Dienstag, 19. April 2022

Russland beginnt Großangriff auf Ostukraine

 

Russische Truppen haben offenbar ihre Großoffensive gegen die Ostukraine gestartet: Nach ukrainischen Angaben gab es heftige Explosionen entlang der östlichen Frontlinie. Charkiw und andere Städte wurden mit Granaten beschossen. Die Schlacht um den Donbass habe begonnen, sagte der ukrainische Präsident Selenskyj. Kommentatoren verfolgen die Lage mit Besorgnis.

PROFIL (AT)

Nicht auf falschen Frieden setzen

Einen Teil der Ukraine abzuschreiben, wäre der falsche Weg, warnt Profil:

„Ein weitverbreiteter Irrtum besteht in der Annahme, dass die Offensive der russischen Streitkräfte im Osten der Ukraine bedeuten könnte, dass Putin sich mit der Eroberung des Ostens des Landes zufriedengeben könnte, und dass dann, endlich, Frieden möglich sei. Was für ein Frieden wäre das? Denkt jemand an die Bevölkerung der Ostukraine, an die Leute in Mariupol zum Beispiel, die in Hinkunft unter dem Regime des Mannes leben müssten, der ihre Stadt bombardieren und ihre Nachbarn und Verwandten niedermetzeln ließ? Oder wird man 'ukrainische Ukrainer' von russischstämmigen Ukrainern trennen, und Erstere dürfen in den Westen der Ukraine übersiedeln? Ethnische Säuberungen in Europa im Jahr 2022?“

Robert Treichler
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SABAH (TR)

Moskau hat die Initiative verloren

Russland ist nicht mehr tonangebend im Krieg, schreibt die regierungsnahe Sabah:

„Das strategische Ziel in einem Krieg ist es, den Kampfwillen des Gegners zu zerstören. Russland dachte, das sei sehr leicht zu erreichen, aber das war es nicht. Es konnte Kyjiw nicht einmal belagern, geschweige denn erobern. Weit davon entfernt, Selenskyj zu Fall zu bringen, hat es ihn zu einem Helden gemacht. Seither können die Russen nicht mehr selbst entscheiden, wie dieser Krieg ausgehen wird. ... Ganz im Gegenteil arbeitet die Zeit wegen der wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland. Die Ukraine hingegen erhält von Tag zu Tag mehr Unterstützung. Daher ist es von nun an besser, auf das zu schauen, was der Westen und Selenskyj tun, als auf das, was Russland tut. Die Russen haben einen Krieg begonnen, aber die Initiative verloren.“

Hasan Basri Yalçın
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E-VESTNIK (BG)

Putin hat nichts zu gewinnen

Russland sollte aus der Geschichte lernen und einsehen, dass es sich so schnell wie möglich zurückziehen sollte, rät e-vestnik:

„Selbst wenn Putin Kyjiw einnehmen würde, hätte er nichts gewonnen. Er kann Selenskyj nicht töten oder verhaften lassen, denn er muss eines Tages einen Friedensvertrag mit jemandem unterzeichnen. ... Es ist unmöglich, ein riesiges Land wie die Ukraine dauerhaft zu besetzen. ... Putin muss verstehen, dass es für ihn besser ist, den Krieg so früh wie möglich zu beenden. Es gibt bereits historische Beispiele: Afghanistan (mit Beteiligung sowjetischer Truppen [ab 1979]) und Vietnam (mit Waffenhilfe für die Vietnamesen). Es waren keine erfolgreichen Kriege für den Aggressor und sie haben Russland geschadet - wirtschaftlich, außenpolitisch, innenpolitisch und gesellschaftlich.“

Ivan Bakalov
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DER STANDARD (AT)

Brüssel braucht eine Doppelstrategie

Neben Waffenlieferungen und Wirtschaftssanktionen müssen auch die diplomatischen Kanäle offengehalten werden, erinnert Der Standard:

„Das Szenario heute: Putin wird den Krieg weder gewinnen noch verlieren. Es bleibt ein eingefrorener Konflikt, als Ausweg die Rückkehr zur Diplomatie. Von einem 'Kalten Frieden' spricht der frühere SPD-Außenminister Sigmar Gabriel: Auf Dauer könnten Panzer und Raketen Außenpolitik und Diplomatie nicht ersetzen. Die EU muss Moskau daher eine klare Botschaft zukommen lassen: Wir legen bei Wirtschaftssanktionen und Waffenlieferungen kräftig nach, sind aber auch bereit zum Gespräch über politische Lösungen. Vorbedingung ist ein Waffenstillstand. Die EU braucht eine realistische Doppelstrategie.“

Thomas Mayer
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DELFI (LT)

Taktische Fehler

Für Delfi gibt es genug Beweise der Schwäche der russischen Armee und Gründe zu spotten:

„Womit hattet ihr vor, gegen die Nato zu kämpfen, wenn ihr sogar die Fernfliegerkräfte [Bestandteil der russischen Luftstreitkräfte] gegen eine Gruppe tapferer, aber erschöpfter Ukrainer, die fast ohne Lebensmittel, Wasser und Munition schon die achte Woche Widerstand leisten, einsetzen müsst? Die Bomber Tu-22M3 der Fernfliegerkräfte in den Einsatz gegen Azov zu bringen, war der zweite große taktische Fehler und ein noch größerer psychologischer Sieg der Ukraine gegen den Aggressor Russland in einer Woche. Vielleicht auch der dritte, weil der Generalstab Russlands mit seinen kindischen Lügen über das Versenken der Moskva die Russen dazu zwingt, die Scham noch einmal und noch einmal zu erleben.“

Rimvydas Valatka
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Russland beginnt Großangriff auf Ostukraine
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Deutschland streitet über Waffenlieferungen

Während sich im Osten der Ukraine die Lage dramatisch zuspitzt, hat Bundeskanzler Scholz finanzielle Unterstützung versprochen, nicht aber die von Kyjiw geforderten schweren Waffen. Das geht vielen nicht weit genug. Andere sehen die Gefahr, dass Deutschland durch Waffenlieferungen zur weiteren Eskalation beitragen und selbst zur Kriegspartei werden könnte. Europas Presse diskutiert über verantwortungsvolle Entscheidungsoptionen.

TAGEBLATT (LU)

Kampf der Ukrainer muss unterstützt werden

Deutschland sollte seine Zurückhaltung aufgeben, meint das Tageblatt:

„Im Dezember 2002 hat der damalige deutsche SPD-Verteidigungsminister Peter Struck den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan mit dem Satz begründet: 'Die Sicherheit der BRD wird auch am Hindukusch verteidigt.' Derzeit wird die Sicherheit Deutschlands, aber auch jene der baltischen Länder, Polens und aller anderen EU-Staaten in der Ukraine verteidigt. Das gilt, darüber besteht Einigkeit, ebenso für unsere demokratischen, freiheitlichen politischen Systeme, die dem russischen Präsidenten ein Dorn im Auge sind. Diesen Kampf führen einzig und allein die Ukrainer. Sie sollten daher die Unterstützung erhalten, die sie dafür brauchen.“

Guy Kemp
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FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (DE)

Jedes Druckmittel nutzen

Putins Androhung einer Reaktion sollte den Westen nicht beeindrucken, findet die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Seine Armee steckt in der Ukraine fest, eine Ausweitung des Krieges nach Westen dürfte ihn überfordern. Aber selbst wenn man dieses Risiko ernst nimmt, lassen sich die Waffenlieferungen als Druckmittel gegen Russland einsetzen. Wenn Putin keine schweren Waffen aus dem Westen in der Ukraine sehen will, dann sollte man dafür Zugeständnisse von ihm verlangen: eine Waffenruhe etwa und Verhandlungen über einen Abzug. Wenn der Westen, allen voran Washington, wirklich möchte, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnt, dann muss man solche Hebel jetzt nutzen.“

Nikolas Busse
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