Dienstag, 22. März 2022

Zur Vorgeschichte des Überfalls von Russland auf die Ukraine

 Die heutige Situation hat eine lange Vorgeschichte.

Während des Kalten Krieges wurde von Willy Brandt eine neue Ostpolitik des "Wandels durch Annäherung" entwickelt.

Doch der Weg der OECD, mit der Sicherheitskonferenz in Helsinki (1973 ff.) eine multipolare Diplomatie zu entwickeln, wurde nach und nach aufgegeben. 

Der Westen hatte auf Gorbatschows Politik der Annäherung hin ein übertriebenes Machtgefühl (Francis FukuyamaDas Ende der Geschichte) entwickelt, statt Multipolarität voranzutreiben. So wurde die Friedensdividende verspielt. 

Der finnische Politikwissenschaftler Heikki Patomäki* über die Entwicklung seit 1994:

"Um 1994 herum wurde Russland die EU-Mitgliedschaft verwehrt. Seitdem werden die Beziehungen extern geführt. Das Momentum des westlichen Liberalismus in Russland lief allmählich ab. Doch solange Russland eine Kooperation mit der Nato anstreben oder sich sogar um die Mitgliedschaft bewerben wollte, gab es keinen Anlass, auf gebrochene Versprechen hinzuweisen. Die Situation änderte sich Anfang der 2000er-Jahre, als sich Russland immer weiter von den Interessen und Bestimmungen des Westens entfernte. Die westlichen Länder hatten der Sowjet-Regierung wohl den Eindruck vermittelt, dass eine Nato-Mitgliedschaft für Länder wie Polen, Ungarn oder die Tschechoslowakei nicht möglich wäre. Natürlich ist ein Eindruck nicht dasselbe wie ein schriftliches Abkommen oder ein unmissverständliches und öffentliches Versprechen. Doch die Geschichte über das Versprechen, die Nato nicht zu erweitern, ist nicht vollkommen haltlos.

Zwei Wendepunkte in den Nato-Russland-Beziehungen sind die Nato-Intervention im Kosovo-Krieg 1999 sowie die US-geführte Invasion im Irak 2003. Der Intervention im Kosovo-Krieg ging keine Kriegserklärung voraus. Zudem gab es kein UN-Mandat. Ziel war es, die Grenzen zu verändern, Kosovo von Jugoslawien zu trennen. In Russland nahm man das sehr ernst, nicht zuletzt aufgrund der historischen Bindung zu Serbien. Doch zu Beginn seiner Amtszeit sprach Putin das Thema einer möglichen Nato-Mitgliedschaft Russlands an. Schon bald wurde klar, dass Russland im Militärbündnis nicht gewollt war. Während Putins erster Amtszeit kam es nach den Anschlägen am 11. September zum Krieg in Afghanistan und schließlich im Irak. Nach den Anschlägen in New York und Washington gab es ein kurzes Zwischenspiel. Der „Islamische Terrorismus“ schien Russland und die USA vereint zu haben. Zu dieser Zeit akzeptierte Moskau eine Nato-Erweiterung, allerdings widerwillig. Putin regierte pragmatisch. Der Fokus lag darauf, Russland zu stabilisieren und Bedingungen für wirtschaftlichen Wachstum zu schaffen. Die Idee dahinter war, dass Russlands Status als Großmacht anerkannt wird - für den geringen Preis, mit den USA und dem Westen zu kooperieren.

Der Irak-Krieg veränderte die Lage. Putins Russlands stellte sich vehement gegen den Krieg und versuchte, den Angriff im UN-Sicherheitsrat zu verhindern, gemeinsam mit Frankreich und China. Die USA* und Großbritannien* entschieden sich dazu, ohne UN-Mandat zu agieren.

Russlands Regierung deutete dies als direkten Angriff auf das Völkerrecht und Russlands Position in globaler Politik. Putins Reden und Stellungnahmen betonten ein multipolares System und die Notwendigkeit von Kontrollmechanismen gegen die Hegemonie der Vereinigten Staaten, eine Idee, die erstmals in den 1990ern aufkam. Diese Vorstellung wurde ein zunehmend wichtiger Teil der Eurasianistischen Ideologie."

*Heikki Patomäki ist Professor für Weltpolitik an der Universität Helsinki. Mit mehr als 20 Büchern, 200 Forschungsarbeiten und hunderten Artikeln, vor allen in den Fachbereichen der Globalen Politischen Ökonomie und Internationalen Beziehungen ist Patomäki Mitglied der Finnischen Akademie der Wissenschaften. An der Universität Helsinki ist er unter anderem Experte für Russland als Teil des Weltsystems, den Konflikt zwischen Russland und der Nato sowie die Rolle der EU im Ukraine-Konflikt, vor allem aus ökonomischer Sicht.

Ursprünglich wurde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Versuch gemacht, diese Friedensdividende über den Nato-Russland-Rat 1997 zu erhalten, doch als 1999 Polen, Ungarn und Tschechien der NATO beitreten wollten, war das so offenbar attraktiv, dass dieser Gedanke zurücktrat.

Nach dem Gastgeber der Münchener Sicherheitskonferenz Ischinger war aber erst das Angebot der Nato von 2008 an die Ukraine "Die Tür steht offen", der "Sündenfall der Nato" (Frankfurter Rundschau 25.2.22)

Über das Auftreten der Vertreter der EU 2014 in der Ukraine bei den Maidan-Unruhen sagte dann Helmut Schmidt: "Das beschwört Kriegsgefahr herauf." (Wikipedia)

Am 25.03.2014, 17.48 Uhr schreibt Spiegel online:  In der Krim-Krise verspottet US-Präsident Obama Russland - er nennt das größte Land der Welt eine Regionalmacht. Für Amerika gebe es schlimmere Bedrohungen, Kreml-Chef Putin agiere aus einer Position der Schwäche.

Ab 2020 fanden wiederholt Natomanöver in den östlichen Randstaaten der Nato statt.

Wie es weiterging, ist bekannt. -

Ob das hätte verhindert werden können, ist nicht gesagt. Aber es spricht einiges dafür, dass das Angebot der Nato an die Ukraine, ihr beizutreten, in der Tat ein problematischer Wendepunkt war.


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