Freitag, 8. September 2023

euro|topics: G20-Gipfel: Neue Weltmacht Indien?

 

Übers Wochenende findet in Neu Delhi der G20-Gipfel unter dem Motto "Eine Erde - eine Familie - eine Zukunft" statt. Putin und Xi haben ihre Teilnahme abgesagt und lassen sich vertreten. Indiens Premier Modi präsentiert sein Gastgeberland unterdessen stolz als "größte Demokratie der Welt" und betont, dass es China zudem als bevölkerungsreichstes Land abgelöst habe. Europas Presse beleuchtet Indiens Ambitionen.

GAZETA WYBORCZA (PL)

Keine Stimme für die Ärmeren

Gazeta Wyborcza sieht das geschönte Spektakel als Widerspruch zum Anspruch Indiens, als Stimme des globalen Südens aufzutreten:

„Die Verschönerung der Hauptstadt ist seit Monaten im Gange. Die Welt soll sie aufgeräumt, blumenübersät und vor allem ohne Slums sehen. Deren Bewohner werden von der Polizei brutal auf die Straße geworfen, und Bautrupps reißen die schäbigen Häuser sofort ab. Die Regierung leugnet zwar, dass die 'Aufräumarbeiten' in den Slums mit dem Gipfeltreffen zusammenhängen, aber die westlichen Medien bemerken, dass Indien sich seiner großen sozialen Gegensätze und seiner Armut schämt und alles tut, um sie zu verbergen. Und dass Modi während des Gipfels im Namen des ärmeren Teils der Welt sprechen wird, während seine Polizei die Armen in Delhi brutal behandelt.“

Maria Kruczkowska
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LA STAMPA (IT)

Zwischen allen Bündnissen

Die Einordnung der indischen Außenpolitik ist schwierig, analysiert La Stampa:

„Modis Vision ist die eines Staates, der seine nationalen Interessen durchsetzt, ohne sich für eine Seite 'entscheiden' zu müssen. … Ein bündnisübergreifendes Land, das Mitglied der Brics, aber auch der Quad (zusammen mit den USA, Japan und Australien) ist; ein strategischer Rivale Pekings, der sich jedoch durch ein ausgeprägtes Anti-Westlertum auszeichnet; ein Unterstützer der territorialen Integrität der Ukraine, der jedoch nicht bereit ist, Moskau zu sanktionieren. Kurz gesagt, ein Indien, das die Tradition der blockfreien Staaten im Kalten Krieg wieder aufleben lässt, sie aber radikal neu interpretiert.“

Nathalie Tocci
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DIE PRESSE (AT)

China hat Vasallen, keine Verbündeten

Keine Grundlage für gemeinsame Strategien von China und Indien sieht Die Presse:

„Die Autokraten Xi und Modi verbindet außer antiwestlicher Ressentiments rein gar nichts, im Gegenteil: Die beiden asiatischen Atommächte, deren ungelöster Grenzkonflikt am Himalaja gerade erst wieder gefährlich aufgeflammt ist, sind erbitterte geopolitische Rivalen. ... Ein Bündnis der Autokraten kann kaum funktionieren, weil es in sich ein Widerspruch ist. Ethnischer Nationalismus ... ist ausgrenzend und exklusiv: Diese chauvinistischen Regimes sind getrieben von Paranoia und Verfolgungswahn, die in fremden oder kritischen Mächten eine existenzielle Gefährdung sehen. Sie verfolgen krankhaft Eigeninteressen und sind daher niemals zuverlässige Partner. ... China hat Vasallen, keine Verbündeten.“

Susanna Bastaroli
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LE FIGARO (FR)

Sicherheitsrat und G20 erweitern

Die Abgeordnete Anne Genetet von Macrons Renaissance-Partei fordert in Le Figaro:

„Frankreich und Indien sollten in den nächsten Tagen eine Reihe gemeinsamer Initiativen ergreifen, um die 'Global Governance' zu reformieren, damit sie repräsentativer und effektiver wird. Ich unterstütze den Vorschlag Indiens, die Afrikanische Union in die G20 aufzunehmen. … Angesichts der internationalen Lage und der Angriffe auf die westlichen Interessen und Werte muss dieser Beitritt so schnell wie möglich erfolgen. Der G20-Gipfel in Neu Delhi bietet sich dafür an. Im Anschluss daran könnten Frankreich und Indien ihren Vorschlag, den Sicherheitsrat um Indien, sowie Vertreter aus Afrika und Lateinamerika zu erweitern, in die Debatte der UN-Generalversammlung einbringen.“

Anne Genetet
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JINOV SVET (SI)

Welcome to Bharat!

Bei offiziellen Einladungen für ein G20-Staatsbankett am Samstag wurde das Wort Indien durch das Wort Bharat aus dem Sanskrit ersetzt. Sašo Ornik sieht das auf seinem Blog Jinov Svet positiv:

„Vielleicht ist die Überlegung, den Namen des Landes zu ändern, ein Zeichen dafür, dass es sich um eine erwachsene Gesellschaft handelt, die auf eigenen Füßen stehen will. ... Natürlich stellt sich die Frage, ob Bharat ein passender Name ist, da er zu Kritik geführt hat. Die Regierungspartei BJP gilt als nationalistisch und steht dem islamischen Erbe eher feindlich gegenüber. ... Obwohl ich an Indien gewöhnt bin, fände ich es persönlich gut, wenn es eine Namensänderung gebe. Es geziemt einer Großmacht, selbst zu entscheiden, wie sie sich nennt, und nicht Gefangener der Kolonialzeit zu bleiben.“

Sašo Ornik
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