"Es war eine glückliche Entscheidung Adenauers gewesen, Heusinger und Speidel schon früh zur Mitarbeit zu berufen und Ihnen die militärische Verantwortung für die Vorbereitung und Durchführung des Aufbaus der Bundeswehr anzuvertrauen. In Alter und Rang fast gleich, geprägt durch vergleichbare Ausbildung als Generalstabsoffiziere und kameradschaftlichen verbunden, wurden sie von uns Jüngeren mit respektvollem Unterton gerne die 'Zwillinge' genannt, auch wenn es sich offensichtlich um zweieiige Zwillinge handelte." (Seite 197/198)
Weil
ein Mangel an Offizieren bestand "entschlossen sich
Bundesregierung und Parlament, den Angehörigen des
Bundesgrenzschutzes (BGS) den freiwilligen Übertritt in die
Bundeswehr zu ermöglichen, ein Angebot, von dem am 1. Juli 1956 etwa
10.000 Beamte aller Ränge Gebrauch machten." (Seite 208)
"Der
BGS hatte bisher abseits der öffentlichen Beobachtung und
Aufmerksamkeit gestanden und dabei mit großer Prägekraft einen Stil
entwickelt, von dem wir fürchteten, er könne die Durchsetzung der
Grundsätze der Inneren Führung erschweren. Rückschauend muss ich
zugeben, daß unsere Besorgnis übertrieben war und sich nicht
bestätigt hat." (Seite 209)
"Die fast sieben Bonner Jahre von Januar 1951 bis Ende 1957 bedeuteten die längste in sich geschlossene Zeit meiner bisherigen beruflichen Arbeit, die ich in der Rückschau auch als die interessanteste und fruchtbarsten Periode meines Lebens ansehe. Sie stellte meine Kameraden und mich vor eine Aufgabe, wie sie Soldaten nur selten geboten wird, die faszinierende Chance, verhältnismäßig jung an Rang und Jahren, gleichwohl geprägt durch bittere Erfahrungen, unter veränderten politischen Bedingungen praktisch aus dem Nichts heraus an der Gestaltung und dem Aufbau einer neuen Militärorganisationen mitzuwirken und dabei Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen, die das Gesicht der Streitkräfte einer jungen Demokratie für die nächsten Jahrzehnte bestimmen sollten.
Wir haben in diesen Jahren, In denen die Bundesministerien, noch im Aufbau und personell klein, frei von Routine und einengenden Regelungen flexibel und reaktionsschnell arbeiten durften, mehr 'in Gang setzen' können, als mir das nur ein Jahrzehnt später als Inspektor und Generalinspektor noch möglich war." (S.210)
Truppenführer
in Hannover
"In
Bonn hatte ich mich aus sicherheitspolitischen Gründen für ein
rasches Aufstellungstempo eingesetzt. Jetzt sah ich mich mit den
nachteiligen Konsequenzen dieser Entscheidung in der Praxis
gegenüber. [...] Das Dilemma zwischen dem raschen Aufstellungstempo
und dem Zeitbedarf für eine solche Ausbildung ließ sich nur
überbrücken, wenn die Kommandeure Schwerpunkte setzten und vorerst
Lücken bewußt in Kauf. [...] Von einem homogenen Offizierskorps
konnte nicht die Rede sein. Kriegserfahrene Offiziere, jedoch meist
ohne solide Friedensausbildung, standen neben den Offizieren aus dem
Bundesgrenzschutz und den noch wenigen aus der jungen Bundeswehr
stammenden Leutnanten mit sehr kurzer Ausbildungszeit." (S. 214)
Schule
der Bundeswehr für Innere Führung
Mit
der Schule der Bundeswehr für Innere Führung, deren Leitung mir
General Heusinger [...] über trug, hatte die Bundeswehr eine
Einrichtung geschaffen, die weder im deutschen Militär noch in
ausländischen Streitkräften ein Vorbild besaß. Idee und erste
Planung hierzu gingen von Baudissin und seinen Mitarbeitern aus. (S.
225)
Als
Definition für Innere Führung war folgende Formulierung gefunden
worden:
"Die
Innere Führung ist die Aufgabe aller militärischen Vorgesetzten,
Staatsbürger zu Soldaten zu erziehen, die bereit und willens sind,
Freiheit und Recht des deutschen Volkes und seiner Verbündeten im
Kampf mit der Waffe oder in der geistigen Auseinandersetzung zu
verteidigen.
Hierbei
geht sie von den politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten
aus, bekennt sich zu den Grundwerten unserer demokratischen Ordnung,
übernimmt bewährte soldatische Tugenden und Erfahrungen in unsere
heutige Lebensform und berücksichtigt die Folgen der Anwendung und
Wirkung moderner technischer Mittel." (Seite 228)
Schon
General Weber hatte es durchgesetzt, daß die Schule davon entbunden
wurde, Beurteilungsnotizen über die Lehrgangsteilnehmer zu fertigen.
[Daher
konnten sich die Soldaten frei äußern, ohne Nachteile befürchten
zu müssen....]
So erhielt die Schule einen ungeschminkten Einblick in das Leben der
Truppe und konnte – wie ein 'Frühwarnsystem'
– Fehlentwicklungen und unterschiedliche Handhabung in den
Verbänden rechtzeitig erkennen." (Seite 231)
Führungsakademie
der Bundeswehr
"Bei
der Kommandoübernahme am 1. April 1962 fand ich eine Institution
vor, die in kurzer Zeit eine feste, wenn auch nicht endgültige
Gestalt erhalten und in der Truppe wie in der Stadt Hamburg eine
anerkannte Stellung als die höchste Ausbildungsstätte der jungen
Bundeswehr erworben hatte. "(Seite 241)
Wichtige
Vorgänge in dieser Zeit : die Diskussion über die Notstandsgesetze
"Die später in den Artikeln 115a bis 115l GG gefundenen
Lösungen sind das Ergebnis mühsam ausgehandelten Kompromisse. Ich
habe allerdings Zweifel, ob sie denn im Voraus kaum Einzuschätzenden
schweren Belastungen eines Verteidigungsfalles wirklich gerecht zu
werden vermögen." (S. 245)
Spiegel
Affäre
"Verteidigungsminister
Strauß rechtfertigte in einer geschickt angelegten Rede sein
Verhalten in der die Öffentlichkeit erregenden 'Spiegel -Affäre'.
Trotz seiner bemerkenswerten Leistung als dynamischer
Verteidigungsminister während der Aufstellungszeit mußte er wenige
Wochen später sein Amt verlassen." (S. 249)
Kubakrise
im Oktober 1962
Inspekteur
des Heeres
Die
derzeit wichtigste Aufgabe für Führung und Truppe bestand in der
Verbesserung der Personallage. Die Bundeswehr litt unter Mangel an
Offizieren und unter Offizieren. (S. 260)
"[...]
Dennoch
konnte er die Sorgen um einen ausreichenden Offiziernachwuchs kaum
mildern. Im Zuge der allgemeinen Bildungsreform der siebziger Jahre
wurde diese Konzeption durch die Gründung der Bundeswehrhochschulen
gänzlich verändert. (S. 261)
Generalinspekteur
der Bundeswehr
Die
letzten Wochen der Regierung Erhard
"[...]
Die
Vorgänge um den Rücktritt dreier hohe Generale – nach meinem
Vorgänger, General Trettner und dem Inspekteur der Luftwaffe,
Generalleutenant Panitzki, hat er auch der Befehlshaber im
Wertbereich III, Generalmajor Günter Pape, um seine Entlassung
gebeten – wurden im Parlament und Öffentlichkeit aufmerksam
beobachtet und als Prüfstein für die Anerkennung des Primats der
Politik durch die hohen Offiziere der Bundeswehr angesehen. Es dürfe
nicht der Eindruck entstehen, ein General könne seinem Minister in
einer schwierigen Situation seinen politischen Willen aufzwingen, gar
einen Minister stürzen, sagte mir unter vier Augen ein befreundeter
besorgter Bundestagsabgeordneten.
Daran
hatte ich auch beileibe nicht gedacht. Gewiß besaß der neue
Generalinspekteur zunächst eine starke Position – der Minister
konnte ihn ja nicht sofort wieder fallen lassen. Ich konnte daher
einiges durchsetzen, was bisher kaum erreichbar erschien.
Andererseits hielt ich mich mit meinen Forderungen bewußt im Rahmen
von Wortlaut und Geist des Grundgesetzes. Eine Verfassungsänderung
zugunsten der militärischen Führung stand außerhalb meiner
Überlegungen; das ließ ich auch die hohen Offiziere der Bundeswehr
wissen. Diese Haltung erleichterte die Entscheidungen des Ministers,
auch wenn er sie gegen den Rat seines Staatssekretärs traf. (S.
282)
"Es
war der Öffentlichkeit kaum bewusst, wie eng sich das
Beziehungsgeflecht zwischen den Generalstabschefs der
NATO-Mitgliedstaaten inzwischen entwickelt hatte. Sie trafen sich
regelmäßig während der Sitzungen des Militärausschusses, zu den
Beratungen der Verteidigungsminister im DPC (Defence Planning
Committee) und der NPG."
(S. 301)
Unter dem ersten sozialdemokratischen Verteidigungsminister
"Ich
erinnerte mich an ein Gespräch, das Fritz Erler – damals Führer
der Opposition – etwa ein Jahr vor seinem Tode (22. Februar 1967)
mit mir geführt hatte. Ihre eigentliche Bewährungsprobe auf
Verfassungstreue und demokratische Zuverlässigkeit, so meinte er
damals, werde die Bundeswehr erst dann abzulegen haben, wenn einmal
einem Sozialdemokraten als Verteidigungsminister die Befehls- und
Kommandogewalt übertragen würde. Dies sollte nun Wirklichkeit
werden, fast 50 Jahre, nachdem der Sozialdemokrat Gustav Noske als
Reichswehrminister für kurze Zeit ein vergleichbares Amt innegehabt
hatte." (S.312)
Helmut
Schmidt fragte wie
denke der Generalinspekteur, wie die Mehrheit der Offiziere darüber,
und was erwarte man von ihm? In meiner Antwort wies ich zunächst
darauf hin, dass der Verteidigungsminister – möglichst von der
gleichen Partei wie der Kanzler – eine politisch erfahrene und
profilierte Persönlichkeit sein müsse, mit Gewicht im Kabinett und
Parlament, mit internationaler Erfahrung und nicht zuletzt mit
Autorität gegenüber den Streitkräften. In der SPD sähe ich keinen
Politiker, der bessere Voraussetzungen für dieses Amt mitbringe als
ihn. Die Zuschriften aus der Bundeswehr kämen wohl überwiegend von
jüngeren Offizieren – Schmidt nickte –, während ich die
Stimmung der älteren Offiziere am besten mit dem Worten beschreiben
könne: 'Wenn schon SPD, dann Helmut Schmidt.' (S. 312)
"Schmidt
erwarb sich durch seine mit politischer Erfahrung geplante
Sachkenntnis bald Respekt und Ansehen bei seinen Kollegen. Die von
ihm bevorzugte ungeschminkte Sprache – ähnlich der des
langjährigen britischen Verteidigungsministers Denis Healey –
entsprach nicht immer diplomatischen Brauch, ließ aber dafür seine
Auffassungen klar erkennen. Die Amerikaner, insbesondere ihr
Verteidigungsminister Melvin Laird, schätzten diesen Umgangston."
(S.323)
"Nach
den Ansprachen des stellvertretenden Generalinspektors und des
Ministers erhielt ich das Wort zu einer letzten Rede als aktiver
Soldat. Es spiegelt mein Empfinden für den Sinn meines Dienstes seit
1951 wieder, wenn ich dabei sagte:
Wir
Soldaten träumen nicht von Frieden. Wir planen ihn – oder lassen
Sie mich lieber sagen – wir helfen, ihn zu planen. Wir planen, den
Frieden zu erhalten, zu sichern und – falls eher verloren gehen
sollte – so rasch wie möglich wieder herzustellen. Wir meinen
dabei einen Frieden in Freiheit. Das ist zugleich die Aufgabe der
Bundeswehr. Der Soldat bezieht seinen Selbstverständnis aus dieser
Aufgabe, er ist daher mit der Politik aufs engste verbunden."
(S.333)
Willy
Brandt sagte dazu:
"Das, was Sie da vorhin in Ihrer Rede gesagt haben, Herr
General, ist im besten Sinne des Wortes preußisch." (S. 333)
(Ulrich de Maizière: In der Pflicht (Autobiographie) 1989)
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