Donnerstag, 24. August 2023

euro|topics: Hat Putin Prigoschin auf dem Gewissen?

 

Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin und einige seiner Mitstreiter sind höchstwahrscheinlich bei einem Flugzeugabsturz getötet worden. Russische Behörden meldeten den Absturz am Mittwochabend, bestätigten den Tod Prigoschins jedoch nicht offiziell. An den internationalen Reaktionen lässt sich ablesen, dass die Nachricht kaum jemanden überrascht - und dass auch in Europas Presse viele den Vorfall nicht für Zufall halten.

ALEXEJ ROSCHTSCHIN (RU)

Nichts als Luftfahrt-Terrorismus

Stalin hat sich mehr Mühe gegeben, Staatlichkeit zu inszenieren, konstatiert Soziologe Alexej Roschtschin auf Facebook:

„Alle 'Anstifter' in ein Flugzeug zu locken und es zu sprengen, das ist brutal. Und, mit Verlaub, Luftfahrt-Terrorismus. Was hat davon abgehalten, so zu tun, als ob wir in einem Staat leben würden - also sie alle einfach zu verhaften und wegen 'Verrats' vor Gericht zu stellen, zumal Putin selbst genau das vor fast zwei Monaten versprochen hat? Weshalb solche Show-Effekte? Die Leute fragen zu Recht: Was haben sich denn die Piloten des Prigoschin-Jets zuschulden kommen lassen? ... Selbst Stalin scheute es nicht, 'Prozesse' zu inszenieren, damit alles aussieht, als sei es 'rechtens'.“

Alexei Roschtschin
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LA STAMPA (IT)

Putins Macht basiert auf Ja-Sagern

Prigoschin hat seine Grenzen verkannt, erörtert La Stampa:

„Mächtig war er, nur hielt er sich für mächtig genug, um das Machtsystem von Wladimir Putin zu bedrohen - wohl darauf bedacht, akrobatisch zwischen dem Präsidenten und dem Hofstaat der ihn umgebenden Generäle zu unterscheiden. ... Prigoschins Fehler bestand vielleicht darin, zu glauben, dass Putin die Botschaft aufgreifen, den (von Prigoschin) verhassten Verteidigungsminister Schoigu entlassen und die Welle des Aufstands reiten würde, der nationalistischer sein sollte als der Putinsche Staat selbst. Doch gerade auf diesen unterwürfigen Staat und seine törichten Höflinge hat Wladimir Putin seine Macht aufgebaut. ... In diesem System ist kein Platz für einen verrückten Ausscherer wie Jewgeni Prigoschin.“

Stefano Stefanini
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RZECZPOSPOLITA (PL)

Kein Gewinn für die Gesamtsituation

Rzeczpospolita schreibt:

„Hätte der Tod des Wagner-Anführers, falls er sich bestätigen sollte, Auswirkungen auf die Fragen, mit denen wir Prigoschin in Verbindung bringen? Auf den großen Krieg im Osten, auf russische Operationen in Afrika oder Provokationen an der Grenze von Belarus zu westlichen Ländern? Das ist zweifelhaft. Niemand ist unersetzlich, auch nicht unter Banditen. Russland wird nichts von dem aufgeben, was mit Hilfe von Prigoschin und seinen Söldnern erreicht wurde. Schlimmer noch: Die Liquidierung des Chefs der Wagner-Gruppe wäre ein Signal an die Russen, dass man dem Kreml nicht nur gelegentlich von Nutzen sein darf. Man muss es immer sein.“

Jerzy Haszczyński
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THE DAILY TELEGRAPH (GB)

Wagner ist noch nicht am Ende

Prigoschins Tod würde Putins interne Kritiker nicht lähmen, glaubt The Daily Telegraph:

„Der Absturz bedeutet nicht das Ende der Auseinandersetzungen von Militärs innerhalb von Russland. Es gibt weiterhin eine große Zahl ausgebildeter und aktiver Wagner-Krieger, die durch Gefechte in der Ukraine oder Plünderungen in Afrika kampferprobt und mit der Führung ihres Landes äußerst unzufrieden sind. Tatsächlich fanden einige junge Russen Prigoschins Botschaft überzeugend. Aus ihrer Sicht hat Putin einen Krieg begonnen, der nicht angemessen geführt wurde. Dies wird zu einem größeren Problem, je länger sich die 'militärische Spezialoperation' hinzieht.“

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