Donnerstag, 22. Juni 2017

Macron vereint und spaltet

Macron spaltet
Alle drei Minister der liberalen Modem-Partei in Frankreichs neuer Regierung sind zurückgetreten. Nach Verteidigungsministerin Goulard gaben auch Justizminister Bayrou und Europaministerin de Sarnez ihre Posten auf. Gegen ihre Partei werden Vorermittlungen wegen des Verdachts auf Scheinbeschäftigung im EU-Parlament geführt. Auch der Macron-Vertraute und Stadtplanungsminister Ferrand von der LREM gibt seinen Posten auf. Doch dem neuen Präsidenten kommt das nicht ungelegen, vermuten Kommentatoren.

und vereint
"Wir wollen keine Mehrheit, um uns ein ruhiges Leben zu machen, sondern um zu reformieren", kündigte der Sprecher von La République en Marche am Montag die ersten Schritte der Regierung an. Der sozial-liberalen Partei von Präsident Macron ist die absolute Mehrheit im zweiten Wahlgang der Parlamentswahl am Sonntag rechnerisch kaum mehr zu nehmen. Warum setzen die Franzosen alles auf diese Karte?

RZECZPOSPOLITA (PL)

Franzosen rebellieren klüger als Angelsachsen

Der Wahlerfolg von La République en Marche (LREM) ergibt sich aus der Unzufriedenheit mit den traditionellen Parteien, meint Rzeczpospolita:
„Nach 40 Jahren wirtschaftlichen Stillstands, einer riesigen Arbeitslosigkeit und Problemen mit der muslimischen Minderheit sagen die Franzosen den traditionellen Parteien: Genug! Der Kandidat der Sozialistischen Partei in der Präsidentschaftswahl Benoît Hamon wird nicht mal Abgeordneter, und die Republikaner, die schon fünf Jahre lang in der Opposition waren, könnten 100 Mandate verlieren. Die Hälfte der Kandidaten von LREM hat bisher keine Erfahrung in der Politik. Und es sieht danach aus, dass 43 Prozent der Abgeordneten Frauen sein werden. Frankreich macht also - wie die USA mit der Wahl Trumps und Großbritannien mit dem Brexit - einen Sprung ins Ungewisse. Aber in diesem Fall lässt der Sprung etwas deutlich Besseres erwarten als im Fall der Angelsachsen.“
Jedrzej Bielecki
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MARIANNE (FR)

Präsident hat überzeugt, Opposition nicht

An der historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 48,7 Prozent sind Macrons Gegner ganz allein schuld, findet Marianne:
„Die Oppositionsparteien sollten sich Gedanken über ihre eigenen Schwächen und über die schweren Mängel machen, die sie daran gehindert haben, ihre Wähler zu mobilisieren. ... So sind denn weder Emmanuel Macrons Anfänge an der Macht noch die ersten Schritte der Regierung von Edouard Philippe für das am Sonntag verzeichnete beängstigende Fernbleiben der Wähler verantwortlich. Ursache dafür ist die Unfähigkeit von [Mélenchons linker Bewegung] La France insoumise, des Front National, der Republikaner und der Sozialisten, eine glaubwürdige Opposition zu verkörpern. Die Wähler Macronssind an die Urnen gekommen. Ferngeblieben sind die anderen. Diese Abkehr verdeutlicht einmal mehr das Verschwinden der alten, entkräfteten politischen Welt, auf der der Macronismus gedeiht.“
Renaud Dély
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DIÁRIO DE NOTÍCIAS (PT)

Frankreich bleibt seiner Tradition treu

Nicht zum ersten Mal erhält ein neugewählter französischer Präsident Rückendeckung durch eine Parlamentswahl, erinnert Diário de Notícias:
„Der Sieg der jungen Partei des Präsidenten ist die Bestätigung einer französischen Tradition, die dem neu gewählten Staatschef eine Mehrheitsregierung schenkt. ... Für Macron bedeutet dies, dass er sich auf eine beträchtliche Unterstützung verlassen kann, die es ihm ermöglichen wird, sein Reformprogramm umzusetzen. ... Die historisch niedrige Wahlbeteiligung kann unterschiedlich erklärt werden: mit der allgemeinen Gewissheit, dass MacronsPartei von vornherein hoch gewinnen würde. Aber eben auch mit der Demobilisierung vor allem der extremen Rechten, die voll auf die Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen gesetzt hatten.“
Leonídio Paulo Ferreira
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LE TEMPS (CH)

Macron, der französische Tsunami

La République En Marche wird die politische Kaste Frankreichs grundlegend verändern, analysiert Le Temps:
„Weg mit den Abgeordneten, die von der Position des Parlamentsmitarbeiters aufgestiegen sind. Weg mit den in der Nationalversammlung recycelten hohen Beamten. Weg mit den Abgeordneten, die mit Gesetzgebungsmechanismen tricksen und sich bestens mit den finanziellen Maschinerien des Staats auskennen. ... Weg mit parteipolitischen Tricks und Pfründen. Die treffendste Analogie zur Beurteilung des Tsunamis Macron ist der digitale Umbruch. Seine erklärte Ziele lauten: den Nutzwert der Politik wiederherstellen und mehr Bürger am Entscheidungsprozess beteiligen. Der Wunsch, keine 'Partei wie die anderen' zu werden, wird klar und deutlich geäußert. Man steht zum Chef- und Innovationskult. Die Uberisierung der französischen Politik ist am letzten Sonntag Realität geworden.“
Richard Werly
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ADEVÂRUL (RO)

Nächster Gegner: die Gewerkschaften

Selbst mit einem überwältigenden Wahlerfolg ist Macron noch lange nicht am Ziel, erinnert Adevărul:
Macron stehen sonnige Tage bevor, seine Herrschaft wird legislativ allmächtig sein, seine Reformen haben Erfolgsaussichten. ... Sind auch Wolken am Horizont sichtbar? Und ob! Vor dem Hintergrund politisch unmoralischer Affären hat der Taifun Macron zwar die historischen Parteien weggefegt, doch die Gewerkschaften stehen noch, tief verwurzelt in ihrem Starrsinn, an dem schwer zu rütteln ist. … Der Erfolg bei der Parlamentswahl stärkt Macron den Rücken als Anführer, der Frankreich auf neue Grundfesten setzen und mit fester Hand reformieren kann. Doch in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften muss seine Regierung durch eine Bewährungsprobe. Noch schlummert Macron in den Flitterwochen, doch bald klingelt der Wecker.“
Macron räumt sein Kabinett auf
Innerhalb von 24 Stunden haben vier französische Minister das Kabinett verlassen. Drei von ihnen gehören zur Zentrumspartei Modem, die im Verdacht steht, Mitarbeiter aus dem EU-Parlament für Partei-Aufgaben eingesetzt zu haben. Dem Macron-Vertrauten Ferrand von der LREM wird Vetternwirtschaft vorgeworfen. Bereits Mittwochabend verkündete Macron ihre Nachfolger. Kann er die frühe Regierungskrise für seine Politik nutzen?
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

Eine Chance für den Präsidenten

Der Rücktritt von vier Ministern hat für Präsident Macron Folgen, glaubt die Neue Zürcher Zeitung:
„Sein glanzvoller Start hat plötzlich einen Makel. Er wurde mit dem Versprechen gewählt, die französische Politik grundlegend zu erneuern. Jetzt stellt sich heraus, dass die alten Sitten und Gebräuche nicht ausgeräumt wurden. Sie sitzen mit den altgedienten Politikern, die sich Macron angeschlossen haben, weiter am Kabinettstisch und im Parlament. Doch ist die erste Regierungskrise auch eine Chance für Macron, dann nämlich, wenn er daraus eine wichtige Lehre zieht: Die Anwärter auf hohe Ämter müssen besser geprüft werden. Die 'Moralisierung' hat sich in den Fällen der vier Minister und vor allem auch im Fall Fillon von selbst durchgesetzt, noch bevor dazu ein Gesetz verabschiedet wurde. Das ist gut so, denn Moral ist nicht etwas, was von Staats wegen verordnet werden kann.“
Andres Wysling
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LA VANGUARDIA (ES)

Drakonische Maßnahmen sind richtig

Beim Thema Korruption ist es gefährlicher, zu wenig zu tun als zu viel, ist La Vanguardia überzeugt:
„Nun warnen manche, dass der harte Umgang mit Politikern, die keine Straftat begangen haben, zu Ungerechtigkeiten führen könnte. Das Risiko besteht tatsächlich. Aber die Korruption hat bereits eine Reihe von Demokratien befallen, schwächt sie oder bedroht gar ihr Weiterbestehen. Deshalb ist Nachlässigkeit noch riskanter als eine übertriebene Reaktion. Natürlich gehören die Freiheit und der Schutz des Individuums zum rechtlichen Fundament demokratischer Gesellschaften. Aber sobald das ganze Gebäude vom Einsturz bedroht ist, muss man Entscheidungen treffen, um Risiken zu minimieren. Vor allem, wenn es sich um Korruption handelt, denn die nagt wie Termiten an den Grundfesten.“
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LE MONDE (FR)

So gewinnt man kein Vertrauen zurück

Sowohl der Macron-Vertraute Richard Ferrand als auch die vorherige Europaministerin Marielle de Sarnez könnten nun den Fraktionsvorsitz ihrer Parteien bekommen. Le Monde ist darüber schockiert:
„Was bei einem Minister nicht tolerierbar ist, das soll für einen Fraktionschef hinnehmbar sein? Diese Art und Weise, die Nationalversammlung zu einem Recycleunternehmen für Minister zu machen, die mit der öffentlichen Tugend in Konflikt stehen, ist schlicht und einfach schockierend. Bei der Wiederherstellung des Vertrauens kann man sich nicht auf den Bereich der Ministerposten beschränken.“
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E-VESTNIK (BG)

Bulgarien sollte sich ein Beispiel nehmen

Die vier zurückgetretenen Minister hätten in Bulgarien nichts zu fürchten gehabt, schreibt der in Paris lebende Schriftsteller und ehemalige Politiker Dimo Rajkow auf e-vestnik über sein Heimatland:
„In Bulgarien reagiert niemand auf die offizielle Bekanntmachung des EU-Parlaments, dass bulgarische EU-Abgeordneten keine Rechenschaftsberichte über die Verwendung von Parlamentsgeldern für Mitarbeiter abgegeben haben. Über die faulen Machenschaften unserer EU-Abgeordneten wird kein Wort verloren. Während Frankreich also von Skandalen erschüttert wird und auch in anderen EU-Ländern bereits gegen EU-Abgeordnete ermittelt wird, tut man in Bulgarien so, als wäre nichts gewesen.“

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