Sonntag, 17. November 2019

Bismarck in Briefen und Dokumenten


Otto von Bismarck 1815-1898  (Wikipedia)

Die Texte sind zum Teil diktiert, dann in moderner Orthographie 
Kniephof, 7.4.1834
"[...] mein Zeugnis ist, wie mir mein Bruder schreibt, endlich angekommen, aber ich fürchte, zu spät, da die Universitätsbehörden schon seit Weihnachten nichts mehr von mir wissen wollten; ich werde daher wohl das per Bote völlige der ausfertigen ausschlagen, mich einige Jahre mit der Rekurs Rekruten interessierenden Fuchtel Klingel amüsieren, dann ein Weib nehmen, Kinder zeugen, das Land bauen und die Sitten meiner Bauern durch unmäßige Branntweinfabrikation untergraben. Wenn du also in zehn Jahren in die hiesige Gegend kommen solltest, so biete ich dir an, adultorium mit einer jungen mulier facilis et formosa zu treiben, so viel Kartoffelschnaps zu trinken, als du willst und auf der Hetzjagd den Hals zu brechen, so oft es dir gut scheint. Du wirst hier einen Fett gemästeten Landwehroffizier finden, einen Schnurrbart, der schwört und flucht, dass die Erde zittert, einen gerechten Abscheu vor Juden und Franzosen hegt und Hunde und Bedienstete auf das brutalste prügelt, wenn er von seiner Frau tyrannisiert worden. Ich werde lederne Hosen tragen, mich zum Wollmarkt in Stettin auslachen lassen, und wenn man mich an Baron nennt, werde ich mir gutmütig den Schnurrbart streichen, und um zwei Taler wohlfeiler verkaufen; zu Königs Geburtstag werde ich mich besaufen, und vivat schreien, übrigens mich häufig anreißen und mein drittes Wort wird sein: Auf Aehre! superbes Pferd! Kurz, ich werde glücklich sein im ländlichen Kreise meiner Familie [...]"
(Bismarck: Werke in Auswahl Erster Band, Seite 7/8)

Schönhausen 4.5.1836

"[...] Du würdest über mich lachen, wenn Du jetzt bei mir wärest. Seit vollen 4 Wochen sitze ich hier in einem alten verwünschten Schlosse, mit Spitzbogen und 4 Fuß dicken Mauern, einigen 30 Zimmern, wovon 2 meublirt, prächtigen Damasttapeten, deren Farbe an wenigen Fetzen noch zu erkennen ist, Ratten in Masse, Camine, in denen der Wind heult, kurz, in „meiner Väter altem Schloß“, wo sich alles vereint, was geeignet ist, einen tüchtigen Spleen zu unterhalten. Daneben eine prächtige alte Kirche, mein Schlafzimmer mit der Aussicht nach dem Kirchhof, auf der andern Seite einer jener alten Gärten mit geschnittenen Hecken von Taxus und prächtigen alten Linden. Die einzige lebende Seele in dieser verfallenen Umgebung ist Dein Freund,der hier von einer vertrockneten Haushälterin, der Spielgefährtin und Wärterin meines 65jährigen Vaters, gefüttert und gepflegt wird. Ich bereite mich zum Examen vor, höre die Nachtigallen, schieße nach der Scheibe, lese Voltaire und Spinozas ethicum, die ich in der hiesigen, an Schweinsledern ziemlich reichen Bibliothek gefunden. Die Berliner meinen, ich wäre verrückt, und die Bauern sagen: „Use arme junge Hehr, wat mak em wul sin“, wie mir meine alte „Mamsell“ mitgetheilt hat. Dabei bin ich nie so zufrieden gewesen wie hier; ich schlafe nur 6 Stunden und finde große Freude am Studiren, zwei Dinge, die ich lange Zeit für unmöglich hielt. Ich glaube, der Grund oder besser die Ursache von alledem ist der Umstand, daß ich den Winter über heftig verliebt war; ein recht befremdliches factum, eine Thorheit, der ich mich nicht in so hohem Grade für fähig gehalten hätte, (verzeih, eben fällt mir ein, daß Du versprochen bist –) aber es ist mir doch fatal, wie ich mich so aus meiner philosophischen Ruhe und Ironie habe bringen lassen; das Beste dabei ist aber, daß ich bei meinen Bekannten beiderlei Geschlechts immer für den kaltblütigsten Weiberverächter gelte; so täuschen sich die Leute! Sie selbst hält mich, glaube ich, für einen von den wenigen, auf die sie keinen Eindruck gemacht hat. Schließe aus dieser Redensart nicht etwa, daß ich noch verliebt bin, denn daß sie schön ist, kann ihr ein jeder sagen, ohne ihr zu schmeicheln. Du wirst sie vielleicht sehen, es ist meine Cousine, jetzt versprochen mit dem 2ten Sohn des Hh. v. M. in Hannover. Aha! wirst Du sagen – unglückliche Liebe – Einsamkeit – Melancholie – etc. Der Zusammenhang ist möglich, doch bin ich jetzt schon wieder unbefangen und analysire nach Spinozistischen Grundsätzen die Ursachen der Liebe, um es künftig mit mehr Kaltblütigkeit zu treiben. Eben „heult die Thurmuhr Mitternacht“, also schlaf wohl und erzähle mir in Deiner Antwort so viel von Dir, wie ich Dir eben von mir, 2 Themata, welche mich ganz absonderlich interessiren. [...]"

Kniephof bei Naugard 9.1.1845
"Bis Aachen kennst Du, glaube ich, meine Schicksale. Dort eröffneten sich mir durch das Wohlwollen einflußreicher Leute in Berlin sehr günstige Aussichten für das, was man eine glänzende Carrière nennt; und vielleicht hätte der Ehrgeiz, der damals mein Lotse war, noch länger und für immer mein Steuer geführt, wenn nicht eine bildschöne Engländerin mich verleitet hätte, den Cours zu ändern, und 6 Monate ohne den geringsten Urlaub auf ausländischen Meeren in ihrem Kielwasser zu fahren. Ich nöthigte sie endlich zum Beilegen, sie strich die Flagge, doch nach zweimonatlichem Besitz ward mir die Prise von einem einarmigen Obristen mit 50 Jahren, 4 Pferden und 15 000 rl. Revenüen wieder abgejagt. Arm im Beutel, krank am Herzen, kehrte ich nach Pommern heim. Bei dieser Gelegenheit (1837) kam ich durch Göttingen; da ich aber dergestalt Havarie gelitten hatte, daß ich mich von einer schwerfälligen und verdrieslichen Gallione mußte schleppen lassen, so war ich nicht hinreichend Herr meiner Bewegungen, um mit Dir zusammen treffen zu können. Ich trat darauf bei der Regierung in Potsdam in Dienst, suchte mich durch Spiel und Trunk zu zerstreuen, machte unverhältnismäßige Schulden, wurde Militär, um meiner Dienstpflicht zu genügen, gerieth in üble Zwiste mit meinem Chef, und ergriff unter diesen Umständen mit Begierde und mit der frohen Hoffnung, die ein Ausweg aus einer ruinirten Stellung in neue Verhältnisse gewährt, das Anerbieten meines Vaters, seine hiesigen Güter zu übernehmen, die groß, stark verschuldet und so verwirthschaftet waren, daß sie fraßen, statt einzubringen. Ich hielt mich noch 6 Monat in Greifswald auf, um auf der landwirthschaftlichen Akademie in Eldena nichts zu lernen, als was ich in jedem Buche lesen konnte, und setzte mich dann mit der vollen Unwissenheit eines schriftgelehrten Stadtkindes in eine sehr ausgedehnte und verwickelte Wirthschaft. Ich fand mich hinein, rettete den größten Theil meines zu erwartenden Vermögens, und die Beschäftigung gefiel mir zwei Jahre lang bis 41, wegen ihrer Unabhängigkeit; ich habe nie Vorgesetzte vertragen können, und hatte während meiner amtlichen Thätigkeit, theils aus gerechter Abneigung gegen unser verknöchertes Formenwesen, das in keinem Posten die mindeste Aussicht auf Selbstständigkeit bietet, theils in der letzten Zeit aus Trägheit und Widerspruchsgeist, einen solchen Widerwillen gegen alles, was mit der Bureaukratie zusammenhängt, eingesogen, daß ich sogar den angenehmen Posten eines Landraths ausschlug, der mir durch Wahl der hiesigen Stände geboten wurde, und den infolgedessen mein Bruder eingenommen hat. Ich sprach von 2 Jahren; nach dieser Zeit verliebte und verlobte ich mich abermals, erzürnte mich 14 Tage nachher mit der Mutter meiner Braut, einer Frau, die, um ihr Gerechtigkeit zu thun, eine der bösesten ist, die ich kenne, und die das Bedürfnis hat, noch selbst der Gegenstand zärtlicher Blicke zu sein. Nach fast jahrelangen Intriguen gelang es ihr meiner Braut einen höchst lakonischen Absagebrief an mich in die Feder zu geben. Ich hielt es meiner Würde nicht angemessen, die beleidigte Aufgeregtheit eines Gemüths zu zeigen, und ihr mit einigen Schüssen auf Brüder und dergl. der Ungetreuen Luft zu machen; ich trat in meiner Eigenschaft als Landwehroffizier auf einige Monate zur Dienstleistung in ein Ulanenregiment, focht tapfer gegen Staub und markirte Feinde, und da ich auch im Drange dieser Thaten meine Ruhe nicht fand, brauchte ich das Universalmittel für Verliebte, ich ging auf Reisen und wurde wieder liederlich. Von Edinburg durch England und Frankreich trug ich meinen Kummer über die Alpen, und war im Begriff über Triest nach dem Orient zu gehen, eventualiter die Afghanen durch die Lupe zu besehen, wozu ich mit Empfehlungen ausgerüstet war, als mir mein Vater in einem thränenfeuchten Brief, der von einsamem Alter, [73 Jahr, Witwer, taub] Sterben und Wiedersehn sprach, die Heimkehr anbefahl. Ich kam zurück – er starb nicht – und ich suchte in diesem Sommer einem Leiden durch Dieffenbach und Norderney abzuhelfen. Vorher, im Frühjahr, machte ich einen sechswöchentlichen Versuch, eine andere Krankheit, eine an Lebensüberdruß grenzende Gelangweiltheit durch alles, was mich umgiebt, zu heilen, indem ich mich durch besondere Vergünstigung eines unserer Minister als Voluntär wieder im Staatsdienst beschäftigen ließ, und die angestrengte Arbeit in der insipiden und leeres Stroh dreschenden Schreiberei unserer Verwaltung, als eine Art von geistigem Holzhauen betrachtete, um meinem theilnahmslos erschlafften Geist wieder etwas von dem gesunden Zustande zu geben, den einförmige und regelmäßige Thätigkeit für den Körper herbeizuführen pflegt. Aber theils war mir die krähwinklige Anmaßung oder lächerliche Herablassung der Vorgesetzten nach langer Entwöhnung noch fataler, als sonst, theils nöthigten mich häusliche Vorfälle, Unordnungen in meiner Verwaltung, Verlust meines bisherigen Administrators u.s.w. nach meiner Rückkehr von Norderney, die Verwaltung meiner Güter wieder selbst zu übernehmen. Seitdem sitze ich hier, unverheirathet,  sehr einsam, 29 Jahre alt, körperlich wieder gesund, aber geistig ziemlich unempfänglich, treibe meine Geschäfte mit Pünktlichkeit, aber ohne besondere Theilnahme, suche meinen Untergebenen das Leben in ihrer Art behaglich zu machen und sehe ohne Ärger an, wie sie mich dafür betrügen."

dazu die Wikipedia:
"Vom Büroalltag eines Regierungsreferendars im mondänen Kurort Aachen bald gelangweilt, verliebte er sich im August 1836 in Laura Russell, eine Nichte des Herzogs von Cumberland. Nach der Affaire mit einer (älteren) Französin reiste er im Sommer 1837 mit einer (jüngeren) Engländerin, einer Freundin Laura Russels, durch Deutschland. Dadurch kam es zu einer mehrwöchigen Überschreitung eines vierzehntägigen Urlaubs, durch die er sein Referendariat verlor.
Bismarck haderte mit Auslagen für Frauen und machte zusätzlich durch den Besuch von Spielkasinos Schulden. Seinen Dienstgeschäften blieb er monatelang fern. Er versuchte später, seine Referendarausbildung in Potsdam fortzusetzen, kehrte dem Verwaltungsdienst aber nach einigen Monaten den Rücken. Er erklärte diesen Schritt rückblickend damit, dass er kein bloßes Rädchen im Getriebe der Bürokratie sein wollte: „Ich will aber Musik machen, wie ich sie für gut erkenne, oder gar keine.“[13]
1838 leistete Bismarck als Einjährig-Freiwilliger seinen Militärdienst ab, zunächst beim Garde-Jäger-Bataillon. Im Herbst wechselte er zum Jäger-Bataillon Nr. 2 nach Greifswald in Vorpommern, wo er sich an der Königlichen Staats- und landwirtschaftlichen Akademie Eldena auch auf die Führung der Familienbetriebe vorbereitete.
Bismarck bezog nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 1839 das hinterpommersche Gut Kniephof und wurde Landwirt. Gemeinsam mit dem um fünf Jahre älteren Bruder Bernhard bewirtschaftete er die väterlichen Güter Kniephof, Külz und Jarchlin im Kreis Naugard. Nachdem Bernhard von Bismarck 1841 zum Landrat gewählt worden war, kam es zu einer vorläufigen Teilung."

an Gustav Scharlach                      Schönhausen bei Jerichow an der Elbe. 4. July 1850
"[...] Du würdest Mitleid mit mir haben, wenn Du wüßtest, wie faul ich bin, und ich behaupte, daß dies der Grundzug des Preußischen National-Charakters ist; wir thun nur, was wir müssen; deshalb liefern wir recht gute Subaltern-Offiziere  und Soldaten, mit der Generalität ist es schon schwach, und kommt mein Landsmann aus dem regelrechten Zwange, sei es nun des bunten Rocks oder der festen Bureau-Stunden in die Unabhängigkeit des Privatlebens, als Gutsbesitzer, Bauer, Rennthier, so geräth er, geistig noch mehr als körperlich, in eine stagnirende Trägheit, bis ihn das große offizielle Räderwerk „im Namen des Kehnigs“ wieder bei irgend einem Rockzipfel erfaßt. In dieser nationalen Faulheit allein lag die Möglichkeit, daß sie uns im März 48 durch „Mißverständnisse“, durch einfachen Misbrauch des Königlichen Namens, eine Revolution octroyirten, mit der im Grunde nicht 10 000 Menschen im Königreich, von den Polen abstrahirt, einverstanden waren, und der man erst Sympathien schuf, indem man den Bauern und Arbeitern goldene Berge versprach. Auf diesen großen Nationalfehler beziehe ich mich zur Entschuldigung meiner persönlichen Faulheit; ich bin zu sehr schwarz-weiß, um eine Ausnahme zu machen und äußert sich bei mir diese Epidemie in einer krankhaften Furcht vor meinem eigenen Tintfaß; nur wenn es vollständig ausgetrocknet ist, fühle ich mich wohl in seiner Nähe. Ich freute mich so herzlich über Deinen Brief, sowohl, daß Du mir überhaupt einmal wieder schreibst, wie über den Inhalt und die Gleichheit unserer Ansichten, daß meine Frau gleich damals sagte, nun antworte aber auch, und mache es nicht wie mit allen Andern; seitdem hat sie oft gefragt: hast du schon an Scharlach geschrieben? Aber in meiner Mappe liegen links „lettres à répondre“ soviel, daß ich sie gar nicht mehr hineinstecke, und rechts „lettres répondues“ ist ganz leer, mir graut vor dieser Mappe; indessen endlich schreibe ich doch wirklich, und will Dir ungefähr sagen, wie und wo. Wenn ich durch den aus meiner linken Hand aufsteigenden Cigarrenrauch zum Fenster hinaussehe, so blicke ich gerade nach Norden, rechts und links erst alte Linden, dann ein altfränkischer Garten, mit geschnittenen Hecken, Göttern aus Sandstein, Buchsbaum, Franzobst, dahinter eine Wüste von Maizfeldern (leider nicht meine) und etwa eine Meile von mir, auf dem jenseitigen hohen Elbufer das Städchen Arenburg, das Du auf jeder Karte der Altmark finden wirst; aus den Fenstern des südl. Giebels würde ich in ähnlicher Lage die Thürme von Tangermünde sehn, nach Westen im Nebel den Dom von Stendal. [...]"

Zum weiteren Briefwechsel mit Scharlach sieh:

Als Bismarck 1860 sein außenpolitisches Programm für Preußen darlegte, meinte er, man dürfe sich nicht wie ein Huhn durch einen Kreidestrich fesseln lassen und darauf verzichten, Österreich mit dem Krieg zu drohen:

"[...] Die österreichische Politik uns gegenüber sei aber nach 1856 ebenso anspruchsvoll geblieben, wie zu der Zeit, wo der Kaiser Nicolaus für sie gegen uns einstand. Wir hätten uns der österreichischen Illusion, so lange Manteuffel und Schleinitz die Geschäfte führten, in einer Weise unterworfen, welche an das Experiment erinnerte, ein Huhn durch einen Kreidestrich zu fesseln. Die österreichische Zuversicht, ein geschickter Gebrauch der Presse und ein großer Reichthum an geheimen Fonds ermögliche dem Grafen Buol die Aufrechthaltung der österreichischen Phantasmagorie und das Ignoriren der starken Stellung, in welcher Preußen sich befinden werde, so bald es bereit sei, den Zauber des Kreidestrichs zu brechen. Worauf sich die Erwähnung der österreichischen geheimen Fonds bezog, war dem Regenten bekannt.[...]"

Bismarck: "[...] nicht durch Reden oder Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut." 
(Rede am 30. September 1862 vor der Budgetkommission des preußischen Abgeordnetenhauses während des preußischen VerfassungskonfliktsWikiquote)

"Das lernt sich in diesem Gewerbe recht, daß man so klug sein kann wie die Klugen dieser Welt und doch jederzeit in die nächste Minute geht wie ein Kind ins Dunkle." (an seine Frau 20.7.64 aus Karlsbad)
"[...] gestern früh aus Carlsbad gefahren, zu Wagen bis Prag, von dort heut den dir bekannten Eisenstrang hierher"  (an seine Frau 22.7.64 aus Wien)

An seinen Bruder beginnt er einen Geburtstagsbrief mit Bleistift, weil er noch keine Feder hat. Dann wird ihm eine gebracht. Er schließt: 
"Ich bin so schläfrig, daß ich kaum das Tintenfaß noch finde. Dein treuer Bruder v.B." (22.7.64 aus Wien)

Erlass an den preußischen Botschafter in Wien vom 24.7. 64 zu Rechtfertigung des preußischen Vorgehens in Rendsburg: Die Einigkeit der "beiden Großmächte" wird hervorgehoben, auf die Misslichkeit der getrennten Verwaltung von Holstein und Schleswig hingewiesen und die Schuld deutschen "Mittelmächten" gegeben.Telegramm an das Außenministerium von Gastein aus, 7.8.64
"Der gereizte und feindliche Ton gegen Dänemark nach dem Siege nicht würdig. [...] Wirken Sie dahin, daß auch die "Kreuzzeitung" und die sonst zugetane Presse in diesem Sinne spreche."
Die Ausgabe von 1965 schreibt in der Überschrift "Sprachregelung für die Presse".

Nach 14-tägigen Urlaub in Biarritz ist Bismarck wieder in Berlin und schreibt seiner Frau nach Reinfeld (in Pommern): "[...] die aufgesparten Geschäfte stürzen so auf mich ein, daß ich gestern nach der Ankunft bis 2 aufsaß und erst heute in der Mitternachtsstunde dazu komme, dir zu schreiben. Wenigstens 3 Stunden hatte ich nichts zu thun, als meinen Namen zu schreiben, und viel Vortrag beim König, Gortschakow, der mich hier erwartete, und alle mögliche Gesandte. [...] Einen halben Tag bin ich in Essen, der Kanonengießerei von Krupp, gewesen. [...]"Brief an seine Frau, Schönbrunn, 20.8.64
Erinnerung an die Zeit vor 17 Jahren, wo sie beide in den "heimlichen reservierten Garten [...] beim Mondschein hier eindrangen" und "mit heimlichem Behagen am Verbotenen bis an die Glasfenster wanderten", hinter denen damals die [österreich.] Kaiserin wohnte und wo gegenwärtig er wohnt.

An seine Frau
Varzin, 30. Juni 1967

Mein geliebtes
Ich hatte den besten Willen dir zu schreiben, aber weder Zeit noch Feder, Papier oder Tinte. Letzteres ist angelangt, aber wo soll die Zeit her kommen? Wenn ich gefrühstückt und gezeigtungt habe, wandere ich mit Jagdstiefeln in die Wälder, bergsteigend und sumpfwatend, lerne Geographie und entwerfe Schonungen; sobald ich heimkehre wird gesagt Geld und dasselbe Geschäft bis zum Überdruss fortgesetzt. [...] Bernhard war nicht so unterhaltend wie gewöhnlich, er grübelt und rechnet innerlich zu viel. Ich werde ihm Kniepow ja wohl lassen, falls ich hier noch etwas zu kaufen finde. Aber wenn ich dort bin, laufe ich immer Gefahr festzuwachsen; ich fand es wieder reizend, sie lassen mich nur niemals allein, und ich habe mir dort mit den Bäumen mehr zu sagen als mit den Menschen. Kommt doch nur schnell her und lass die Jungen allein folgen. [...] schicke etwas grünes und durchsichtiges Zeug, zu dunkelm Fenstervorhang, und zum Vorspannen auf der inneren Seite von Glastüren durch welche man nicht gesehen zu sein wünscht. Dass ich vor deiner Herkunft nochmals in Berlin erscheine, globe ich schwerlich. Schildere nur meine Stimmung so angegriffen, dass ich den sichtlichen Erfolg der Kur nicht durch die Strapazen dieser Reise gefährden könnte, und kommst du bald dein treuester v B
(Bismarck: Werke in Auswahl Vierter Band, Seite 179)

Bismarck Reichstagsrede im Norddeutschen Bund  23. März 1869

"Mein Einfluss auf die Ereignisse, die mich getragen haben, wird zwar wesentlich überschätzt, aber doch wird mir gewiss keiner zumuten, Geschichte zu machen; das, meine Herren, könnte ich selbst in Gemeinschaft mit ihnen nicht, eine Gemeinschaft, in der wir doch so stark sind, dass wir einer Welt in Waffen trotzen könnten, aber die Geschichte können wir nicht machen, sondern nur abwarten, dass sie sich vollzieht. Wir können das Reifen der Früchte nicht dadurch beschleunigen, dass wir eine Lampe darunter halten, und wenn wir nach unreifen Früchten schlagen, so werden wir nur ihr Wachstum behindern und sie verderben."
(Bismarck: Werke in Auswahl Vierter Band, Seite 330/31)

Tischgespräch in Ferrières, 28.9.1870 - aufgezeichnet von M. Busch

Dann ging er zu einer längeren Rede über, die im Betreff des Bildes mit dem sie begann, durch einen Fettfleck auf dem Tafeltuche von vor ihm beeinflusst war, und die zuletzt den Charakter eines Zwiegespräches zwischen dem Minister und  Katt annahm. Er sagte (wörtlich): Der Fettfleck (d.h. das Gefühl, das es schön sei,) zu sterben für Vaterland und Ehre, auch ohne Anerkennung, greift immer tiefer in die Haut der Bevölkerung, seit er mit Blut getränkt ist – breitet sich immer mehr aus. – Der Unteroffizier hat ja noch doch im Ganzen dieselbe Ansicht und dasselbe Pflichtgefühl wie der Leutnant und der Oberst – bei uns Deutschen. Das geht bei uns überhaupt sehr tief in alle Schichten der Nation. – Die Franzosen sind eine leicht unter einen Hut zu bringen der Masse, die dann sehr mächtig wirkt. Bei uns hat jeder seine eigene Meinung. Aber wenn sie einmal in großer Zahl die selbe Meinung haben, ist mit den Deutschen viel anzufangen. Wenn sie alle hätten, wären sie allmächtig. – Das Pflichtgefühl des Menschen, der sich einsam im Dunkeln tot schießen lässt (er meinte damit wohl, ohne an Lohn und Ehre für seine Standhaftigkeit auf dem ihm zugewiesenen Posten zu denken, ohne Furcht und ohne Hoffnung), haben die Franzosen nicht. Und das kommt doch von dem Rest Glauben in unserem Volker, davon, dass ich weiß, dass jemand ist, der mich auch dann sieht, wenn der Leutnant mich nicht sieht.
"Glauben Sie, Exzellenz, dass sie darüber nachdenken?" fragte Fürstenstein
Nachdenken – nein, es ist ein Gefühl, eine Stimmung, ein Instinkt meinetwegen. Wenn sie nachdenken, kommen Sie darüber hinweg. Dann reden Sie sich aus. – Wie man ohne Glauben an eine offenbarte Religion, an Gott, der das Gute will, an einen höheren Richter und ein zukünftiges Leben zusammenleben kann in geordneter Weise– Das Seine tun und jedem das Seine lassen, begreife ich nicht.[...] 
Wenn ich nicht mehr Christ wäre, diente ich dem König keine Stunde mehr. Wenn ich nicht auf meine Gott rechnete, so gäbe ich gewiss nichts auf irdische Herren. Ich habe ja zu leben und wäre vornehmen genug und brauchte sie nicht. – Warum soll ich mich vergreifen und unverdrossen arbeiten in dieser Welt, mich verlegen halten und übler Behandlung aussetzen, wenn ich nicht das Gefühl habe, Gott deswegen meine Schuldigkeit tun zu müssen. Wenn ich nicht an eine göttliche Ordnung glaubte, die diese deutsche Nation zu etwas Gutem und Großen bestimmt hätte, so würde ich das Diplomatengewerbe gleich aufgeben oder das Geschäft gar nicht übernommen haben! Orden und Titel reizen mich nicht. Der entschlossene (soll wohl heißen, feste, zuversichtliche, zur Betätigung bereite) Glaube an ein Leben nach dem Tode – deshalb bin ich Realist, sonst wäre ich von Natur Republikaner.– Ja, ich bin Republikaner – im höchsten Grade, und ich habe die Standhaftigkeit, die ich zehn Jahre an den Tag gelegt habe gegen alle möglichen Absurditäten, nur aus meinem entschlossenen Glauben. Nehmen Sie mir diesen Glauben und Sie nehmen mir das Vaterland. Wenn ich nicht ein stramm gläubiger Christ wäre, wenn ich die wundervolle Basis der Religion nicht hätte, so würden sie einen solchen Bundeskanzler gar nicht erlebt haben. – Hätte ich die wundervolle Basis der Religion nicht, so wäre ich den ganzen Hofe schon längst mit dem Sitzzeug ins Gesicht gesprungen, und schaffen Sie mir einen Nachfolger mit jener Basis, so gehe ich auf der Stelle. Aber ich lebe unter Heiden. Ich will keine Proselyten damit machen, aber ich habe das Bedürfnis diesen Glauben zu bekennen [...] Wie gerne ginge ich! Ich habe Freude am Landleben, an Wald und Natur nehmen Sie mir den Zusammenhang mit Gott und ich bin ein Mensch, der morgen einpackt und nach Varzin ausreißt und seinen Hafer baut. Sie nehmen mir dann meinen König. Denn warum, wenn es nicht göttliches Gebot ist – warum soll ich mich denn diesen Hohenzollern unterordnen? Es ist eine schwäbische Familie, die nicht besser ist als meine, und die mich dann gar nichts angeht.[...]"
(Bismarck: Werke in Auswahl Vierter Band, Seite 550/51)

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