Donnerstag, 31. Januar 2013

Mindestlohn - Migranten - Ausbeutung - 2052

Sie: "Sie kommen aus einem fremden Land und wollen 10 € Stundenlohn."
Er:  "Alle wollen 10 €. Ich habe gesagt: 8 € und freies Essen. - Nein, sie wollen 10 €."
Sie: "Sehen Sie: Diese [Änderung der] Hose. 9,50 € und dann 10 € Stundenlohn."

Ich stehe in der besten Änderungsschneiderei des Ortes. Seit einiger Zeit arbeitet dort nur noch die Chefin.
Als ich zum Geschäft kam, stand dort ein Schild: "Bin gleich wieder da." Dann kam die Chefin, Philippinin, mit ihrem Gesprächspartner, auch Migrant, mit dem sie sich auf Deutsch unterhielt.

Was wollen wir?
Gute Arbeitsleistung, niedrige Preise, ständige Servicebereitschaft, Mindestlohn.
Wo setzen wir die Prioritäten?
Ausbeuter sind wir in diesem Land immer; denn die niedrigen Preise verdanken wir der "Werkbank China" und der Ausbeute an Rohstoffen und fossiler Energie, die die Erde noch hergibt.
1,4 Erden beträgt der ökologische Fußabdruck, den die Menschheit gegenwärtig jeden Tag hinterlässt.
Wir nehmen also den nachfolgenden Generationen die Regenerationsfähigkeit der Erde, die sie für die Naturleistungen braucht, die - sehr grob kalkuliert -  einem Bruttoinlandsprodukt der gegenwärtigen Menschheit entsprechen.
Unsere Nachfolgegeneration wird das nicht mehr mitmachen, sobald sie erkennt (anerkennt), wie viel sie aufwenden muss, um die Erde für sich bewohnbar zu halten. Sie wird uns Renten und Pensionen kürzen, meint J. Randers in "2052. Der neue Bericht an den Club of Rome", S.63. Aber auch dieser Generationenkonflikt wird nur der ersten nachfolgenden Generation helfen. "Wir werden weiter optimieren, aber in erster Linie für unsere eigene Generation und die unserer Kinder. Infolgedessen werden es unsere Enkel in der Welt schwer haben", meint Randers (S. 64).

Übrigens habe ich die Wartezeit genutzt, zu sehen, welche neuen Geschäfte in der Stadt aufgemacht und welche zugemacht haben (warum wohl?), und den historischen Rundgang zu studieren, den meine Heimatstadt Touristen anbietet, und mir eine der Sehenswürdigkeiten, die mir weniger vertraut ist, genauer angesehen.

Ein Glück, dass die Chefin nicht den Lohn zahlen kann, den Migranten in unserem Lande gern bekämen.
Oder ist hier irgendetwas falsch?

Mittwoch, 30. Januar 2013

Aufnahmerichtlinie in die EU und "Weg mit Orwell-Entwurf!"

Die Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt von der SPD schreibt mir: " [...] Ich will außerdem keine Richtlinie unterstützen, in der die Voraussetzungen für einen Gewahrsam von Asylbewerbern so unbestimmt formuliert ist, dass beinahe jeder Asylbewerber und jede Asylbewerberin, auch Kinder und Jugendliche, ohne zeitliche Begrenzung in Gewahrsam genommen werden können. Dabei brauchen wir dringend eine Novellierung der Aufnahmerichtlinie. Allerdings auf einer humanitären Grundlage, die der Europäischen Union als Friedensnobelpreisträgerin auch gerecht wird. [...]"
Mit ihr hoffe ich auf eine sinnvolle Novellierung der Aufnahmerichtlinie.

Ein gutes Ergebnis brachte auch eine Campact-Kampagne zum "Orwell-Entwurf" (Arbeitnehmer-Überwachung).

Montag, 28. Januar 2013

Private Wahrheit, öffentliche Lüge

"Ich mach mir nichts draus." Wie oft haben die Frauen das vorgespielt, gar auch laut gesagt oder sogar sich auch selbst eingeredet, die jetzt zu Tausenden von sexistischen Kränkungen berichteten, als unter Twitter mit dem Stichwort "aufschrei" ihnen ein Forum geboten wurde, wo sie ihre Erfahrungen im Schutze so vieler Frauen mit ähnlichen Erfahrungen berichten konnten, ohne dass es ihnen unsäglich peinlich war.
Timur Kuran hat sich in seiner Schrift „Leben in Lüge. Präferenzverfälschungen und ihre gesellschaftlichen Folgen“ ausführlich zu diesem Thema geäußert.
Wenn man Ausgrenzung erfahren kann, wenn man seine Meinung sagt, sagt man sie lieber nicht. Da macht man lieber aus seinem Herzen eine "Mördergrube", auch wenn es schwer fällt.
Aber welche Erlösung, wenn man anscheinend die Mehrheit auf seiner Seite hat. Dann bricht es hervor.
Nach außen hin kommt es zu einer Präferenzverfälschung. Man meint, die große Mehrheit würde einen Zustand vorziehen, den sie an sich ablehnt. Einfach deswegen, weil keiner sich traut, es auszusprechen.

In Diktaturen ist ein solches Verhalten normal, weil man die Sanktionen des Regimes fürchtet. Doch auch in Demokratien kann eine solche täuschende Außensicht entstehen. Elisabeth Noelle-Neumann hat solche Phänomene untersucht und daraus ihre Theorie der Schweigespirale entwickelt.

Wie viele von uns haben längst eingesehen, dass mehr Konsum nicht so viel glücklicher macht wie Einschränkung eines gewohnten Konsums unglücklich machen kann? Wie viele glauben auch vierzig Jahre nach Erscheinen von "Die Grenzen des Wachstums" und den sich häufenden Anzeichen eines Klimawandels noch daran, dass auf einer endlichen Erde ein unendliches Wachstum möglich wäre?

Wer aber wird der Forderung nach Wirtschaftswachstum widersprechen, wenn er damit rechnen muss, dass ihm unterstellt wird, er wolle sich auf Kosten anderer bereichern: "Neiddebatte".
Wer wagt da noch zuzugeben, dass es seinen Kindern und Enkeln gern eine bewohnbare Welt hinterließe.

Was für ein "Aufschrei" wird losbrechen, sobald klar wird, dass die anderen auch so denken.
Dann könnte es freilich für ein erfolgreiches Umsteuern schon zu spät sein.

Vgl. auch Leben in Lüge und Interview mit Timur Kuran

Sonntag, 27. Januar 2013

Merkel in Davos: Sozialabbau in Europa angestrebt

In ihrer Grundsatzrede in Davos verkündet Angela Merkel ganz offen:

“Wie können wir sicherstellen, dass wir in den nächsten Jahren auch eine Kohärenz in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der gemeinsamen Währungsunion erreichen? Und damit meine ich nicht eine Kohärenz in der Wettbewerbsfähigkeit irgendwo im Mittelmaß der europäischen Länder, sondern eine Wettbewerbsfähigkeit, die sich daran bemisst, ob sie uns Zugang zu globalen Märkten ermöglicht. [...]
Ich stelle mir das so vor – und darüber sprechen wir jetzt in der Europäischen Union –, dass wir analog zum Fiskalpakt einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit beschließen, in dem die Nationalstaaten Abkommen und Verträge mit der EU-Kommission schließen, in denen sie sich jeweils verpflichten, Elemente der Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, die in diesen Ländern noch nicht dem notwendigen Stand der Wettbewerbsfähigkeit entsprechen. Dabei wird es oft um Dinge wie Lohnzusatzkosten, Lohnstückkosten, Forschungsausgaben, Infrastrukturen und Effizienz der Verwaltungen gehen.”

Die Nachdenkseiten schließen daraus zu recht:
"Europa soll also dem deutschen Modell folgen, die Axt an den Sozialstaat legen und dabei die Lohnkosten drücken. Dass sich Europa damit als Markt desavouiert und stattdessen darauf schielt, den offenen Standortwettbewerb mit Schwellen- und Entwicklungsländern auch über die Löhne zu eröffnen, ist eine Sache. Nebenbei erklärt die Kanzlerin aber auch frank und frei, was sie von einer europäischen Harmonisierung der Lohnstückkosten hält – nämlich nichts."

Seit Rösler durch die Niedersachsenwahl gestärkt ist und konsequent Altmeiers Förderung der alternativen Energien nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa blockiert (Stichwort: Emissionszertifikate) hat Steinbrück jetzt zwei harte Wahlkampfthemen:
1. Durchsetzung der Energiewende, die Merkel zwar verkündet hat, aber nicht zustandekriegt und
2. Bewahrung des Sozialstaats in Europa.

Dienstag, 15. Januar 2013

Donnerstag, 10. Januar 2013

Selten genug: Ich habe dazu gelernt

Steinbrück kann Fragen ausweichen. Das hat er bei 99 Fragen der ZEIT an ihn bewiesen. Im Fall des Kanzlergehalts hat er sich anders entschieden. Ich habe das kritisiert.

Ein Artikel von Adam Soboczynski, dessen Position ich oft nicht nachvollziehen kann, belehrt mich eines Besseren. In der ZEIT vom 10.1.13 erinnert er daran, dass Steinbrück wiederholt darauf hingewiesen hat, dass für ihn beim Amt des Kanzlers das Gehalt nicht interessiert. So habe er im November 2012 der Bild am Sonntag gesagt: "Meine Bewerbung um die Kanzlerkandidatur zeigt, dass mir dieses politische Engagement wichtiger ist als Geld. Denn sonst würde ich mehr verdienen, wie ja jetzt jedermann weiß."
Er geht - zu Recht - davon aus, dass es eine böswillige Unterstellung ist, ihm nachzusagen, es käme ihm persönlich auf die Höhe des Kanzlergehalts an. Dieser böswilligen Unterstellung auszuweichen liegt ihm nicht.
Dazu führt Adam Soboczynski ein ZEIT-Interview vom 19.12.12 an, in dem er auf die Frage "Ist das ihr Trick, dass sie wirklich etwas sagen, wenn sie etwas sagen?", geantwortet hat: "Das ist kein Trick. Dieses Geschwafel passt einfach nicht zu mir."
Er lehnt ständige Nullaussagen im politischen Diskurs ab. Als er von Bild am Sonntag am 25.11.12 gefragt wurde: "Sie haben Angela Merkel aufgefordert, den Deutschen in Sachen Griechenland endlich die Wahrheit zu sagen. Was ist die volle Wahrheit?", antwortete er: "Wir Deutsche müssen Opfer bringen für den Zusammenhalteuropas. Wir sind längst in einer Haftungsunion. Griechenland wird in den nächsten acht Jahren nicht auf die Kapitalmärkte zurückkehren und braucht daher Brücken. Für diese Brücken müssen wir sorgen, und das kostet Geld." Das sind klare Aussagen. - So weit mein Referat aus Soboczynskis Artikel.

Mein Zusatz:
Wenn dagegen Angela Merkel sagt: "Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa" oder "Diese Politik ist alternativlos", ist das eine Scheinklarheit. Die Aussagen beziehen sich nämlich nicht auf konkrete Entscheidungen, sondern machen Aussagen über die Zukunft, die nach Merkels Entscheidung nicht mehr nachprüfbar sind.
Freilich: Wenn der Euroraum zusammenbrechen und daraufhin die EU auseinanderbrechen sollte, wäre ihre Aussage scheinbar bestätigt. Aber wer sagt, dass das nicht aufgrund ihrer Politik geschehen ist? Wenn der Euro erhalten bleibt, wer sagt, o das nicht trotz ihrer Politik so passiert?

Wenn ich gegen Steinbrücks Bereitschaft, böswillige Unterstellungen zu riskieren, etwas habe, dann nicht, weil ich Nullaussagen wünsche, sondern weil ich etwas dagegen habe, dass er die Chancen sozialdemokratischer Regierungspolitik vereitelt: Erstens dadurch, dass er nur einen kleinen Teil der sozialdemokratischen Ziele verfolgt, und zweitens, weil er aufgrund seiner Offenheit selbst diese wenigen Ziele auch noch in Misskredit bringt.
Wenn Steinbrück nur einen kleinen Teil meiner Ziele vertritt, dann sollte er sie auch effektiv vertreten.

Aber:
Es beklagenswert, dass die Medien glauben, Politiker zu Aussagen verleiten zu müssen, die böswillige Unterstellungen erlauben.
Dass Steinbrück trotzdem zu seinen Überzeugungen steht, spricht für ihn.
Dafür, dass meine Überzeugungen andere sind, kann er nichts.

ZEIT fragt: Medienkampagne gegen Steinbrück?
Spiegel online berichtet: Steinbrück unbeliebter als Westerwelle

Freitag, 4. Januar 2013

Ideen zur Beendigung einer ständig drohenden Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung

Damit die US-Regierung nicht ständig von den Spar-Hardlinern der Republikaner unter Druck gesetzt werden kann, plädiert Paul Krugmann für die Prägung einer 1 Billion Dollar Münze.
Mehr dazu in Spiegel online.

Mittwoch, 2. Januar 2013

Lobbyismus nimmt überhand, nicht nur in Brüssel

Ich hätte schon vor Jahren Verdacht schöpfen müssen, als ich erfuhr, wie wichtig die deutschen Bundesländer ihre Vertretungen in Brüssel nehmen.
Im Bundesrat ist es oft schon zu spät, Einfluss auf die Gesetzgebung der Bundesrepublik zu nehmen. Immer öfter haben Lobbygruppen in Brüssel schon lange davor die Kommission auf eine Schiene gelenkt, von der es keine Abzweigung mehr gibt. "Alternativlos" ist nicht nur ein Lieblingswort unserer Kanzlerin, sondern auch eins der Lobbyisten, die sich genau auskennen, wo die wichtigsten Weichenstellungen in Brüssel geschehen.
Die Forschungsgruppe Corporate Europe Observatory, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Lobbyisten bei ihrer Einwirkung auf Brüssler Entscheidungen zu beobachten, hat es mit vielen tausend Personen (Schätzungen bewegen sich zwischen 15000 und 30000) Lobbyisten zu tun (vgl. dazu den Bericht der  Frankfurter Rundschau vom 2.1.2013).
Nicht alle Gruppen sind so hochkarätig wie die Group of Thirty, die im Juli dieses Jahres in Verdacht geriet, eine Lobby für die Banken zu bilden. Schließlich ist auch EZB-Chef Mario Draghi Mitglied dieser Gruppe. Dass er den Verdacht, er sei ein Lobbyist, zurückweist, versteht sich von selbst. Doch wenn man die Liste der Mitglieder dieser 1978 von der Rockefeller-Stiftung gegründeten Gruppe betrachtet, können einem schon leichte Zweifel entstehen. In der Wikipedia wird die Gruppe jedenfalls zum Typ "private Lobbyorganisation der Finanzwirtschaft" gerechnet. (Zitatnachweis)
Um unabhängigere Informationen zu bekommen, gründeten Parlamentarier des EU-Parlaments das Institut Finance Watch. Ob das Institut mit 1/200 der Geldmittel der Finanzwirtschaftslobbyisten genügend gegenhalten kann?

vgl. auch: Finance Watch, 23.7.11