. Warlords, die auf Geographie, ethnische Minderheiten oder Clans angewiesen sind, werden ihre eigenen Ambitionen haben. Als die sowjetische Besatzung Ende der 1980er Jahre endete, ließ die westliche Welt Afghanistan alleine. Im Ergebnis wurde es zum Todesreich der Taliban. Wenn die US- und Nato-Streitkräfte das Land verlassen, müssen irgendwie neue Mittel gesucht werden, um es zu unterstützen und aufzubauen. Andernfalls entsteht ein weiterer Teufelskreis.“

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LA REPUBBLICA (IT)

Terrorismus muss heute anders bekämpft werden

Für die USA ist offenbar das Ende einer Ära gekommen, in der der Krieg gegen den Terror geografisch eingegrenzt schien, analysiert Kolumnist Paolo Garimberti in La Repubblica:

„[Der US-Einmarsch] war die Antwort auf den 11. September, basierend auf der Überzeugung, dass die Taliban in Afghanistan das Zentrum waren, von dem aus der dschihadistische Angriff auf den Westen ausging. ... Biden sagt, dass diese Strategie keinen Sinn mehr hat. Nicht nur, weil es andere Bedrohungen gibt, etwa durch China und Russland. Sondern auch, weil eine neue Phase im Kampf gegen den dschihadistischen Terrorismus eingeleitet werden muss. ... Was von Al-Qaida oder der IS-Miliz übrig geblieben ist, ist zwischen Asien und Afrika verstreut und stellt neue Herausforderungen dar, denen mit traditionellen Armeen und klassischen Kriegen nicht begegnet werden kann.“

Paolo Garimberti
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