EU-Parlamentarier haben eine Möglichkeit ins Spiel gebracht, das Veto Polens und Ungarns wegen des
Rechtsstaatsmechanismus zu umgehen und die Corona-Hilfen schnell auszuzahlen: Die in EU-Verträgen vorgesehene "verstärkte Zusammenarbeit" könnte bei den Corona-Fonds greifen, indem ein kleinerer Kreis von EU-Mitgliedern sich zusammenschließt. Wird das Veto zur Sackgasse für Budapest und Warschau?
Ungarn und Polen haben nichts mehr zu Lachen
Dass die EU bislang gegenüber Warschau und Budapest hart geblieben ist, lobt der Abgeordnete der nationalliberalen PNL, Ovidiu Alexandru Raețchi, in Ziare:
„Wir wohnen dem Moment bei, in dem die EU, die von einer liberal-progressiven französisch-deutschen Allianz angeführt wird, beginnt, endlich Maßnahmen gegen die konservativ-autoritären Fehltritte in Polen und Ungarn zu ergreifen. Die Verfehlungen wurden viel zu lange toleriert, das hat zu einem totalen Verlust des ideologischen Urteilsvermögens geführt. ... Der politische Kontext ist günstig und es ist klar, dass Macron und Merkel große Anstrengungen unternehmen werden, denn das Prinzip der 'Nichteinmischung in innere Angelegenheiten' hat in einem Europa der demokratischen und freiheitlichen Werte kategorisch seine Grenzen. So sollte es auch sein.“
Union stärkt ihr Profil
Für Kaleva ist noch nicht klar, wer aus diesem Streit als Profiteur hervorgeht:
„Es wird sich zeigen, wie weit Polen und Ungarn bereit sind, die Geduld der Übrigen auf die Probe zu stellen. Sowohl in Ungarn als auch in Polen genießt die EU bei den Bürgern hohes Ansehen. Allerdings sind die Zivilgesellschaften dieser Länder schwach und sie wurden noch weiter geschwächt. Andererseits könnte aber die Rechtsstaatlichkeitsdebatte das Wesen der EU stärken und die Zeit könnte für die Verteidigung ihrer Werte und Arbeitsweisen arbeiten.“
Die Großen wollen unter sich sein
Für einige in der EU kommt der Streit nicht ungelegen, mutmaßt Novi List:
„Egal, was man von der ungarischen oder polnischen Regierung denkt, es ist offensichtlich, dass die alten und reichen EU-Mitgliedstaaten versuchen, den Mechanismus der Rechtsstaatlichkeit zu einer Veränderung der Art, wie Entscheidungen in der EU getroffen werden, zu nutzen. Man möchte das einstimmige Entscheiden begrenzen und die Tür öffnen für das Überstimmen, für Entscheidungsfindung mit qualifizierter Mehrheit, um die EU effizienter zu machen. ... Es ist offensichtlich, dass die stärksten EU-Mitglieder wie Frankreich, Holland und Deutschland die Krise nutzen wollen, um eine Koalition von Ländern zu schaffen, die eine neue Stufe der Integration innerhalb der EU wollen, wobei Länder wie Polen und Ungarn auf dem Nebengleis stehen bleiben.“
Ein Veto, das sich lohnt
Warum die Regierungschefs von Polen und Ungarn auf EU-Gelder verzichten würden, erklärt Új Szó:
„Gegen die beiden Länder findet gerade ein Vertragsverletzungsverfahren statt, bei dem jedoch die Zustimmung aller Mitgliedstaaten nötig ist, so dass die beiden einander aus der Patsche helfen können. Beim neuen Rechtsstaatsmechanismus reicht eine qualifizierte Mehrheit aus, um Sanktionen zu verhängen. Da hier kein einstimmiges Votum erforderlich ist, haben Budapest und Warschau keine Chance, Verfahren zu blockieren. Gerade deswegen ist der Rechtsstaatsmechanismus aus Sicht der beiden souveränistischen Regierungen lebensgefährlich.“
EU-Liebe der Polen könnte erkalten
Der Chefredakteur von Rzeczpospolita, Bogusław Chrabota, warnt vor einer Meinungskampagne gegen die EU in Polen:
„Die Polen lieben die Europäische Union immer noch. ... Wenn wir gefragt werden, wie wir bei einem Referendum über den Austritt Polens aus der EU abstimmen würden, sagen 81 Prozent von uns, sie würden für den Verbleib stimmen. Gut jeder zehnte - 11 Prozent der Befragten - sagt, dass er dagegen stimmen würde. ... Ich fürchte etwas anderes als den Verlust von Geldern: den Mediensturm, der in Polen gerade ausgelöst wird und sich gegen die EU richtet, weil diese Polen angeblich wegen des Vetos tadelt. Danach können ähnliche Umfragen in einigen Monaten völlig anders aussehen.“
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