Samstag, 1. November 2014

Zur gegenwärtigen weltpolitischen Situation

 Heinrich August Winkler stellt in der Zeit Nr. 2014/41 im Rahmen der in der ZEIT-Debatte "Von Kriegen umzingelt" als besondere gegenwärtige Herausforderungen die Ukrainekrise und das Erstarken des Islamischen Staates heraus. Dann fährt er fort:
Zwischen dem Putinismus und dem Islamismus gibt es außer ihrer Frontstellung gegen den Westen und dessen Werte keine Gemeinsamkeiten. Sicher ist aber auch, dass ihre gegenwärtigen Offensiven eine gemeinsame Ursache haben: die freiwillige Abdankung der USA als "Weltpolizist", eine Rolle, in die sie, ursprünglich widerstrebend, nach dem Zweiten Weltkrieg hineingewachsen sind.
Dieser Rückzug ist Ausdruck eines sehr viel allgemeineren Phänomens: Erstens haben sich alle westlichen Nationen in unterschiedlichem Maß zu "postheroischen" Gesellschaften (Herfried Münkler) entwickelt. Zweitens hat der Triumph des Westens ein geistiges Vakuum entstehen lassen, wie Mark Lilla unlängst in dieser Serie (ZEIT Nr. 37/14) bemerkte. Seit den westlichen Demokratien die Herausforderung in Gestalt des Kommunismus abhandengekommen ist, fehlt ihnen ein Ansporn, über die eigenen normativen Grundlagen, besonders über die Gefahren wachsender sozialer Ungleichheit, nachzudenken.

Der Beitrag von Mark Lilla in dieser Reihe hat mich besonders berührt mit dem Hinweis, wie oberflächlich heute mit dem Begriff Freiheit umgegangen wird. An anderer Stelle habe ich dazu ausgeführt:
Mancher hat vielleicht noch nicht begriffen, dass Monopole nicht Freiheit bedeuten. Ob uns Google oder NSA unterdrücken, macht einen Unterschied: Auf die NSA wie auf andere Geheimdienste haben wir wenigstens einen bescheidenen politischen Einfluss.Mancher will vermutlich auch Gewerkschaften als Kartelle unterdrücken. Der steckt noch im tiefsten 19. Jahrhundert.Technischer Wandel bedeutet nicht, dass ihm notwendigerweise immer der Mensch zum Opfer gebracht werden muss.
Der Aufsatz von Winkler ist mir dazu im Wesentlichen eine Bestätigung.

Montag, 27. Oktober 2014

Deutschlands politische Rolle und die digitale Revolution

Und wo ist Deutschland geblieben? Nun: Den Satz «Am Ende hängen wir doch ab von den Kreaturen, die wir machen» hat ein deutscher Teufel, Goethes Mephisto, schon vor 200 Jahren ausgesprochen, und mit dem Totalen müsste eine Republik, die aus zwei totalitären Systemen hervorgegangen ist, ihre ganz eigene Erfahrung haben. Dann aber wäre der systematische Schwund der personengebundenen Erinnerung, das Verduften der Geschichte im Netz, das Letzte, was sie gebrauchen kann. Natürlich ist die Suchmaschine unvergleichlich effektiver als jedes Gedächtnis. Sie ersetzt Suchen gleich durch Finden – und lässt nicht erkennen, dass sie auch gar nie gesucht, sondern Daten aufgrund einer schon bekannten Nachfrage arrangiert hat.
Adolf Muschg: Den Teufel tun. Über deutsche Grösse, NZZ 27.10.14

Wie immer bei Muschg gut formuliert. Das Rechenhafte, das er dem digitalen Einfluss zuschreibt, ist nach meinem Eindruck freilich weit mehr der kapitalistischen Gewinnorientierung als dem Internet zuzuschreiben. Das heißt natürlich nicht, dass Spekulation im Nanosekundenrhythmus auch ohne Computer möglich gewesen wäre.

Dienstag, 7. Oktober 2014

Rückkehr der Grünen zu wachstumskritischen Ansätzen

Grüne zweifeln an grünem WachstumSpiegel online 7.10.14

vgl. dazu auch: 2052. Der neue Bericht an den Club of Rome. 

Sonntag, 5. Oktober 2014

Jens Reiche über die Wende in der DDR und eine noch entscheidendere Veränderung

"Ich hatte seit 1961, seit dem Mauerbau, unter der Teilung Deutschlands gelitten. Ich fühlte mich abgeschnitten von der Literatur, den Theatern, dem Kino und von den Gedanken, wie sie sich im Westen entwickelten.[...] Aber 1989 dachte ich, wir dürften den Zustand, der so lange den Frieden in Europa gesichert hatte, nicht aufs Spiel setzen. [...]Man löst ein genetisches Signal aus, und dann wachsen Flügel an Stellen, an die sie nicht hingehören oder Augen am Hintern. So lernt man, welche Steuerungsnetze die Entwicklung des Körpers bewirken. Welche Gene werden abgegriffen, wie interagieren die Gene miteinander? Verglichen mit diesen demiurgischen Aktivitäten, mit diesen Eingriffen in die Grundgesetze des Lebens, ist, was in der Ukraine passiert, ein Feierabendspaziergang. Ich kann da nur bedauern, dass ich alt bin und das nicht mehr miterleben werde. Das ist Faszination und Befürchtung zugleich. Es wird die Aufgabe meiner Kinder, ja erst meiner Enkel sein, damit fertig zu werden. Aber die Enkel sind schon da. Sie werden in dieser Welt der Genmanipulation neunzig oder einhundert Jahre alt werden. Vielleicht wird der natürliche Tod ganz abgeschafft sein. Was so etwas für die Menschheit bedeuten würde, darüber ist, seit es Menschen gibt, fantasiert worden, aber bald könnte es sein, dass wir das wirklich regeln müssen. Vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse hatten die Menschen am Anfang gegessen. Jetzt werden wir vom Baum des Lebens essen." (JENS REICH: Die Menschen streckten die Fühler der Welt entgegen, FR 3.10.2014)
So beängstigend es ist,  dass gegenwärtig die Gefahren einer militärischen Konfrontation mit Russland und Waffenlieferungen, die binnen kurzem an eine besonders grausame Terrorgruppe, den "islamischen Staat", fallen können, anderes zähle ich gar nicht erst auf: die großen Bedrohungen für die Menschheit liegen nach meinem Ermessen im Klimawandel (vgl. 2052. Der neue Bericht an den Club of Rome) und darin, dass die Menschheit den Menschen so verändert, dass die Eigenschaften verliert, die die Menschenrechte zu schützen versuchen.

Samstag, 27. September 2014

Das TTIP steht nicht allein

[...] der Handelsexperte verweist auf rund 500 regionale und bilaterale Abkommen, die weltweit den Handel zwischen Volkswirtschaften erleichtern. Das Handelsabkommen, eigentlich ein Sonderfall, ist aus der globalisierten Wirtschaft nicht mehr wegzudenken: "Die eigentliche Ausnahme ist zur Regel verkommen", sagt Langhammer.
Diese Verträge gibt es zwischen den großen Volkswirtschaften, aber auch mit ökonomischen Zwergen wie Mazedonien, Andorra oder Sambia. Seien es Elektrogeräte, Fischmehl, Rasenmäher oder Poloshirts: Handelsverträge sorgen maßgeblich dafür, dass unsere Regale so bunt – und bezahlbar – gefüllt werden können. Für Deutschland wichtige Verträge wurden in letzter Zeit mit Südkorea, Mexiko und Kanada abgeschlossen. (AXEL HANSEN UND OLGA GALA: TTIP ist überall, 18.7.2014, Hervorhebungen von mir.)
Weil die Welthandelsorganisation (WTO) wegen Widerstand von Staaten aus der Dritten Welt nicht so vorankommt, wie sich die Konzerne das vorstellen, werden Einzelabkommen geschlossen, wo der jeweils stärkere Partner größere Chancen hat, sich mit seinen Interessen durchzusetzen.
Bemerkenswert, dass das alles praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschieht.

Auch geostrategische und politische Überlegungen spielten eine große Rolle, sagt Gabriel Felbermayr vom ifo Institut in München. So seien die Verträge mit den ehemaligen Ostblockstaaten Ukraine oder Moldawien zwar politisch wichtig, seien ökonomisch aber nachrangig. "Moldawien hat einen sehr kleinen Markt und ist ein failed state", urteilt Felbermayr. Und auch die größere, aber marode Volkswirtschaft Ukraine sei als Absatzmarkt eher uninteressant. (AXEL HANSEN UND OLGA GALA: TTIP ist überall, 18.7.2014, Hervorhebungen von mir.)
Ursprünglich sei es darum gegangen, Firmen in Ländern ohne rechtsstaatliche Prinzipien zu schützen. Der klassische Fall: Eine sozialistische Regierung in Südamerika will die Mine eines westlichen Bergbaukonzerns verstaatlichen. Weil das Unternehmen vor lokalen Richtern keine Chance auf eine faire Behandlung haben dürfte, kann es vor ein Schiedsgericht ziehen und dort Schadenersatz einklagen. Soweit findet das auch Scherrer nachvollziehbar. [...]
Doch heute würden spezialisierte Anwaltskanzleien immer stärker gegen normale Gesetze zu Felde ziehen.* Berühmt geworden ist die Klage Vattenfalls gegen den deutschen Atomausstieg. Ägypten droht eine empfindliche Zahlung, weil der französische Wasser- und Energieriese Veolia das Gefühl hat, die Regierung in Kairo greife rechtswidrig in die Wirtschaftsbedingungen ein. Der Tatbestand: Die Nordafrikaner haben den Mindestlohn angehoben – auf umgerechnet 72 Euro im Monat.
Dabei ist das Abkommen, auf das sich die Franzosen berufen, noch nicht einmal neu, es stammt von 1974. Es wird heute nur anders interpretiert.   (AXEL HANSEN UND OLGA GALA: TTIP ist überall, 18.7.2014, Hervorhebungen von mir.)

Lammert fordert Zugang zu TTIP-Dokumenten ZEIT, 18.7.15

*Ein Milliardengeschäft für findige Anwälte, ZEIT, 27.11.12

Dienstag, 23. September 2014

ARD-Programmbeirat bestätigt Publikumskritik an der Berichterstattung der ARD zum Ukrainekonflikt

Differenzierende Berichte über die Verhandlungen der EU über das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine hätten gefehlt. Die "politischen und strategischen Absichten der NATO" bei der Osterweiterung seien kaum thematisiert worden. Die Legitimation des "sogenannten Maidanrats" und die "Rolle der radikal nationalistischen Kräfte, insbesondere Swoboda" hätten ebenso wenig eine Rolle gespielt wie deren Aktivitäten beim Scheitern "der Vereinbarung zur Beilegung der Krise in der Ukraine vom 21. Februar".Weiterhin moniert der Beirat, dass die "Verfassungs- und Demokratiekonformität" der Absetzung Janukowitschs sowie die Rolle rechtsradikaler Kräfte bei dessen Sturz nicht hinreichend Gegenstand der ARD-Berichterstattung waren.  Ukraine-Konflikt: ARD-Programmbeirat bestätigt Publikumskritik heise, 18.9.14
Man mag die Einseitigkeit der Medienberichte erschreckend finden, immerhin gibt es auch institutionell verankerte Gremien, die dem entgegenzuwirken bestrebt sind. Freilich die Erfolge dabei sind noch nicht überwältigend.

Montag, 22. September 2014

Wer bei der Erstellung eines Freihandelsabkommen als kleiner Assistent mitwirkt, darf sich nicht herausreden, er wolle es nicht


"Das Freihandelsabkommen darf Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards nicht gefährden. Einen Dumping-Wettbewerb, bei dem Staaten und Unternehmen sich Vorteile über Sozial- und Umweltschutzdumping verschaffen, lehnen wir ab."

Wenn man das wirklich ernst meint, dann darf man nicht als Juniorpartner bei Verhandlungen mitmachen, auf die man keinen entscheidenden Einfluss hat.

Angela Merkel hat gesagt: Überwachung durch die NSA "geht gar nicht", "Mit mir gibt es keine Pkw-Maut". 

Dann wird es mit ihr auch "Dumping-Wettbewerb, bei dem Staaten und Unternehmen sich Vorteile über Sozial- und Umweltschutzdumping verschaffen" geben. 

Wer bei solchen Verhandlungen als kleiner Assistent (Juniorpartner der EU kann sich die SPD nicht nennen) mitmacht, kann sich nicht herausreden, er habe nicht wissen können, dass er sich nicht durchsetzt. 

Samstag, 13. September 2014

Papst sieht Ursachen von Krieg in Geldgier, Machthunger und Interessen der Waffenindustrie

Wie 1914 entstünden auch heute Kriege durch geopolitische Pläne, Geldgier, Machthunger und die Interessen der Waffenindustrie. "Und diese Terrorplaner, diese Organisatoren der Konfrontation wie auch die Waffenhändler haben in ihr Herz geschrieben: 'Was geht mich das an?'", sagte Franziskus am Samstag während einer Messe an der italienischen Gedenkstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Fogliano Redipuglia. (http://www.rp-online.de/ 13.9.14)

Multimilliardär warnt vor zu großer sozialer Ungleichheit

[...] while people like us plutocrats are living beyond the dreams of avarice, the other 99 percent of our fellow citizens are falling farther and farther behind. In 1980, the top one percent of Americans shared about eight percent of national [income], while the bottom 50 percent of Americans shared 18 percent. Thirty years later, today, the top one percent shares over 20 percent of national [income], while the bottom 50 percent of Americans share 12 or 13. If the trend continues, the top one percent will share over 30 percent of national [income] in another 30 years, while the bottom 50 percent of Americans will share just six. (Nick Hanauer TED Talks, August 2014)
Nick Hanauer war Mitbegründer von Amazon.com und verkaufte seiner Firmen nach einigen Umwandlungen) für über 6 Milliarden Dollar an Microsoft.
Er betont, dass er weiterhin am Kapitalismus festhält, nur dürfe er nicht mehr zu so viel sozialer Ungleichheit führen.

Freitag, 12. September 2014

Im Kreml geben nur noch Hardliner den Ton an ... oder: Wie sich die Bilder gleichen

"Im Kreml geben nur noch Hardliner den Ton an - das schadet vor allem Russland selbst",  schreibt Spiegel online am 12.9.14

In der Ukraine geben nur noch Hardliner den Ton an - das schadet vor allem der Ukraine selbst.
In der EU geben nur noch Hardliner den Ton an - das schadet vor allem der EU selbst.
Das sage ich. 

Sehr viel differenzierter und konkreter äußern sich Andreas Buro und Karl Grobe in ihrer Road Map zu einer zivilen Lösung des Ukraine-Konflikts:


Es besteht die Gefahr einer nicht gewollten militärischen Eskalation zwischen den Großmächten. Die NATO und Russland erklären deshalb, sie wollen auf keinen Fall den Konflikt militärisch austragen. Deshalb solle zwischen NATO und Russland ein rotes Telefon und ein entsprechender Krisenstab eingerichtet werden.Die EU begrüßt diese Erklärungen und bietet Hilfe zur Deeskalation an.Russland stimmt diesem Vorschlag zu und beteiligt sich an dessen Verwirklichung.Die NATO erklärt, sie beabsichtige nicht, die Ukraine als Mitglied aufzunehmen und auch nicht in anderer Form mit ihr militärisch zu kooperieren.Die EU erklärt, sie betrachte alle Teile des mit Kiew abgeschlossenen Assoziierungsabkommens, die sich auf eine militärische Kooperation beziehen, als ungültig.Kiew erklärt sich als neutral, wie es bereits in seiner Verfassung festgelegtsei. Es würde keinem Militärpakt beitreten. (Road Map Stand 14.8.14 - pdf)
Herfried Münkler schreibt: "Die seit Jahrzehnteb expandierende EU muss zu festen Grenzen kommen und den Prozess ihrer Erweiterung beenden, wenn der Konflikt mit Russland um die geopolitische Zugehörigkeit der Ukraine nicht in einen europäisch-russischen Dauerkonflikt überführt werden soll." (Zeit Nr.39; S. 4)

Die Ukraine ist zum Teil westlich, zum Teil zu Russland hin orientiert. Dazu Buergerstimme 24. Februar 2014.

Donnerstag, 11. September 2014

Weshalb die NachDenkSeiten bewusst einseitig über die Konflikte in und um die Ukraine berichten

schreibt Albrecht Müller hier

Dann schreibt er:
Nutzen Sie die Existenz der Nachdenkseiten für Ihre Gespräche. Machen Sie darauf aufmerksam, wie anders man sich hier unterrichten kann – und sei es nur als Gegengewicht zur herrschenden Lehre.

in dem Blogbeitrag:

Eine Bitte, ein Appell an unsere friedenspolitisch engagierten Leserinnen und Leser inklusive Steinmeier-Brief

Montag, 8. September 2014

Wie aus Terroristen Bollwerke werden

 Die Kurden in der Region sind das wichtigste Bollwerk gegen die Mörderbanden des IS. Werden sie überrannt, sind nicht nur tausende Menschenleben, sondern die Stabilität der gesamten Region in akuter Gefahr – verbunden mit erheblichen Sicherheitsrisiken auch für uns in Europa. (Beschlussvorlage für die Sitzung des SPD-Parteivorstandes am 8. September 2014)
Zur Peschmerga gehören 70000 Kämpfer die der Demokratische Partei Kurdistans oder der Patriotische Union Kurdistans unterstellt sind. "Die politische Rivalität der beiden Parteien erschwert immer wieder die Koordination, speziell im Raum Kirkuk kämpfen die beiden Parteien um die politische Vorherrschaft." (Wikipedia nach Der Standard.at 28.8.14)

Amnesty International zu den Plänen von Waffenlieferungen in den Nord-Irak:
[...] She is shedding light on ethnic cleansing by the Islamic State, revenge attacks on civilians by other Iraqi militias, and indiscriminate shelling of residential communities by the Iraqi military. Amnesty's documentation of these and other violations underpins its concerns that, without firm rules in place, it would be reckless for the US or others to provide weapons to any party to the conflict. (Steven at Amnesty International alerts@takeaction.amnestyusa.org Mail vom 12.9.2014)

Donnerstag, 4. September 2014

Freiheit ist nicht alles. Wie sich Demokratien entwickeln

Am 4.9.14 erschien in der ZEIT Mark Lillas Artikel über die Gefahren eines unbedarften Libertarismus. Ähnliche Gedanken äußerte Lilla schon im Juni 2014:

It is time, twenty-five years on, to discuss the cold war again. In the decade following the events of 1989, we spoke about little else. None of us anticipated the rapid breakup of the Soviet empire, or the equally quick return of Eastern Europe to constitutional democracy, or the shriveling of the revolutionary movements that Moscow had long supported. Faced with the unexpected, we engaged in some uncharacteristic big thinking. Is this the “end of history”? And “what’s left of the Left?” Then life moved on and our thinking became small again. Europe’s attention turned toward constructing an amorphous European Union; America’s attention turned toward political Islamism and the pipe dream of founding Arab democracies; and the world’s attention turned to Economics 101, our global Core Curriculum. 
http://www.newrepublic.com/article/118043/our-libertarian-age-dogma-democracy-dogma-decline, 17.6.2014

Schon 2010 hatte er den "libertären Mob" kritisiert:
http://blog.zeit.de/joerglau/2010/05/21/der-libertare-mob_3801

Über den 11.9.2001:

Montag, 1. September 2014

Wer wäre schuld an einem kommenden Krieg der NATO gegen Russland?

Die Frankfurter Rundschau titelt: Zieht Putin in den Krieg?
Die Bildzeitung:  Greift Putin nach Europa?

Wir wissen, wie man Ängste schürt und Schuldzuweisungen vorbereitet.

Die NATO wird nicht der Alleinschuldige sein. Aber der Nachweis, dass die Ukraine vor unbedachten Schritten zurückgehalten worden ist*, dürfte inzwischen nicht mehr zu führen sein.

Es sind nicht Schlafwandler, die Putin herausfordern, sondern Akteure, die den fehlenden Willen, die einzigen Machtmittel einzusetzen, die sie haben, durch forsche Worte zu ersetzen versuchen.

Weil der europäische Entscheidungsprozess so transparent ist, lässt sich deutlich erkennen, dass es in der EU keine Entscheidung für scharfe Sanktionen geben wird. Deshalb klingen starke Worte umso hohler, je schärfer sie formuliert sind. 
Desto größer muss die Angst in den jetzigen NATO-Staaten werden, die ehemals zum Machtbereich der Sowjetunion zählten.

Stephen F. Cohen hat die Lage schon im Juni so analysiert*:




§ The epicenter of the new Cold War is not in Berlin but on Russia's borders, in Ukraine, a region absolutely essential in Moscow's view to its national security and even to its civilization. This means that the kinds of miscalculations, mishaps and provocations the world witnessed decades ago will be even more fraught with danger. [...]

§ An even graver risk is that the new Cold War may tempt the use of nuclear weapons in a way the US-Soviet one did not. I have in mind the argument made by some Moscow military strategists that if directly threatened by NATO's superior conventional forces, Russia may resort to its much larger arsenal of tactical nuclear weapons. [...]
§ Yet another risk factor is that the new Cold War lacks the mutually restraining rules that developed during the forty-year Cold War, especially after the Cuban missile crisis. Indeed, highly charged suspicions, resentments, misconceptions and misinformation both in Washington and Moscow today may make such mutual restraints even more difficult. The same is true of the surreal demonization of Russia's leader, Vladimir Putin—a kind of personal vilification without any real precedent in the past, at least after Stalin's death. (Henry Kissinger has pointed out that the "demonization of Vladimir Putin is not a policy; it is an alibi for the absence of one."* I think it is worse: an abdication of real analysis and rational policy-making.) [Die Hervorhebung des Kissingerzitats stammt von Fonty] -  Patriotic Heresy vs. the New Cold War, Stephen Cohen am 28.8.14 in The Nation*

*Nato sieht Ukraine bereits als Verlierer des Konflikts, Spiegel online 1.9.14


* Die Dämonisierung Wladimir Putins ist keine politische Strategie; sie ist ein Alibi für die fehlende Strategie. 

* Kurzfassung des gesamten Artikels auf Deutsch von den Nachdenkseiten (1.9.14).
  • Cohen hält die Situation von heute für ähnlich gefährlich wie bei der Konfrontation der USA mit der Sowjetunion bei der Kubakrise. Ein Krieg zwischen der NATO, geführt von den USA, und dem heutigen Russland ist nicht mehr unvorstellbar.
  • Sanktionen heizen die Eskalation an.
  • Er wendet sich gegen die Dämonisierung Putins und macht darauf aufmerksam, dass damit kritischer zu betrachtende Kräfte in Russland gestärkt und gefördert werden.
  • Die Dämonisierung Putins führt außerdem dazu, dass die USA einen wichtigen Partner im Kreml bei der Verfolgung vitaler US-amerikanischer Sicherheitsinteressen verlieren – vom Iran, über Syrien bis Afghanistan.
  • Interessant und wichtig die Beobachtung: Anders als beim letzten kalten Krieg gibt es keine effektive amerikanische Opposition zu diesem – nicht in der Administration, nicht im Congress, nicht bei den etablierten Medien, nicht in den Universitäten, den think tanks und der allgemeinen Öffentlichkeit. Diese Beobachtung kann man mit gutem Recht auf Europa übertragen. Auch hier sind zumindest in den etablierten Medien, in den Parteien und in der Wissenschaft die Gegner eines neuen kalten Krieges in der Minderheit. Vielleicht sind die deutsche und Teile der europäischen Öffentlichkeit anders orientiert.
  • Cohen berichtet von der Stigmatisierung und der Aggressivität, denen Gegner der herrschenden Politik ausgesetzt sind. Das ist eine neue Erscheinung.
  • Er nimmt in seinem Text fünf Trugschlüsse/Irrtümer (fallacies) auseinander.
  • Und dann beschreibt er drei Alternativen zur Lösung bzw. weiteren Entwicklung der Krise um die Ukraine:
  • Erstens, die Krise eskaliert und zieht russisches und NATO-Militär in die Auseinandersetzung ein. Das wäre die schlechteste Entwicklung.
  • Zweitens: die jetzige de-facto-Teilung der Ukraine mündet in zwei ukrainische Staaten. Das wäre nicht das beste Ergebnis, aber auch nicht das schlechteste.
  • Drittens, die beste Entwicklung aus der Sicht von Cohen: Erhaltung der vereinigten Ukraine, auf der Basis vertrauensvoller Verhandlungen zwischen den Vertretern aller Regionen einschließlich der Rebellen im Südosten und unter der Aufsicht von Washington, Moskau und der Europäischen Union.

Sonntag, 31. August 2014

Weshalb muss Putin ein Kriegstreiber sein?

Der EU bleibt nur eine Waffe, die dem Kriegstreiber Putin abschreckt: ihre Wirtschaftskraft. Doch bisher hat sie diese noch nicht ein einziges Mal richtig eingesetzt. Die EU hat – so wirkt es jedenfalls – noch nicht einmal erkannt, dass nur sie ist es, die Putin stoppen kann. Dieser Krieg ist primär ein europäischer, kein amerikanischer. (Das ist Krieg, Europas Krieg, ZEIT 28.8.14)
In der Ukraine tobt ein Machtkampf. Nachdem der gewählte Oligarch Wiktor Janukowytsch nach den Unruhen auf dem Maidan vertrieben und durch den gewählten Oligarchen Poroschenko ersetzt worden ist, ist die Hegemonie Russlands über die Ukraine beseitigt und Russland zur Wahrung seiner Interessen (nicht zuletzt auch der russisch sprechenden Bevölkerung) zur Etablierung manifester Hoheitsrechte (Besetzung der Krim) übergegangen. 
Die Ukraine hat auf diese Strategie nicht mit Verhandlungen über erweiterte Autonomie der Ostukraine und Zugeständnissen russischer Sonderrechte in diesem Gebiet reagiert, sondern mit militärischer Niederschlagung der gewaltsam vorgehenden Separatisten.
Da die russische Armee der ukrainischen weit überlegen ist, wäre dies Vorgehen selbstmörderisch, sobald Russland die Separatisten offen militärisch unterstützte. Den Weg aber will Putin offenbar nicht gehen, weil er auch ohne offizielle Annexion zum Ziele zu kommen hofft und die offene Konfrontation eine militärische Auseinandersetzung mit den USA heraufbeschwören könnte (die die USA allerdings wegen eines drohenden Weltkriegs auch vermeiden wollen). 
In dieser Situation glauben die gegenwärtig einflussreichsten politischen Kräfte in der EU Russland durch einen wirtschaftlichen Boykott zum Nachgeben zwingen zu können.

Für den gibt es freilich weder in der Wirtschaft noch in der Bevölkerung zureichende Unterstützung. Zu sehr sind vitale Interessen gefährdet.
Erst wenn eine allgemeine Stimmung aufkommt, Putin beabsichtige eine große militärische Auseinandersetzung, wird die Bevölkerung und angesichts einer solch nationalistischen Stimmung auch die Wirtschaft zu ernsthaften Sanktionen, die zu einer Wirtschaftskrise führen könnten, bereit sein. 
Also muss Putin ein Kriegstreiber sein. 

Wenn man lange genug davon redet, hat man einen zureichenden Keil zwischen die Bevölkerungen geschoben. Die alte Furcht von "den Russen" und "den Deutschen" wird dann wieder Verständigungsdiplomatie unmöglich machen. Von der 1990 erhofften Friedensdividende ganz zu schweigen.

Freitag, 29. August 2014

Kriegstreiber, Volksverhetzer?

Die Wörter Kriegstreiber und Volksverhetzer wollen nicht recht passen, wenn die Frankfurter Rundschau mit Balkenlettern fragt: "Zieht Putin in den Krieg?"

Aber man hat mit einer solchen Überschrift von vornherein die Kriegsschuldfrage geklärt, wenn es tatsächlich zum Krieg zwischen der Ukraine und Russland kommen sollte. Und Waffenlieferungen an die Ukraine wären nach wochenlanger Berichterstattung in diesem Sinn kaum noch abzuweisen.

Nibelungentreue wäre das noch nicht; aber es wäre gewiss kein Beitrag dazu, die ukrainische Regierung verhandlungsbereiter zu machen.

Mehr zu Waffenlieferungen

Mittwoch, 13. August 2014

Peschmerga und die Frage nach Waffenlieferungen an die Kurden

Dazu SPON, 13.8.14

So wichtig es scheint, dem IS Einhalt zu gebieten, so fragwürdig scheint es, einer zerstrittenen Bevölkerung Waffen zu liefern. Ein ernst zu nehmendes Dilemma.
Zur Diskussion in der Linken sieh: FR vom 12.8.14

Statt Waffen auszuteilen sollten die möglichen Waffenlieferanten besser miteinander sprechen und Lösungen suchen, die für alle Seiten besser sind als Völkermord. Der ist nämlich weder im Interesse von Saudi-Arabien noch des Iran. In dem von Israel und den USA und der europäischen Staaten doch wohl auch nicht.
Wohl aber macht es sich gut, wenn man einem äußeren "Feind" die Schuld zuschieben kann, mag er Putin oder Iran heißen.

Dazu Jakob Augstein auf SPON, 14.8.14: Krieg in Gaza, der Ukraine und im Irak: Waffen! Waffen! Waffen!:
 Wo beginnt die "Verantwortung", von der jetzt immer die Rede ist?UkraineGazaIrak - niemand glaubt, dass Gewalt die Probleme in diesen Gegenden lösen wird. Die militärischen Interventionen des Westens sind nicht nur die Kapitulation der praktischen Politik, sondern auch die der politischen Fantasie. Deutschland will einen Beitrag leisten in der Welt? Dann sollte es zum Schöpfer einer neuen Friedenspolitik werden. Wir sollten aufhören, über den "gerechten Krieg" zu streiten - und lieber nach dem gerechten Frieden streben.
Sieh auch: Waffenlieferungen befürwortet, SPON 15.8.14

Konflikt um Grenzverletzung: Ukraine meldet Angriff auf russischen Militärkonvoi, SPON 15.8.14

Samstag, 2. August 2014

Die Wirtschaft erholt sich, die Börsenkurse stürzen ab

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Börsenkurse nichts mit wirtschaftlicher Entwicklungschancen, sondern nur mit Finanzmärkten zu tun haben, so wäre er jetzt erbracht:
"Die US-Wirtschaft ist auf einem robusten Erholungskurs", schreibt JP Morgan Asset Management. Starkes Wachstum, mehr Jobs, steigender Wohlstand sind eigentlich erfreuliche Entwicklungen - doch für Anleger bedeuten sie ein "ungewisses Ende", sagt Daniel Zindstein, Dachfondsmanager bei Gecam. War es doch vor allem das billige Geld, das die Börsen in den vergangenen Wochen trotz weltweiter Krisen auf immer neue Höhen peitschte. (manager magazin online, 1.8.14)
Der Dax, der die  Syrien-, Ukraine-, Nahostkrisen einfach wecksteckte, hat in den letzten Wochen rund 8 Prozent an Wert verloren, weil die Konjunktur sich erholt und deshalb das Zinsniveau voraussichtlich nicht weiter fallen wird.

Freitag, 1. August 2014

Bernie Ecclestone bietet 100 Millionen Dollar

Nicht um eine Firma zu kaufen, sondern um weiter Formel-1-Chef zu bleiben.
Offenbar ist auch das Gericht bestechungsanfällig, ja es hat selbst den Deal angeboten.

Nun ja, nicht jeder kann sich mit 100 Millionen vom Vorwurf der Bestechlichkeit freikaufen.

Aber selbstverständlich gilt die Gleichheit vor dem Gesetz.

Konflikt zwischen Israel und Hamas: Gazastreifen 2014

Zu den Vorgängen:
In der Nacht auf den 24. Juli kam es in Bethlehem zu Ausschreitungen, als palästinensische Jugendliche mit Steinen und Molotow-Cocktails israelische Soldaten attackieren. Diese antworteten mit Tränengas und dem Einsatz eines Wasserwerfers. In der Nacht griff die israelische Luftwaffe mehr als 30 Ziele in Gaza an. Wie palästinensische Offizielle am Morgen des 24. Juli bekanntgaben, hatte es in den letzten Stunden 18 Tote durch die Aktionen der israelischen Armee gegeben. Damit stieg die Gesamtverlustzahl in Gaza auf 714 Personen.[54] Unklar blieb zunächst, wer die Verantwortung für 15 Opfer trägt, die beim Einschlag eines Geschosses in einer UNRWA-Schule in Beit Hanun starben, nachdem die israelische Armee in der Umgebung Granaten verschossen und die Hamas mehrere Raketen in die Gegend gefeuert hatte.[55] UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte scharf den Angriff auf das Gebäude, der sich um 14.50 Uhr Ortszeit ereignete. Bei der Attacke kamen laut Aussage des UN-Spitzendiplomaten Frauen, Kinder und auch UN-Mitarbeiter ums Leben,[56] bis zu 200 weitere Personen wurden außerdem verletzt.[54] Palästinensischen Rettungskräften zufolge hatten an diesem Tag insgesamt 98 Menschen im Gaza-Streifen ihr Leben durch israelische Luftangriffe verloren.[57] (Seite „Gaza-Konflikt 2014“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 1. August 2014, 07:16 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gaza-Konflikt_2014&oldid=132682549 (Abgerufen: 1. August 2014, 07:44 UTC))
Kommentar in der FR vom 30.7.14
Verstörend ist aber auch diese lähmende, dröhnende Sprachlosigkeit, die die deutsche Regierung angesichts der Katastrophe befallen hat. In dürren Worten hat der Außenminister jetzt seine Sorge geäußert und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts sowie eine sofortige Feuerpause gefordert. Es klang wie eine Kopie aus den zahlreichen gleichlautenden Erklärungen zu den Kämpfen in der Ost-Ukraine. Auf die Frage, ob die Bundeskanzlerin das Vorgehen Israels noch für angemessen hält, wusste ihre Sprecherin am Mittwoch nichts zu sagen. (http://www.fr-online.de/meinung/gaza-krieg-deutschlands-mitschuld,1472602,27990918.html)
Kommentar in der FR vom 31.7.14
Die meisten Deutschen waren in der Nazi-Zeit Mitläufer [...] Könnte es sein, dass diese Mitläufer.Mentalität die eigentliche Konstante in der deutschen Politik ist? (Rolf Verleger: Unrecht auf geraubtem Land, FR, S.10)
Rolf Verleger war Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland. Offenbar setzt er sich gern ein und geht dabei das Risiko ein, sich unbeliebt zu machen.
Sich in Sachen der Politik des Staates Israel  zu positionieren, bringt Unannehmlichkeiten ein, aber keine Wählerstimmen. In Sachen Edward Snowden ist es genauso. Nicht Mitläufertum, Interessenpolitik ohne besondere Rücksicht auf Menschenrechte. Leider ist das "die eigentliche Konstante" nicht nur " in der deutschen Politik".
Immerhin noch besser, als Öl ins Feuer zu gießen. Aber nicht genug.

Montag, 28. Juli 2014

Neuer Ärger zwischen USA und Deutschland: "Dann können wir das Freihandelsabkommen vergessen"

"Die Bundesregierung will ein geplantes Handelsabkommen mit Kanada vorerst nicht unterzeichnen - wegen Bedenken gegen Privilegien für Investoren. USA und EU-Kommission protestieren: Berlins Zögern könnte die EU-Handelspolitik lahmlegen. [...]
 Der Investorenschutz sei überdies ein wesentliches Argument für das Abkommen der EU mit den USA, so der Experte, weil davon eine Signalwirkung für Staaten mit schlechterem Rechtsschutz wie China ausgehen solle. Würde der Investorenschutz nun erst in den Verhandlungen mit Kanada und dann beim TTIP komplett ausgegliedert, werde das umstrittene Projekt weniger attraktiv." SPON, 28.7.14

Dienstag, 22. Juli 2014

Mangel an Fachkräften

Die Bundesanstalt für Arbeit spricht von Mangel an Fachkräften, sobald sich weniger als 3 Personen um eine ausgeschriebene Stelle bewerben. Die Arbeitgeberverbände multiplizieren die Fälle von Arbeitsplätzen, die nicht vergeben werden konnten, in ihren Statistiken sicherheitshalber mit 7, um die Dunkelziffer zu berücksichtigen.
Das habe ich "aus gut unterrichteten Kreisen". Vielleicht waren die Nachdenkseiten oder Karrierespiegel die Quelle (vgl. z.B. hier und hier). Zeit, weiter zu recherchieren habe ich nicht.

Freitag, 18. Juli 2014

Merkel und Jürgen Osterhammel

Zu Merkels 60. Geburtstag referiert Jürgen Osterhammel über das Thema: "Vergangenheiten: Über die Zeithorizonte der Geschichte"
Vor zehn Jahren hatte der Hirnforscher Wolf Singer über die "Utopie der Planbarkeit der Zukunft" referiert. Das passte exakt zu Merkels Verständnis von Politik als Prozess: Bloß keine Visionen, keine großen Pläne, Schritt für Schritt geht es voran.
Schwere Kost vom Historiker
Nun also der Blick zurück, da denkt sich mancher: Ist das ein Signal? Arbeitet die Kanzlerin schon an ihrem Bild für die Geschichtsbücher? Diese würde solche Interpretationen natürlich weit von sich weisen. Tatsächlich lässt sich auch Osterhammel wie die wissenschaftliche Untermauerung von Merkels Politik der kleinen Schritte verstehen. 45 Minuten lang stellt er alle Gewissheiten in Frage, die die Geschichtsschreibung vermeintlich bietet. Der Faktor Zeit sei nicht zu beherrschen, mahnt er, die Welt nur als Ganzes zu begreifen. "Wer weiter eurozentrisch denkt, ist begründungspflichtig", sagt Osterhammel. (Geburtstagsfeier für Merkel: "Humor ist, wenn man trotzdem kommt", Spiegel online, 17.7.14)
Merkel gibt sich also präsidial, nicht um die Gerüchte über ihre Pläne, die Kanzlerschaft vor Ende der Legislaturperiode soll es gehen, sondern um geschichtliche Zeithorizonte. Osterhammel ist Spezialist für Globalgeschichte, Weltgeschichte. Das sind die Dimensionen, in denen hier gedacht werden soll.

Freitag, 4. Juli 2014

Flüchtlinge als Hausbesetzer in Berlin-Kreuzberg

"Bezirksstadtrat Hans Panhoff (Grüne) hat am Donnerstag sein Vorgehen in den Verhandlungen um die von Flüchtlingen besetzte Schule verteidigt. Das Ergebnis gebe ihm Recht, sagte Panhoff.
"Die Räumung anzukündigen war richtig, weil sie Druck erzeugt hat, die Verhandlungen ernsthaft zu führen", sagte Panhoff. In seiner Partei war Panhoff für seine Räumungsabsichten stark kritisiert worden. Er sei getrieben worden durch das Ultimatum des Polizeipräsidenten, seine Kräfte abzuziehen, wenn sich nichts tue.Er sei erleichtert, dass man eine Lösung gefunden habe, bei der niemanden auch nur der "kleine Finger gekrümmt" worden sei." [...]
Prominente Kulturschaffende aus ganz Deutschland haben in einem offenen Brief an die Politik einen umfassenden Schutz für vertriebene und verfolgte Menschen gefordert. "Es erfüllt uns mit Scham, dass wir in Deutschland erneut an den Begriff der historischen Verantwortung erinnern müssen", heißt es in dem Schreiben, das am Donnerstag veröffentlicht wurde.
Zu den 80 Erstunterzeichnern gehören die Theatermacher Claus Peymann, Johan Simons, Shermin Langhoff und René Pollesch, die Choreografin Sasha Waltz sowie die Schauspieler Kurt Krömer und Lars Eidinger. (Berliner Morgenpost, 3.7.14)
 Ich bedaure, dass in dem offenen Brief und dem Aufruf von Change.org keine Darstellung des Vorgangs gegeben wird, der zum Anlass des Briefes wurde.

Sieh auch:
ZEIT online zum selben Vorgang, 2.7.14
darin:
"In dem mehrstöckigen Schulgebäude lebten seit Dezember 2012 rund 200 Flüchtlinge und Obdachlose unter menschenunwürdigen Bedingungen. Auch Drogendealer kamen in das Gebäude, es kam immer wieder zu Gewalt. Kürzlich wurde ein Mann bei einem Messerangriff getötet."
ZEIT zu Cuvry-Brache, 4.7.14

Dienstag, 1. Juli 2014

Zur Situation in der Ukraine festgehalten:

Grundlegende Überlegungen:

Jens Jessen: Teufelspakt für die Ukraine. Schon in den Weltkriegen setzte sich Deutschland für die Unabhängigkeit des Landes ein. Das macht Russland misstrauisch, ZEIT, 27.3.14

Meine weiteren Blogartikel zum Thema

Freitag, 27. Juni 2014

Wie Assad und der Westen den islamistischen Terror von Isis gefördert haben und fördern

Wie Assad und der Westen den islamistischen Terror von ISIS gefördert haben und fördern, beschreibt Navid Kermani in der ZEIT Nr.27 vom 26.6.14 auf den Seiten 43 und 44.
"Wie man heute weiß, kauft Assad Isis sogar Öl ab, um den extremsten Teil der eigenen Opposition zu finanzieren." So Kermani, S.44.
Kermani über den Irakkrieg:
"Der Krieg hat erschreckend genau die Vorstellungen derer bewahrheitet, die ihn abgelehnt hatten. Im Zentrum der arabischen Welt, nahe an Europa und noch näher an Israel, hat der Dschihadismus [...] ein [...] finanziell lukratives Aufmarschgebiet geschenkt bekommen - und mit Abu Ghraib und den amerikanischen Ölgeschäften neue Gründe, den Westen zu hassen, noch gratis dazu." (S.44)
Kermani spricht aus, dass George W. Bush und die, die ihn für ihre Interessen benutzt haben, lebenslänglich hinter Gitter gehörten. 
Ich füge hinzu, dass Obama Schlimmeres verhütet hat, aber eine tragische Figur bleibt, wenn nicht durch ein Wunder trotz Drohnen und dem seit 1917 hoffnungslos verfahrenen Nahostkonflikt irgendwie Vereinigte Arabische Staaten entstehen, in denen Palästinenser wie Israelis zum Präsidenten gewählt werden können. 
Ein arabischer Traum.

(wird ergänzt, wenn der volle Wortlaut des Artikels online gestellt werden sollte) 

Zusatz 20.11.15
US-Senator an den syrischen Präsidenten Assad: Krieg gegen Syrien war ein gesetzloser Aggressionskrieg
Brief des US-Senators von Virginia, Richard Black, an den syrischen Präsidenten am 14.11.2015

In diesem Brief schrieb Richard Black:
„Ich war erfreut über das militärische Eingreifen der Russen gegen die Armeen, die Syrien überfallen haben. Mit Unterstützung der Russen geht die syrische Armee effektiv gegen die Terroristen vor. Auch war ich erfreut, dass die syrische Armee einen Sieg über die ISIS auf dem Flughafen Kuwairs errungen hat. Mein Kompliment, dass durch diese heroische Tat 1000 tüchtige syrische Soldaten vom sicheren Tod gerettet wurden. Ich bin überzeugt, dass noch viele solcher Siege bevorstehen.“ Der Senator fügte hinzu, dass der Krieg gegen Syrien nicht von Unruhen innerhalb Syriens hervorgerufen wurde, indem er unterstrich: „Es war ein ungesetzlicher Aggressionskrieg ausländischer Mächte, um mit Gewalt eine Marionettenregierung in Syrien zu errichten ! General Wesley Clark, der ehemalige Oberkommandierende der Alliierten in Europa, enthüllte, dass die westlichen Länder seit dem Jahre 2001 Pläne entwickelt hatten, um Syrien zu überfallen. Doch auch nach 15 Jahren militärischer Subversion der NATO, Saudi Arabiens und Katars konnte kein anderer Führer gefunden werden, der umfangreiche Unterstützung im syrischen Volk genießt. [...]

Donnerstag, 12. Juni 2014

NSA nahm sich Stasi zum Vorbild

Für die NSA hätte es die Möglichkeit gegeben, Verdächtige zu überwachen, ohne die Grundrechte unbeteiligter Bürger zu verletzen. So stellt es der ehemalige NSA-Mitarbeiter Thomas Drake im Interview mit der FR vom 10.6.14 dar:
 „Wir müssen alles wissen“ war das Motto der Stasi, nun will das auch die NSA. Ginge es wirklich darum, die relevante Nadel im Heuhaufen zu finden, hätte sie diese Möglichkeit gehabt: Die besten Programmierer, die die NSA je hatte, hatten eine Software namens „ThinThread“ entwickelt. Sie konnte die Datenflut auswerten, ohne Datenschutz, Bürgerrechte und Privatsphäre zu verletzen.
Sie waren damals Abteilungsleiter für Software-Entwicklung. Warum wurde „ThinThread“ nicht eingesetzt, sondern die Massensammlung, die Snowden dann enthüllte?Ich wollte „ThinThread“, aber die NSA-Führung zahlte stattdessen lieber vier Milliarden Dollar an private Rüstungsfirmen für ein anderes Programm: „Trailblazer“. Es saugte wahllos alles auf und verletzte so standardmäßig die Privatsphäre völlig unschuldiger Bürger – zuerst in den USA, später im Ausland. Auch in Deutschland. Dabei funktionierte es nicht einmal. Ich kenne keinen Terrorplan, den es aufgedeckt hätte. [...] (FR 10.6.14)
Drake versuchte damals auf dem vorgeschriebenen Weg vor den Grundrechtsverletzungen zu warnen.
Auf Befragen trug er seine Bedenken auch im Kongress vor.
Das führte nur dazu, dass man ihm den Prozess machte und ihm eine lebenslängliche Freiheitsstrafe androhte.
Wegen dieser Erfahrung hatte Snowden einen zwingenden Grund, weshalb er sich handfeste Beweise für die Grundrechtsverletzungen sicherte, bevor er auf die Verstöße aufmerksam machte.
Dazu Drake im Interview:
Und Sie versuchten dennoch, „Trailblazer“ und „Stellarwind“ zu verhindern – gegen die NSA-Spitze?Mir war anfangs nicht klar, dass die NSA-Führung die Grundrechtsverletzungen bewusst in Kauf nahm. Aber Sie wollte offensichtlich nicht eingestehen, dass sie versagt hatte, 9/11 zu verhindern. So nutzte sie die Anschläge dazu, für Milliarden aufzurüsten und die Verfassung zu brechen. Ich warnte auch das Verteidigungsministerium und den zuständigen Kongress-Ausschuss. Daraufhin wies mich der Chefjurist der NSA an, keine Fragen mehr zu stellen: „Das Programm ist vom Weißen Haus genehmigt.“
Wie reagierten die Kongress-Abgeordneten, die die Geheimdienste eigentlich kontrollieren sollen?Gar nicht. Ein Jahr später habe ich dann noch einmal als Zeuge des Untersuchungsausschusses zum 11. September mein Wissen und meine Bedenken ausgebreitet. Heute weiß ich, dass meine Aussage nicht einmal in die offiziellen Akten einging. Stattdessen warnte mich mein Vorgesetzter, die NSA suche nach Lecks. Wohlgemerkt, wegen Informationen an den Kongress!
Wenn Präsident Obama also sagt, Snowden hätte seine Bedenken auf formalem Weg melden müssen, statt Dokumente illegal weiterzugeben…Dann ist das pure Heuchelei. Ich habe meine Bedenken genau gemäß Whistleblower-Schutz-Gesetz innerhalb der Kommandokette gemeldet und nichts Geheimes nach draußen gegeben. Das führte nur dazu, dass sie mich fortan auf dem Kieker hatten. Als die „New York Times“ 2005 erstmals schrieb, dass die NSA massenhaft US-Telefonverbindungen ohne Gerichtsbeschluss ausspäht, verdächtigte man mich – zu Unrecht – als Quelle und ermittelte geheim gegen mich. Als ich im Februar 2006 tatsächlich anonym Kontakt zu einer Reporterin aufnahm, stürmte wenig später das FBI mein Haus. Das Justizministerium klagte mich an, ich sollte lebenslang ins Gefängnis. Kurz: Ich verstehe, warum Snowden so handelte. Er hat meinen Fall studiert und wollte nicht enden wie ich. (FR 10.6.14)

Mittwoch, 11. Juni 2014

SIMULATION VON DEMOKRATIE

Handelskommissar de Gucht hatte groß angekündigt, eine öffentliche "Konsultation" rund um die umstrittenen Investor-Staats-Streitschlichtungsverfahren zu beginnen. Seit Ende März ist die entsprechende Seite online. Wir halten das Verfahren allerdings für ein durchschaubares Ablenkungsmanöver. (EU-KOMMISSION: DIE SIMULATION VON DEMOKRATIE10.6.14)
So weit der Bericht von attac.  Die breite Öffentlichkeit bleibt ohnehin von dieser Konsultation ausgeschlossen. Denn sie nimmt erst das Ergebnis wahr. 
Wer sucht sich schon auf der Kommissionsseite zur Konsultationsseite und von dort zu dieser Seite durch?


Handel: 27.03.2014 – 06.07.2014
Online-Konsultation zu den Modalitäten des Investitionsschutzes und der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) im Rahmen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)

Wenn man dort angelangt ist, kann man weitere Informationen suchen, um Übersetzung ins Deutsche bitten und gelangt so zu dieser Seite.

Dort werden folgende Hinweise zum Ausfüllen gegeben:
Hinweise zum Ausfüllen des Fragebogens

Angesichts des Umfangs dieser Konsultation empfehlen wir Ihnen nachdrücklich, die Konsultationsankündigung und das Konsultationsdokument auszudrucken und Ihre Antworten vor dem Ausfüllen des Fragebogens offline vorzubereiten.

Es ist technisch nicht möglich, Ihre Antworten im Fragebogen zu speichern und später darauf zurückzukommen.  Bei Ihrer Online-Sitzung haben Sie 90 Minuten für Ihre Antworten. 

Die Länge Ihrer einzelnen Antworten ist auf 4000 Zeichen (einschließlich Leerzeichen), d. h. ca. 1,5 Seiten, begrenzt.
Die Frist für die Übermittlung der Antworten beträgt drei Monate ab dem Zeitpunkt, zu dem die Konsultation in allen EU-Amtssprachen zur Verfügung steht.  Die Frist wird auf der Website zur Konsultation entsprechend aktualisiert.

Wer jetzt noch nicht abgeschreckt ist, erfährt:
Um die Offenheit und Transparenz unserer Konsultation sicherzustellen, wird auf der Website der GD Handel eine Liste der Namen aller Unternehmen/Organisationen veröffentlicht, die Beiträge eingereicht haben.

Bürgerinnen und Bürger, die als Privatpersonen auf die Konsultation antworten, können ankreuzen, ob ihr Name in dieser Liste veröffentlicht werden soll oder nicht.

Daneben werden wir die Beiträge der Unternehmen/Organisationen und Privatpersonen veröffentlichen, die der Veröffentlichung zustimmen. Bitte wählen Sie:

Wer zu den Fragen durchsteigen will, dem empfehle ich die Lektüre der Seite selbst. Nur ein Beispiel:
Erläuterung der Problematik

Der Geltungsbereich des Abkommens spiegelt eine Schlüsselfrage wider: Welche Art von Investitionen und Investoren sollten geschützt werden? Nach Auffassung der EU sollte der Investitionsschutz für die nach dem Recht des Gastlandes gesetzeskonformen Investitionen und Investoren gelten.

Ansatz der meisten Investitionsabkommen

In vielen internationalen Investitionsabkommen sind die Definitionen der Begriffe „Investor“ und „Investition“ breit angelegt.

Die Begriffsbestimmung für Investitionen ist zumeist absichtlich weit gefasst, weil Investitionen komplexe Vorgänge sind, die ein breites Spektrum von Vermögenswerten umfassen können, beispielsweise Immobilien, Maschinen und Ausrüstungen, Urheberrechte, Verträge und Lizenzen, Aktien und Anleihen sowie unterschiedliche Finanzinstrumente. Gleichzeitig beziehen sich die meisten bilateralen Investitionsabkommen auf Investitionen, die gesetzeskonform getätigt wurden. Dies hat sich bewährt und es den Gerichten in ISDS-Angelegenheiten erlaubt, Investoren den Investitionsschutz zu verweigern, die bei ihrer Investitionstätigkeit gegen das Recht des Gastlandes verstoßen haben, indem sie beispielsweise klare Verbote in diesem Recht umgangen oder Investitionen in betrügerischer oder korrupter Weise getätigt haben.

In vielen Investitionsabkommen bezieht sich die Definition des Begriffs „Investor“ ohne weitere Präzisierung einfach auf die natürliche oder juristische Person der anderen Vertragspartei. Dies hat es in einigen Fällen so genannten Briefkastenfirmen im Besitz oder unter Kontrolle von Rechtspersonen, die weder vom Abkommen geschützt werden sollten noch einer tatsächlichen Geschäftstätigkeit im betreffenden Land nachgingen, erlaubt, unter Berufung auf das Investitionsabkommen Forderungen vor einem ISDS-Schiedsgericht zu erheben.

Ziele und Ansatz der EU

Die EU möchte Missbrauch vermeiden. Dies wird in erster Linie durch eine bessere Definition des Begriffs „Investor“ erreicht, wodurch so genannte Briefkastenfirmen im Besitz von Angehörigen von Drittstaaten vom Geltungsbereich ausgenommen werden. Um als rechtmäßiger Investor einer Vertragspartei zu gelten, muss eine Rechtsperson wesentliche Geschäftstätigkeiten im Hoheitsgebiet dieser Partei unterhalten.

Gleichzeitig möchte sich die EU auf nachweislich bewährte Vertragspraxis stützen. Der Verweis auf gesetzeskonforme Investitionen ist ein Beispiel dafür, ein weiteres ist die Klarstellung, dass Investitionsschutz erst gewährt wird, wenn Investoren bereits Ressourcen in erheblichem Umfang im Gastland gebunden haben – und nicht schon in der Planungsphase.

Link zum Referenzdokument

Erst ganz zum Schluss - nach 12 Fragen - darf man seine ungelenkte Stellungnahme abgeben:






Viel Spaß beim Ausfüllen!