Deutschland will ab kommender Woche Kontrollen an allen Grenzen einführen. Als Gründe führte Innenministerin Nancy Faeser an, die irreguläre Migration beschränken und den Schutz vor Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität verstärken zu wollen. Auch "europarechtskonforme Zurückweisungen" sollen ermöglicht werden. Europas Presse debattiert die internationalen Konsequenzen.Wie kopflose Hühner
Die EU-Regierungschefs handeln panisch, kritisiert Le Soir:
„Mit solchen Regierungen braucht man keine extreme Rechte an der Macht: Die Spitze der AfD hat es sich nicht nehmen lassen, über die Demokraten zu spotten, die endlich die Politik umsetzen, 'die wir seit zehn Jahren fordern'. Der Europäische Migrationspakt – der weit davon entfernt ist, perfekt zu sein, aber eine gerechte Umverteilung von Geflüchteten zwischen den Aufnahmeländern organisiert – wurde, kaum dass er beschlossen war, bereits wieder verworfen. Der Druck der Wahlen und die Angst vor extremen Kräften lassen die Regierenden wie kopflose Hühner umherirren, wobei der Migrant als Ventil dient.“
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Das Maß ist voll
Die unkontrollierte Migration hat das Potenzial, die EU zu zerreißen, meint Die Presse:
„Als europäischer Musterstaat hat Deutschland jahrelang mitgespielt. Doch das Maß ist nun voll. Der Terroranschlag von Solingen ... markiert eine tiefe Zäsur in der Bundesrepublik. ... Wenn Deutschland dicht macht oder mit effizienten Blitzverfahren direkt an der Grenze Drehtüren für Migranten errichtet, ist mit einem Dominoeffekt zu rechnen, der sich bis an die EU-Außengrenze fortsetzen könnte. ... Sollte sich Deutschland schlitzohrig über EU-Recht hinwegsetzen, wäre der Preis hoch: Dann machen erst recht alle, was sie wollen. Zu warten, bis die extreme Rechte ganz Europa regiert, ist indes auch keine Option. Es muss etwas geschehen. Die irreguläre Migration überfordert Europas Gesellschaften.“
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Das schwächt nur die EU
Die taz befürchtet einen gefährlichen Domino-Effekt:
„Bei keinem Thema ist die Zündschnur so kurz. Österreich hatte im vergangenen Jahr mehr oder weniger klag- und geräuschlos über 12.000 Zurückgewiesene aus Deutschland akzeptiert, nun, im Wahlkampf, nach dem Gepolter aus Berlin, soll damit Schluss sein. Und dann? Andere Staaten dürften sich an dem Gebaren ein Vorbild nehmen. Die Folge kann eine Kaskade von Grenzschließungen und Zurückweisungen, bis zu den Außengrenzen, sein – wo dann tatsächlich Chaos ausbricht und der Groll auf die EU-Partner weiter wächst. ... Schaukelt sich die Stimmung in der EU so an der Flüchtlingsfrage weiter hoch, schwächt das die EU fraglos weiter. Die Zeit dafür könnte bekanntermaßen kaum schlechter sein.“
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Die Ära Merkel in Trümmern
Tygodnik Powszechny schreibt:
„Die Grundlagen der Politik, die Angela Merkel in den letzten 20 Jahren verfolgt hat, liegen in Trümmern. Die Beziehungen zu Russland wurden am Tag des russischen Einmarsches in der Ukraine beendet. Der aktuelle CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will die Grenzen schließen, die Merkel 2015 weit geöffnet hat. Und die Hiobsbotschaften von VW zwingen dazu, das deutsche Wirtschaftsmodell zu hinterfragen. Doch die Probleme, mit denen Deutschland konfrontiert ist, sind auch die des ganzen Kontinents. Sie sind die Probleme der polnischen Grenzen, die von jeder Änderung der Migrationspolitik in Berlin betroffen sind. Sie sind die Probleme polnischer Zulieferer und Fabriken, die von Aufträgen deutscher Konzerne leben. Sie sind die Probleme der polnischen Militärstrategie, sollten die Deutschen beginnen, ihre Unterstützung für Kyjiw zurückzufahren.“
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Das Ende des freien Reisens
Die dänische Regierung hat seit vielen Jahren Grenzkontrollen immer wieder mit unterschiedlichen Begründungen durchgeführt. Die deutsche Entscheidung wird das zementieren, fürchtet der Nordschleswiger:
„Offiziell sind die [angekündigten deutschen Grenzkontrollen] zwar auch temporär, aber im Endeffekt bedeutet die Ankündigung das Ende des freien Reisens quer durch die Europäische Union. ...Und ab jetzt wird es heißen: Schließlich kontrolliert Deutschland ja auch. ... Sicherlich werden die einen oder anderen Kontrollen nicht verlängert werden, aber irgendwo wird mit Sicherheit kontrolliert werden – und an der deutsch-dänischen Grenze zumindest von dänischer Seite auf alle absehbare Zeit.“
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Asylrecht muss grundsätzlich überdacht werden
Für die Neue Zürcher Zeitung gehen Grenzkontrollen nicht weit genug:
„Deutschland muss massiv die Zahl der Ausschaffungen und hierfür den diplomatischen Druck auf Länder erhöhen, die sich bei der Rücknahme ihrer Staatsbürger unkooperativ zeigen. Die Zahlen gehen jüngst zwar in die richtige Richtung, aber sie reichen bei weitem noch nicht aus. Ausreisepflichtige Ausländer sollten ausserdem keine staatlichen Leistungen mehr erhalten oder allenfalls das rechtlich zwingende Minimum. Vor allem aber müsste die Regierung in Berlin bereit sein, auf europäischer Ebene eine Reform des individuellen Rechts auf Asyl voranzutreiben. Es stammt aus einer anderen Zeit. Heute wirkt es nicht nur, aber vor allem in der Bundesrepublik staatsgefährdend.“
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