Dienstag, 7. April 2020

euro|topics: Internationale Diskussion zu Corona

Boris Johnson auf der Intensivstation
Der an Covid-19 erkrankte britische Premier Boris Johnson ist am Montagabend auf die Intensivstation verlegt worden. Der Gesundheitszustand des 55-Jährigen habe sich verschlechtert, hieß es in einer Erklärung. Johnson sei fahrlässig mit der Bedrohung durch das Coronavirus umgegangen und habe damit nicht nur sich selbst, sondern auch sein Land in Gefahr gebracht, urteilen Medien.
LA STAMPA (IT)

Große Reden lassen das Virus kalt

Dass er Winston Churchill nacheiferte, kommt Boris Johnson jetzt teuer zu stehen, erklärt La Stampa:
„Vor einigen Jahren schrieb er ein Buch mit dem Titel 'Der Churchill-Faktor', in dem er an die Jahre des Zweiten Weltkriegs erinnerte und mit Neid darüber sprach, wie Churchill seinerzeit das Land vereinte und durch immense Opfer zum Sieg führte. Johnson hält sich in der Tat für den Erben dieser Geisteshaltung, er hat sie in Reden zum Brexit verwendet, in Slogans wie 'Get Brexit done'. ... Dann kam das Coronavirus, die größte Bedrohung für das Wohlergehen und den Frieden des Landes seit dem Ende des Krieges. Was hätte Churchill getan, wird sich Boris Johnson gefragt haben und versucht, ihm nachzueifern. Doch er unterschätzte und verspottete einen Feind, den die Rhetorik kalt lässt.“
Vittorio Sabadin
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PROTAGON.GR (GR)

Eine politische Tragödie

Es ist eine tragische Entwicklung, findet Protagon:
„Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Debatte nicht angemessen, ob es etwas mit Karma zu tun hat, weil Johnson die Gefahr der Epidemie erst unterschätzte, sich weigerte, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen und die viel diskutierte Theorie der 'Herdenimmunität' anwendete. Es ist jedoch ein unheilvolles Zeichen für eine politische Tragödie von nationalem Ausmaß, dass er derjenige war, der den Briten mit einer Portion Zynismus sagte, sie sollten bereit sein, ihre Geliebten zu verlieren. 24 Stunden nach der aufmunternden Rede der Queen befindet sich Großbritannien inmitten einer beispiellosen Gesundheitskrise und einer weiteren politischen Erschütterung, da noch nie in der modernen Geschichte ein britischer Premier in einer so schwachen Position war.“
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RIA NOWOSTI (RU)

Symptom angelsächsischer Überheblichkeit

Ria Nowosti hält Johnsons Erkrankung für eine Folge von Inkompetenz und PR-Geilheit:
„Die Fähigkeit, gute Miene zu machen, ist in den führenden Nationen weit stärker ausgeprägt als die Fähigkeit, richtig zu handeln. ... Es sei daran erinnert, dass es die USA und Großbritannien vor Anbruch der Pandemie noch schafften, sich auf die beiden Spitzenplätze eines globalen Ratings zur Seuchenabwehr zu setzen (China kam auf Platz 47). Doch dann kam der Moment der Wahrheit - und die hochzivilisierten Spitzenreiter stehlen sich mit Kriegsgeheul und Gejammer über Piraterie gegenseitig Schutzmasken, die im zurückgebliebenen China genäht werden. Ihre Infektionszahlen galoppieren davon und ihre besonders sorglosen Anführer bringt man ins Krankenhaus. Aber ihre PR-Maschinen grinsen weiter übers ganze Gesicht, strahlen Zuversicht aus und beteuern: 'Alles unter Kontrolle'.“
Viktor Marakhovsky
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RTE NEWS (IE)

Jetzt fehlt ein Vizepremier

Der Ausfall Boris Johnsons offenbart eine strukturelle Schwäche des britischen politischen Systems, analysiert RTE News:
„Die Arbeitsunfähigkeit Boris Johnsons wird das britische politische System auf die Probe stellen. Formell trifft das Kabinett kollektiv Entscheidungen, und der Premier ist ein 'Primus inter pares'. Theoretisch sollten die anderen Regierungsmitglieder also einfach die Arbeit weitermachen. Aber natürlich hat das Amt des Regierungschefs im Laufe der Jahrhunderte viel politisches Gewicht hinzu gewonnen. Er steuert eindeutig die Regierungsgeschäfte. Weil es keinen stellvertretenden Premier oder Vizepräsidenten gibt, muss das politische System jetzt improvisieren - und hoffen, dass sich der Premier bald erholt.“
Sean Whelan
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Boris Johnson auf der Intensivstation
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Ja oder nein zu Coronabonds?
Am heutigen Dienstag beraten die EU-Finanzminister erneut über die Einführung gemeinsamer Euro-Anleihen, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise abzufedern. Italien und Spanien sind starke Verfechter dieser Coronabonds, Deutschland und die Niederlande lehnen sie bislang ab. Kommentatoren warnen davor, dass die EU an dieser Frage zerbrechen könnte.
ADEVĂRUL (RO)

Deutschland sprengt die Gemeinschaft

Deutschland missbraucht die EU allein für seine Zwecke, klagt Traian Ungureanu, Journalist, rumänischer Politiker und ehemaliger EU-Parlamentarier, auf dem Blogportal der Tageszeitung Adevărul:
„Wenn die EU ihren Zweck und ihre Macht hätte beweisen wollen, dann wäre die Epidemie der zwingende Anlass gewesen. Aber nein! ... Die EU zeigte sich impotent und arrogant zugleich. Deutschland und seine Wohlstandssatelliten haben sich bissig geweigert, Italien und Spanien zu helfen. ... Eigentlich ist die EU nur eine Einrichtung, die auf Hochtouren läuft, um den starken Wirtschaftserfolg Deutschlands zu sichern und die in der Garage verschwindet, wenn die Wunden anderer Staaten verarztet werden müssen. Indem sich Deutschland und seine Satelliten weigern, der EU eine umfassende Bedeutung zu geben, erweisen sie sich als die erbittertsten Feinde einer echten Union.“
Traian Ungureanu
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TAGESSCHAU.DE (DE)

Es geht ums Überleben der EU

Das strikte Ablehnen von Corona-Bonds hält tagesschau.de für einen Fehler der Bundesregierung:
„Die Deutschen sollten zumindest auf den französischen Kompromiss-Vorschlag eingehen, der auf fünf oder zehn Jahre begrenzte gemeinsame, europäische Schulden ermöglicht. ... Diesmal geht es, wenn es schlecht läuft, um Überleben oder Untergang der ganzen EU: Reißt es Italien oder Spanien wirtschaftlich in den Abgrund, reißen sie Gesamteuropa gleich mit. Und damit auch Deutschland, das von diesem Europa so sehr profitiert wie niemand sonst. Die Bundesregierung kann jetzt den Beweis antreten, dass die EU wirklich eine Gemeinschaft ist, die schützt. Im Interesse Italiens, Spaniens - und dem eigenen.“
Kai Küstner
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DE TELEGRAAF (NL)

Geiz ist gut

Die Niederlande und Deutschland haben gute Gründe, dem Süden die Eurobonds zu verweigern, findet hingegen De Telegraaf:
„Der bekannte holländische Geiz zeigt sich auch bei der abweisenden Haltung gegenüber den südeuropäischen Ländern, die darum bitten, aus Solidarität den Geldhahn aufzudrehen. Es ist nicht wünschenswert, dass Ländern wie Italien und Spanien mit riesigen Schulden durch gemeinschaftliche Verpflichtungen geholfen wird. Dadurch bezahlen auch die Steuerzahler der sparsamen Länder wie die Niederlande die Rechnung. Premier Mark Rutte und Finanzminister Wopke Hoekstra haben zugegeben, dass ihre Haltung gegenüber dem Süden zu wenig empathisch war. Das ist reine Kosmetik. Denn sie bleiben nichtsdestotrotz hart. Und damit haben sie völlig recht.“
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Ja oder nein zu Coronabonds?
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Österreich: Ist Lockerung des Lockdown zu früh?
Österreichs Regierung will in der kommenden Woche die schrittweise Lockerung des Lockdown beginnen: Unter Auflagen können zunächst kleinere Geschäfte und Handwerksbetriebe öffnen, ab Mai sollen weitere folgen. Während einige Medien vor diesem Schritt warnen, halten ihn andere für das Ergebnis verantwortungsvoller Politik.
DER STANDARD (AT)

Voreilige Entspannung hat ihren Preis

Vor den Konsequenzen eines zu schnellen Übergangs zur Normalität warnt Der Standard:
„Wer rasch und rigoros durchgesetzte Einschränkungen des täglichen Lebens als obrigkeitsstaatliche Attitüde oder wirtschaftsschädliche 'Massenhysterie' beklagt, der darf sich nicht davor drücken, den Gedanken zum bitteren Ende zu führen. Kritik an der übermäßigen Härte wäre dann stichhaltig, wenn man davon ausgeht, dass die Corona-Pandemie weniger bedrohlich ist, als die Regierung es darstellt. Das widerspricht aber der Einschätzung der Expertenschaft. Nimmt man die Fachleute hingegen ernst, dann ergibt sich daraus, dass jede voreilige Lockerung ihren Preis hat - und der wird in zusätzlichen Toten berechnet.“
Gerald John
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DE MORGEN (BE)

Von den Gefahren des Alleingangs

Österreich ist keine Insel, kritisiert De Morgen das Vorgehen der Regierung in Wien:
„Die Österreicher schaffen Klarheit. Aber man kann sich fragen, ob es klug ist, dass jedes Land im Alleingang vorgeht. Alle EU-Mitglieder sollten sich zumindest über dieselben Prinzipien einig sein. Wenn nicht, dann droht das Coronavirus schneller wieder auf die Reise zu gehen als die Europäer selbst. Um das zu verhindern, folgen wir am besten einem konjunkturellen Ansatz. Erleichterung und Verschärfung von Restriktionen würden dann parallel zu den Bewegungen des Virus verlaufen, seinem Rückgang oder einer möglichen neuen Zunahme.“
Maarten Rabaey
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DIE WELT (DE)

Ergebnis verantwortungsvollen Handelns

Der Kampf der österreichischen Regierung gegen die Krise ist vorbildlich, lobt ihrerseits die Tageszeitung Die Welt:
„In Österreich wird klar kommuniziert, der Zickzackkurs eines Robert-Koch-Instituts, beispielsweise in der Frage über den Sinn eines Mundschutzes, existiert bei Österreichs Gesundheitsbehörden nicht. Kanzler Kurz und seine exzellenten Berater verkörpern große Entschlossenheit, Entscheidungskraft und Klarheit. Kurz & Co. treten seit Tagen möglichst nur noch mit Mundschutz und oft hinter Plexiglas auf, das ist vorbildlich. ... Stichproben unter gesunden Bürgern, um Erkenntnisse über versteckte Infektionen zu gewinnen - in Österreich bereits erfolgt und ausgewertet. ... Wer so verantwortungsvoll handelt, kann Beschränkungen wieder sukzessive lockern und die Wirtschaft langsam wieder hochfahren.“
Christoph B. Schiltz
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