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Zum Jahrestag der Gelbwesten-Proteste in Frankreich hat das Innenministerium am Samstag landesweit rund 28.000 Demonstranten gezählt. Vor einem Jahr hatten noch knapp 300.000 Menschen gegen hohe Benzinpreise und soziale Ungleichheit protestiert. Kommentatoren nehmen das Jubiläum trotz des schwindenden Interesses zum Anlass, über die gesellschaftliche und politische Bedeutung der Bewegung nachzudenken.
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Blockaden und Druck gefährden die Demokratie
Einer aktuellen Umfrage zufolge sehen die Franzosen die Gelbwesten-Bewegung weiterhin mehrheitlich positiv. Ouest-France ist entsetzt:
„Die Sichtweise erstaunt, handelt es sich doch um eine Bewegung, die sich jeglicher Organisationsform widersetzt, sich allein mithilfe der sozialen Netzwerke entwickelt hat und sich angesichts der beständigen internen Unstimmigkeiten als unfähig erweist, sich mit einer Stimme zu äußern. ... Die Sichtweise ist gar gefährlich, betrachtet man den Präzedenzfall, den die Bewegung geschaffen hat. Es ist ihr gelungen, sich durchzusetzen, indem sie die klassischen Rahmen und Codes des sozialen Dialogs überwand, und damit zeigt die Bewegung, dass es möglich ist, allein durch Blockade und Druck der Straße Recht zu bekommen. Ohne Parteien und Gewerkschaften. Und ohne Netz für die Demokratie.“
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Gelbwesten bringen die Menschheit voran
Die Empörten in ihren gelben Westen haben einen wichtigen demokratischen Wandel angestoßen, lobt eine Gruppe von Sozialwissenschaftlern um den Politologen Bruno Bauraind in La Libre Belgique:
„Der von den Gelbwesten begonnene Widerstand ruft uns eine historische Wahrheit in Erinnerung: Die demokratischen Errungenschaften wurden weitestgehend vom Volk erkämpft. Zum Überleben braucht die Menschheit heute einen doppelten Kampf: Für eine radikale Veränderung der neoliberalen Wirtschaftspolitik, deren Auswirkungen in den vergangenen vier Jahrzehnten kolossale Schäden verusacht hat. ... Und für eine Veränderung des politischen Modells, indem eine tiefgehende Demokratie gewagt wird, die wirklich in den Werten Gleichheit und Brüderlichkeit verankert ist. ... Schon ein Jahr Gelbwesten! ... Die Menschheit braucht sie! Hoffen wir, dass sie sich dessen besser und schneller bewusst wird!“
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Was die Protestierenden jetzt tun sollten
Der Deutschlandfunk empfiehlt den Gelbwesten einen Strategiewechsel:
„Viele 'Gilets Jaunes' hatten gehofft, dass es in Frankreich - ausgelöst durch ihren Protest - zu einer Reflexion über das politische System kommen würde. Eine Debatte, die letztendlich zu mehr Beteiligung und zu mehr direkter Demokratie hätte führen sollen. Aber das politische System sieht so aus wie vor einem Jahr. ... So lange Macron keinen anderen ernstzunehmenden politischen Gegner hat als Marine Le Pen, wird er von seiner politischen Grundlinie, Frankreich von Grund auf zu erneuern, nicht abrücken. Für die Gelbwesten, die nach mehr sozialer Gerechtigkeit rufen, bedeutet das: Sie müssen ihre Forderungen irgendwie in politische Bahnen lenken. Sie müssen sich des politischen Systems bedienen, wenn Sie Erfolg haben möchten.“
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Globalisierungsverlierer verschaffen sich Gehör
Parallelen zum Aufstieg populistischer Politiker in anderen Ländern zieht der Geograf Christophe Guilluy in El País:
„Der Protest ist das Ergebnis einer Diagnose der negativen Folgen des Wirtschaftsmodells und nicht einer Ideologie. Das macht sie mit anderen populistischen Bewegungen im Westen vergleichbar: Überall benutzen Globalisierungsverlierer populistische Marionetten, um sich Gehör zu verschaffen. Trump, Salvini und Farage sind weder Demiurgen noch Politikgenies, sondern Marionetten der einfachen Gesellschaftsschichten. Die Protestler auf der Straße haben nicht das Bewusstsein, einem neuen Proletariat anzugehören, aber sie teilen eine Ansicht zum Wirtschaftsmodell und die Überzeugung, dass sie kulturell und geografisch von jenen Zentren ausgeschlossen sind, die Arbeitsplätze und Reichtum schaffen. Es ist eine vernünftige und reelle Einsicht, die nicht auf Manipulation basiert.“
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