Mittwoch, 16. November 2022

Imperiale Lebensweise

Stephan Hebels Artikel "Die „Letzte Generation“ in Zeiten imperialer Bequemlichkeit" in der FR vom 16.11, 22 (online schon seit dem 15.11.) verdanke ich den Hinweis auf den Ausdruck "Imperiale Lebensweise", den die beiden Politikwissenschaftler "Ulrich Brand und Markus Wissen in die internationale politische Diskussion eingeführt und durch ein 2017 erschienenes gleichnamiges Buch systematisch ausgearbeitet".(Wikipedia) haben.

Er trifft unsere Lebenssituation in Deutschland: Wir benutzen wie selbstverständlich Handys/Smartphones, die wir uns nicht leisten könnten, wenn alle Teile zu deutschen Löhnen hergestellt worden wären, und die aus Materialien bestehen, deren Abbau nur unter große Gesundheitsgefährdung möglich ist und deren Entsorgung  wir lieber ins Ausland verlegen, weil sie bei Einhaltung deutsche Sicherheitsvorschriften zu teuer käme. 

In der Sprache der Politologen gesagt: Eine "imperiale Produktionsweise ist eine Produktionsweise, bei der Ressourcen (Rohstoffe wie Erdöl und Land, aber auch Arbeitskraft) aus dem Süden ausgebeutet (extrahiert), überwiegend im Norden verbraucht und über die Senken des Südens wieder entsorgt werden" (Wikipedia).

Vor uns selbst rechtfertigen können wir das nur, weil wir die konkreten Produktionsverhältnisse nicht kennen, so wie die meisten von uns über die Produktionsweise von Wurst erst nachdenken, wenn wieder einmal von Gammelfleisch die Rede ist, und oft nicht einmal dann.

Gerade im Zusammenhang mit der Klimakrise wird die Ungerechtigkeit, ohne die so eine Lebensweise gar nicht denkbar wäre, deutlich.

Im Zusammenhang mit dem Anstieg des Meeresspiegels formuliert Michael Taylor: 

"Mit wenigen Ausnahmen leisten kleine Inseln den geringsten Beitrag zum Klimawandel. Aber sie tragen die Hauptlast der Folgen". (G. Thunberg: Das Klimabuch, S.185)

Noch deutlicher wird die globale Ungerechtigkeit unter folgendem Gesichtspunkt: Die Gewinner der Industriellen Revolution (die traditionellen Industrieländer) haben - wenn auch nichtsahnend - den Klimawandel durch die Verwendung fossiler Energien ausgelöst, können sich aber wegen ihrer finanziellen und technologischen am ehesten vor den Folgen schützen und liegen außerdem in den gemäßigte Zonen, wo eine Erwärmung weniger schädlich, nicht selten sogar erwünscht ist. Dagegen die Verlierer dieser Revolution (Kolonialismus, Sklavenhandel, Imperialismus, Terms of Trade) leben überwiegend in den heißen Regionen.

Natürlich ist das sehr pauschal formuliert und müsste differenziert dargelegt werden, aber die doppelte Benachteiligung, die sich für große Teile der Weltbevölkerung ergibt, ist offensichtlich, sobald man die Verhältnisse einmal vorurteilsfrei ins Auge gefasst hat. Dabei braucht man nicht einmal zu berücksichtigen, ob es auch einen Umweltrassismus gibt, der schon seit 1987 im Gespräch ist. (vgl. hierzu auch G. Thunberg: Das Klimabuch, S.175-177)


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