Dienstag, 22. November 2022

euro|topics: Was taugt die COP27-Abschlusserklärung?


Nach 36-stündiger Verlängerung ist die 27. Uno-Klimakonferenz mit einer gemeinsamen Abschlusserklärung zu Ende gegangen. Ein Entschädigungsfonds soll ärmeren Staaten helfen, die Folgen der Erderhitzung abzufedern. Ein Abschied von Öl und Gas wird dagegen nicht erwähnt. Uno-Generalsekretär António Guterres und EU-Vize Frans Timmermans zeigten sich enttäuscht. Europas Presse schließt sich mehrheitlich an.

DE VOLKSKRANT (NL)

Symptombekämpfung ist Kapitulation

De Volkskrant ist ernüchtert:

„Arme Länder haben am wenigsten zur Klimaveränderung beigetragen, sind aber am stärksten gefährdet. Dass reiche Länder dieses jetzt endlich anerkennen, ist in jedem Fall ein moralischer Fortschritt. ... Zugleich ist diese Anerkennung auch eine Art Kapitulation. Das Stoppen der Erwärmung wird jedes Jahr schwieriger, während die Dringlichkeit größer wird. Der Gipfel hat in diesem Jahr nicht zu neuen konkreten Absprachen geführt, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. Offensichtlich ist die Idee jetzt: Ja, für die Erde beginnt eine neue Phase, und ja, der Schmerz wird dabei ungleich verteilt sein, und das einzige, was wir tun können, ist, die Folgen ein wenig auf gerechte Weise zu lindern.“

Michael Persson
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DE MORGEN (BE)

Kniefall vor der Öl-Lobby

De Morgen beklagt die Schwäche der EU:

„Der Klimagipfel ist eingeknickt unter dem Druck großer Öl- und Gasproduzenten und -konsumenten wie Saudi-Arabien, China und Russland. Durch die hohen Energiepreise hatte die EU diesmal auch weniger politischen Spielraum. Jetzt strengere Ausstoßnormen aufzuerlegen, hätte sicher zu neuen Preiserhöhungen geführt. Das will im Kampf gegen die Inflation auch der Westen vermeiden. ... Solche schmerzhaften Kniefälle können vermieden werden, wenn Europa endlich seinen großen Schwachpunkt beseitigt: das Fehlen einer politischen und wirtschaftlichen Energie-Union. Ohne Einstimmigkeit bei klimafreundlicher Energie werden unsere Meinungsverschiedenheiten auch auf den nächsten Klimagipfeln gnadenlos ausgenutzt.“

Maarten Rabaey
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LE TEMPS (CH)

EU kann Führungsrolle behalten

Dass die Europäische Union ihren Widerstand gegen den Fonds aufgab, hat am Ende für einen kleinen Lichtblick gesorgt, freut sich Le Temps:

„Die COP27 wird die rasante Entwicklung des Klimawandels nicht rückgängig machen können. Doch anstatt sich über eine magere Bilanz zu ärgern, die bereits vor Beginn des Treffens in Scharm el-Scheich befürchtet wurde, sollten wir das kleine Licht am Ende des Tunnels sehen, das sich am Samstagabend zeigte. … Durch die Bereitschaft, eine Position zu überdenken, die viele für unflexibel hielten, verweist die Europäische Union (EU) auf die führende Rolle, die sie bei einer der größten Herausforderungen des Jahrhunderts spielen kann.“

Aline Bassin
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THE GUARDIAN (GB)

Kleine Gremien statt Großkonferenzen

Die UN-Klimakonferenz ist in ihrer derzeitigen Form gescheitert, klagt Klimaforscher Bill McGuire in The Guardian:

„Es braucht ein Format, das weniger schwerfällig und besser lenkbar ist - eines, das schlanker ist und sich voll auf die kritischsten Aspekte der Klimakrise konzentriert. Es sollte seine Arbeit abseits der medialen Öffentlichkeit verrichten und keinen derart offensichtlichen Honigtopf für die fleißigen Bienen des fossilen Brennstoffsektors darstellen. Eine Option könnte sein, eine Reihe kleinerer Gremien ins Leben zu rufen, die sich jeweils mit einem der Schlüsselthemen befassen – insbesondere Energie, Landwirtschaft, Abholzung, Transport, Schäden sowie sich daraus ergebende Schadenersatzansprüche.“

Bill McGuire
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BERLINER ZEITUNG (DE)

Es stellt sich die Systemfrage

Ob man solche Entscheidungen überhaupt auf demokratischem Weg treffen kann, fragt sich die Berliner Zeitung:

„Wäre nicht mehr Radikalität nötig? Wäre nicht eine 'gute Ökodiktatur' sinnvoll, um den Weltuntergang zu verhindern? ... Andere sagen: Wir brauchen endlich echten Ökokapitalismus, einen knallharten Wettbewerb für die besten technischen Klimalösungen und einen weltweiten Markt ... . Es wird also mal wieder die Systemfrage gestellt, und der Ausgang der Debatte ist offen. ... Die meisten wissen zwar, dass das ewige kapitalistische Versprechen von Wohlstand und Wachstum eigentlich längst an seine Grenzen gekommen ist und dass Verzicht unverzichtbar ist. Aber die ganze Wirtschaft ist auf Wachstum angelegt, und kaum eine Partei kann Wahlen mit dem Motto gewinnen: Verzicht ist geil.“

Jens Blankennagel
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