Montag, 24. Juni 2019

euro|topics: Erdoğans Partei verliert Istanbul


Oppositionskandidat Ekrem İmamoğlu hat mit großem Abstand die erneute Oberbürgermeisterwahl in Istanbul gegen seinen Herausforderer Binali Yıldırım gewonnen. Erdoğans konservative AKP hatte die Wiederhohlung der Wahl durchgesetzt. Kommentatoren werten das Ergebnis deshalb vor allem als Niederlage für den Präsidenten.
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

Anfang vom Ende einer Ära

Die Allmacht von Präsident Erdoğan bröckelt, konstatiert die Neue Zürcher Zeitung:
„Diese erste wirkliche und grosse Niederlage Erdoğans markiert eine Zäsur. Denn wenngleich der Präsident weiter am längeren Hebel sitzen wird, wenngleich der Staatsapparat und die Justiz auf seinen Willen hören und die Medien keinen Widerspruch mehr leisten, kann er seine autoritäre Herrschaft nicht mehr allein mit dem 'nationalen Willen' begründen. Dieser Automatismus funktioniert seit dem 23. Juni nicht mehr, und das könnte auf lange Sicht tatsächlich den Anfang vom Ende der Ära Erdoğan einleiten.“
Daniel Steinvorth
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LIBÉRATION (FR)

Präsident in der Bredouille

Auch Jérémie Berlioux, Türkei-Korrespondent von Libération, sieht Erdoğan nun in Bedrängnis:
„Obwohl die Stadtverordnetenversammlung und die Mehrheit der Bezirke in der Hand der AKP sind, erhält İmamoğlu eine Machtposition. 'Wenn wir beobachten, dass es zu Behinderungen kommt, werden wir das den Bürgern mitteilen', kündigte er nach seinem Sieg an. Erdoğan hat ihm gegenüber jetzt nur gefährliche Optionen. Lässt er İmamoğlu in Frieden regieren, könnte dieser zu einem ernsthaften Gegner bei der Präsidentschaftswahl 2023 werden. Wirft er ihm Knüppel zwischen die Beine, würde er ihn noch mehr zum Opfer stilisieren und seine Stellung als neuer Held der Opposition stärken.“
Jérémie Berlioux
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HABERTÜRK (TR)

Wahlwiederholung war großer Fehler der AKP

Mit der Wiederholung der Wahl hat sich die AKP keinen Gefallen getan, meint Kolumnistin Nihal Bengisu Karaca in Habertürk:
„Es gab keinen Grund, die Wahlergebnisse vom 31. März nicht anzuerkennen. ... Dass der Abstand zwischen beiden Kandidaten nun so groß ist, bringe ich mit den Ereignissen der letzten Tage in Verbindung, die sehr, sehr eigenartig waren. ... Es war, als ob ein Kind das Cockpit betreten und alle Knöpfe vor sich gedrückt habe. ... In der Angst, Istanbul ein zweites Mal zu verlieren, wurden so schnelle und so widersprüchliche Dinge getan, dass jedem mit einem bisschen Erinnerungsvermögen schwindelig wurde. ... İmamoğlu wurde immer wieder verleumdet und gewann schließlich ein zweites Mal - und zwar deutlich.“
Nihal Bengisu Karaca
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INDEX (HU)

In Istanbul stehen die Geldtöpfe

Der Wahlsieg von Ekrem İmamoğlu hat Symbolcharakter, aber auch finanzielle Konsequenzen, kommentiert Index:
„Er bedeutet, dass die AKP bei den Wahlen im März und bei der Wiederholung am Sonntag Istanbul und Ankara an die vereinte Opposition verloren hat, während die dritte große Stadt, Izmir, im Westen des Landes, sowieso traditionell kemalistisch ist. Auch Erdoğan selbst begann seine Karriere als Bürgermeister von Istanbul. Doch neben der symbolischen Bedeutung war es auch wirtschaftlich wichtig, wer die Wahlen gewinnt. Die Opposition hat mit dem Zugriff auf die Istanbuler Geldhähne große wirtschaftliche Möglichkeiten, während der Einfluss der AKP auf das Geschäftsleben abnimmt und die Parteienfinanzierung schwieriger wird.“
András Iván
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