Mittwoch, 30. November 2022

Deutschland unterzeichnet Gas-Deal mit Katar

 

Deutschland hat nach Aussage der Regierung Katars ein Gaslieferungs-Abkommen mit dem staatlichen Großunternehmen Qatar Energy geschlossen. Ab 2026 sollen für 15 Jahre bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssigerdgas (LNG) pro Jahr an Deutschland geliefert werden. Für Kommentatoren passt der Deal nicht so recht mit den aktuellen Diskussionen zum Klimaschutz und zur Fußball-WM in Katar zusammen.

ZEIT ONLINE (DE)

Klimaschutz: Morgen, morgen, nur nicht heute

Zeit Online reibt sich die Augen:

„Das Geschäft gilt für 15 Jahre und bindet Deutschland so bis 2041 und damit viel zu lange an einen Energieträger, der das Weltklima zerstört. Deutschland verstetigt gerade jene fossile Abhängigkeit, die der Bundesrepublik die aktuelle Energiekrise und der Menschheit die bevorstehende Jahrhundertkrise beschert hat. Dabei muss Deutschland bis 2045 klimaneutral sein. Das ist nicht die Forderung irgendwelcher Aktivistinnen, sondern geltendes Recht. ... Bis kurz vor Schluss noch mal ordentlich Gas einkaufen und dann ganz schnell aussteigen – so eine Energiepolitik erinnert an den Raucher, der sich am Kiosk nicht eine, sondern zwei Schachteln holt: 'Die rauch ich noch, und nächste Woche hör ich auf!' Das klappt leider selten.“

Christian Endt
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
BERLINER ZEITUNG (DE)

Berlin belässt es bei Symbolpolitik

Deutschland macht sich längst unglaubwürdig, meint die Berliner Zeitung:

„Es ist schon etwas peinlich, wenn deutsche Politikerinnen sich einerseits mit Regenbogenbinden in Katar präsentieren und wir die absolutistische Monarchie dort andererseits mit langfristigen Fossil-Deals finanzieren. Ja, soll der Rest der Welt denn denken, dass Deutschland nur an Symbolpolitik mit Regenbogenfahnen interessiert ist? Dass uns die Rechte von Homosexuellen und Frauen nur interessieren, wenn wir nicht von jenen profitieren, die sie missachten? Vielleicht denkt man das ja zu Recht und wir sind längst so weit.“

Friedrich Conradi
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

One Love oder Energiesicherheit - beides geht nicht

Deutschland sollte einfach zu seiner Realpolitik stehen, meint die Neue Zürcher Zeitung:

„So wichtig können euch die Menschenrechte gar nicht sein, sonst würdet ihr euch nicht für 15 Jahre mit unserem Gas eindecken. Das ist die Botschaft des Deals. Unrecht haben die Katarer nicht. Man muss sich schon entscheiden zwischen dem Einsatz für Minderheitenrechte und Realpolitik: 'One Love' oder Energiesicherheit – beides zusammen ist schwer zu haben. Das Geschäft könnte daher auch ein Anlass zur Neuorientierung für die teilweise bigotte deutsche Außenpolitik sein. … Wenn Symbole und Maximalforderungen folgenlos bleiben, erkennen Diktatoren die hehren Worte deutscher Politiker als das, was sie oft sind: leeres Gerede, das getrost ignoriert werden kann.“

Rewert Hoffer
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
NRC HANDELSBLAD (NL)

Doha hat alles richtig gemacht

Für Katar war 2022 ein äußerst erfolgreiches Jahr, analysiert NRC-Handelsblad-Kolumnist Luuk van Middelaar:

„Das Land hat seinen Namen für immer an den weltweit populärsten Sport gebunden und ist so wieder etwas sicherer. ... Zwischen den regionalen Mächten Saudi-Arabien und Iran kann Katar nicht ohne Beschützer sein. Fußballinvestitionen sind ein schneller Weg zu Glanz und mächtigen Freunden. ... Auch auf anderem Gebiet macht Katar ungestört gute Geschäfte. ... Vor vier Jahren kam die Fußballwelt in Russland zusammen. Hinterher konnten wir das die Gazprom-WM nennen. Dieses Jahr, mitten im Krieg gegen die Ukraine, spielen wir auf der LNG-WM.“

Luuk van Middelaar

euro|topics: Treffen in Bukarest: Hält die Nato zusammen?

 

Auch beim fünften Treffen der Außenminister der Nato-Mitgliedstaaten in diesem Jahr steht Russlands Krieg gegen die Ukraine im Mittelpunkt. Diesmal beraten die Diplomaten insbesondere darüber, wie man die notleidende Bevölkerung im Winter mit Strom und Wasser versorgen kann. Europas Presse beschäftigt vor allem, wie es um die Einheit der Allianz bestellt ist.

REVISTA 22 (RO)

Das Bündnis wackelt nicht

Keine Anzeichen für einen Bruch der Allianz sieht Revista 22:

„Die Einheit der Nato war im Gegenteil nie stärker, und der Konsens zur moralischen und politischen Pflicht, die Ukraine zu unterstützen, ist unbestreitbar. Ein Zweck des Außenministertreffens besteht darin, diese Einheit auf diplomatischer Ebene zu bekräftigen und die Unterstützung für die gemeinsamen außenpolitischen Ziele der Allianz in der Ukraine und gegenüber Russland zu konsolidieren. Seit Frühling wird über einen möglichen Bruch zwischen Europäern und Amerikanern aus verschiedenen mehr oder weniger erfundenen Gründen diskutiert. Doch dieser vom Kreml lang erwartete und prophezeite Bruch ist nie eingetreten.“

Cristian Campeanu
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
DE VOLKSKRANT (NL)

Reichlich Streitpunkte

De Volkskrant zählt mehrere transatlantische Bruchstellen:

„Dass Europa auch bei der wirtschaftlichen Hilfe für die Ukraine zurückbleibt, wird in Washington immer mehr zum politischen Faktor. Die USA wollen zudem, dass Europa nicht nur mehr für die Ukraine tut, sondern sich auch ihrem technologischen Kampf gegen China anschließt. ... Auch wird das Murren in der EU lauter über zwei andere Themen: Die großen Gewinne, die amerikanische Unternehmen durch den Verkauf von LNG an Europa machen, und der sogenannte Inflation Reduction Act [der durch massive Investitionen in die US-Industrie Nachteile für die EU bringen könnte]. ... So zeigt sich nach neun Monaten, wie die Folgen der russischen Aggression gegen die Ukraine nicht nur westliche Einmütigkeit schaffen, sondern auch neuen internen Zündstoff. “

Arnout Brouwers
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
RZECZPOSPOLITA (PL)

Ungarn stört die Einigkeit

Rzeczpospolita ist enttäuscht von Budapest:

„Heute bekräftigt die Nato, dass die Tür zum Bündnis für Kyjiw offen ist und nur die Bürger dieses Landes entscheiden werden, ob sie dem mächtigsten Militärpakt der Geschichte beitreten wollen. ... Und es ist nur schade, dass diese schöne Atmosphäre der Solidarität zwischen dem Westen und der Ukraine durch den Vertreter Ungarns gestört wurde, der sich weigerte, den Chef des ukrainischen Außenministeriums zum Ministertreffen der Allianz einzuladen. Eine sehr bezeichnende Geste übrigens, wenn man die Haltung Budapests seit Beginn des Krieges bedenkt.“

Michał Szułdrzyński
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
ADEVĂRUL (RO)

Rumänien kann sich profilieren

Für das Gastgeberland ist das Treffen eine Chance, findet Adevărul:

„Wird Rumänien zum Hauptpfeiler der Nato auf der Südostflanke, zu Lasten der Türkei? Die Türkei kauft Waffen auch in Russland ein, führt auf eigene Faust Krieg in Syrien und Irak und ist hinsichtlich Demokratie und Menschenrechte problematisch. Es wäre also berechtigt, die Hauptlast der Verteidigung an der Südost-Flanke nach Rumänien zu verlagern. Angesichts der in letzter Zeit in Rumänien eingetroffenen Militärgeräte und Truppen aus Nato-Ländern kann man sich diese Frage durchaus stellen.“

Stefan Vlaston
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
RADIO KOMMERSANT FM (RU)

Zurück am Ursprung des Übels

Radio Kommersant FM erinnert an eine historische Komponente:

„Es scheint keinen Unterschied zu machen, wo die Außenminister der Allianz zusammenkommen. Doch das tut es - und sogar sehr. Denn vor 14 Jahren hat George W. Bush just auf einem Nato-Gipfel in Bukarest der Ukraine und Georgien faktisch eine förmliche Einladung zum Beitritt ausgesprochen. Obwohl keines der beiden Länder beigetreten ist, blieb dieses Thema all die Jahre über ein Dorn im Auge. Vielleicht wäre nichts von dem, was heute geschieht, geschehen, wenn es damals dieses Treffen nicht gegeben hätte, wer weiß. Es sei daran erinnert, dass der nächste Nato-Gipfel auf höchster Ebene in Vilnius, also in unmittelbarer Nähe zur russischen Grenze, stattfindet.“

Dmitrij Drise
Teilen auf
Zum Originalartikel