Dienstag, 23. April 2019

euro|topics: Was kann Selenskyj für die Ukraine erreichen?

Nach seinem deutlichen Sieg bei der Präsidentschaftswahl in der Ukraine mit 73 Prozent der Stimmen hat Wolodomyr Selenskyj angekündigt, die Korruption zu bekämpfen und den Konflikt im Donbass zu befrieden. Der politisch unerfahrene Selenskyj war als Schauspieler einer Comedy-Serie bekannt geworden. Kommentatoren reagieren mit gemischten Gefühlen auf die Wahl des Polit-Neulings.
TAZ, DIE TAGESZEITUNG (DE)

Der richtige Mann für den Frieden

Das Wahlergebnis ist eine Chance für den festgefahrenen Konflikt im Donbass, analysiert die taz:
„Der neue russischsprachige Präsident, dessen Ukrainischkenntnisse ausbaufähig sind, könnte das Freund-Feind-Schema durchbrechen und zum Versöhner und Brückenbauer in seinem Land werden. Sollte dieses - zugegebenermaßen recht ambitionierte - Unterfangen gelingen, böte sich vielleicht endlich auch ein Weg, um den Donbass dauerhaft zu befrieden. ... Zumindest die vage Möglichkeit einer Friedensperspektive für den Osten der Ukraine sollte für Brüssel Grund genug sein, sich auf Selenskyj einzulassen und ihn bis zum Beweis des Gegenteils zu unterstützen.“
Barbara Oertel
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ECHO MOSKWY (RU)

Von so einer Demokratie können Russen nur träumen

Die russische Radiosender Echo Moskwy äußert Respekt für die Reife des demokratischen Prozesses in der Ukraine, die im eigenen Land fehle:
„Bei uns wird es keine Debatten im Stadion geben - weil es überhaupt keine gibt. Und keinen zweiten Wahlgang. Und fraglich, ob wir jemals einen anderen Menschen im Kreml erleben werden als den gegenwärtigen. ... Das sollte uns in erster Linie Sorgen bereiten. Die Ukraine kommt schon alleine klar. Stellt sich Selenskyj als schlecht heraus, wählen sie eben jemand anderes. Sie sind das schon so gewohnt, dort geht das offenbar gar nicht anders. Aber für uns bleibt das weiterhin ein Traum und völlige Phantasterei.“
Anton Orech
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EVENIMENTUL ZILEI (RO)

Der nächste Erfolg eines Polit-Neulings

Der 41-jährige Schauspieler hat gewonnen, weil er bislang nichts mit Politik zu tun gehabt hatte, meint Evenimentul Zilei:
„Wir haben es mit einer Illusion zu tun, die große Verführungskraft besitzt und bislang noch nicht geplatzt ist, weil sie sich in der Realität noch nicht beweisen musste. ... Die unbedarfte Wählerschaft wird durch eine Antisystem-Kampagne verführt. Der Präsident der ukrainischen TV-Serie, den Wolodymyr Selenskyj gespielt hat, entspricht genau dieser neuen Illusion. Er ist ein Mann fernab des Systems, der von diesem ganz und gar zurückgewiesen wird, weil er nicht zur Clique gehört. Und nun kann er das machen, was die traditionellen Politiker nicht konnten. ... Der neue Typus Postpolitiker wird auch im Fall von Donald Trump in Amerika sichtbar, bei Beppe Grillo in Italien und bei Zuzana Čaputová in der Slowakei.“
Ion Cristoiu
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EESTI PÄEVALEHT (EE)

Wer nichts verspricht, kann nicht enttäuschen

Der Wahlsieg Selenskyjs wird die Ukraine kaum verändern, fürchtet Eesti Päevaleht:
„Selenskyj, der bislang nach dem Rezept 'keine Versprechen, keine Enttäuschungen' handelte, präsentierter bislang keine Ideen zur Lösung von Problemen wie Krieg, Korruption oder Auswanderung. Man kann nur ahnen, in welche Richtung sich die Ukraine unter Selenskyj bewegen wird. Die optimistische Version ist, dass der Druck der Kriegsveteranen aus dem Donbass und der Bürgerbewegung gegen Korruption Selenskyj in eine Entwicklung in Richtung Westen zwingen könnte. Aber darauf wetten, würde sich nicht lohnen.“
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DE VOLKSKRANT (NL)

Putin wittert seine Chance

Seine Unerfahrenheit ist Selenskyjs größtes Manko, glaubt De Volkskrant:
„Die wichtigste Frage ist, ob Selenskyj Putin gewachsen ist. Dieser hofft, dass er den Komiker dazu verführen kann, im Tausch für Investitionen in die schwächelnde ukrainische Wirtschaft einen Deal über den Status des Donbass abzuschließen, die von den prorussischen Separatisten kontrollierte Region. Auf diese Weise möchte Moskau die Sanktionen loswerden, die westliche Länder 2014 gegen Russland verhängt hatten. Selinskyj hat im Gegensatz zu Putin, der bereits mehrere hinterhältige militärische Operationen verantwortete, keinerlei militärische und diplomatische Erfahrung. Es besteht also die Gefahr, dass er sich täuschen lässt von dem gerissenen Herrscher des Kreml.“
Bert Lanting
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TAGES-ANZEIGER (CH)

Oligarchen-TV brachte Selenskyj den Sieg

Die fehlende Medienfreiheit in der Ukraine hat Selenskyj den Sieg geschenkt, glaubt der Tages-Anzeiger:
„Er war nur möglich, weil ukrainische Medien von Oligarchen dominiert werden, die bestimmen, wer in ihre Fernsehsender kommt - und wer nicht. Ex-Verteidigungsminister Anatolij Grizenko zum Beispiel, der ebenfalls Präsidentschaftskandidat war und seit Jahren glaubwürdig für Korruptionsbekämpfung und gegen die Interessen der Oligarchen auftrat, kann ein Lied davon singen: Er kam jahrelang praktisch nicht ins Fernsehen und bekam in einem Land, in dem sich 85 Prozent der Bevölkerung ausschliesslich über das Fernsehen informieren, nie eine nationale Bühne. Das Gleiche gilt für echte Reformparteien, die es in der Ukraine immer wieder gibt, über die aber in den Oligarchensendern kaum berichtet wird und die auch deshalb kaum je über den Rang von Kleinparteien hinauskommen.“
Florian Hassel
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