AfD-Höhenflug im Osten: „Wer nicht wahrgenommen wird, ist ein Nichts“ FR 5.7.23
"Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer erklärt, warum die AfD im Osten so stark ist und welche Rolle Kultur- und Klassenkämpfe bei ihrem Erfolg spielen. [...]
Nun sind die Konservativen das eine. Welche Rolle am Erfolg der AfD spielt denn eine moralisierende individualistische Identitätspolitik linksliberaler Milieus?
Identitätspolitiken sind immer problematisch. Das gilt teilweise auch links, weil Identitätspolitik immer Grenzen hart macht. Wer gehört dazu, wer nicht? Wer darf was sagen, wer sollte schweigen? Insofern muss man in der Tat dort, wo solche Identitätspolitiken von links aufgebaut werden, kritisch sein.
Sind diese Identitätspolitiken also Teil von Kulturkämpfen, die von Klassenkämpfen ablenken?
Ja. Insofern sind wir da auch in einer gefährlichen Situation, weil Identitätspolitiken hoch emotionalisiert werden. Mit ihrem rabiaten Kommunikations- und Mobilisierungsstil hat die AfD diesen Kampfplatz prominent besetzt. Sie propagieren den Konflikt-Typus des „Entweder-Oder“.
Hat es die gesellschaftliche und vor allem parlamentarische Linke also verlernt, soziale Fragen adäquat zu thematisieren, indem sie sich durch Identitätspolitiken ablenken lässt?
Das kann man mit Sicherheit so sagen und das gilt nicht nur für die Linke. Wir haben es seit den 90er Jahren mit einer Entwicklung zu tun, in der sich ein autoritärer Kapitalismus entwickelt hat, der riesige Kontrollgewinne aufweist, ob nun bei Standortfragen, sozialen Standards oder Wohlfahrtsfragen. Im Gegenzug hat die nationalstaatliche Politik in diesen Feldern riesige Kontrollverluste erlitten. Die Politik verlor also die Kraft oder auch den Willen, die soziale Ungleichheit zu bekämpfen und das wird in der Bevölkerung natürlich wahrgenommen. Dem haben zurückliegende Regierungen und durchaus auch die parlamentarische Linke nichts entgegengesetzt. Schon vor der Gründung der AfD 2013 waren diese Muster vorhanden, die sich in einer „Demokratieentleerung“ gezeigt hat: Der Apparat funktioniert, das Vertrauen erodiert. [...]"
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