Montag, 1. Februar 2021

euro|topics: Anleger-Schlacht um Gamestop


Kleinanleger haben dem Hedgefonds Melvin Capital einen Milliardenverlust beschert. Dieser hatte auf Leerverkäufe von Aktien des Computerspiele-Händlers Gamestop gesetzt, weil dessen Kurse in den vergangenen Monaten gefallen waren. Durch einen konzertierten Kaufansturm der Kleinanleger stieg der Kurs dann aber rasant. Für Europas Presse zeigt der Fall die Janusköpfigkeit der Finanzmärkte.

JUTARNJI LIST (HR)

Streber sorgen für Chaos

Das ist die Rache der Nerds, schreibt Jutarnji list:

„Was passiert, wenn eine Gruppe von Strebern - genervt von der Ungerechtigkeit des Finanzmarktes, der ihnen gleichzeitig als sexy Spielzeug derer scheint, die einige unüberwindbare Klassenstufen über ihnen stehen - entscheidet, die Gerechtigkeit in die eigenen Hände zu nehmen? Sie tun es und sorgen wie erwartet für totales Chaos in einem Mechanismus, der noch seit der großen Krise von 2007 überzeugt ist, dass ihm nichts Schlechtes widerfahren kann. ... Was niemand erwartete, war die massenhafte Beteiligung der Amateur-Investoren, die das Spiel gegen die Wall Street amüsierte, aber auch anzog, weil sie im Falle des Erfolges den verhassten Hedgefonds eine Lektion erteilen könnten.“

Viktor Vresnik
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AARGAUER ZEITUNG (CH)

Am meisten profitieren die Großen

Das Geschäftsmodell von Gamestop hat keine Zukunft, schreibt die Aargauer Zeitung:

„Wenn also die Rebellen auf Wallstreetbets diese Aktie in absurde Höhen treiben, dann hat dies nichts mit Vernunft zu tun. ... Die Wallstreetbets-Rebellen haben eine grosse Ähnlichkeit mit den Impfgegnern. Sie misstrauen den Eliten zutiefst und fühlen sich dank Internet und Apps in der Lage, ihr Finanzschicksal in die eigenen Hände zu nehmen. ... Hedge-Fund-Manager sind Einzelkämpfer, keine Herdentiere. ... Deshalb kämpfen sie nicht geschlossen gegen die Rebellen, sie spannen sie für die eigenen Zwecke ein. Wisst ihr, wer am meisten vom Höhenflug der Gamestop-Aktien profitiert hat? BlackRock. Larry Fink & Co. sind dank den Rebellen über mehr als zwei Milliarden Dollar reicher geworden.“

Philipp Löpfe
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DE STANDAARD (BE)

Achtung Blase!

Vor den Gefahren der Spekulation durch die Kleinanleger warnt auch De Standaard:

„Generation Z, hart von Corona getroffen, crasht die Party auf dem Börsenfest. Das ist Occupy Wall Street, aber digital. Die jüngste Vergangenheit hat aber gezeigt, dass auch eine unberechenbare, zerstörerische Kraft losbricht, wenn die Masse durch die Dynamik der sozialen Medien mobilisiert wird. Genau wie viele professionelle Spekulanten schaffen auch die Reddit-Anleger eine Seifenblase, einen falschen Wert, der nichts mit dem realen Wert von Gamestop zu tun hat. … Die Wall Street kann solche Störungen gut gebrauchen, aber es wird spannend, ob dieser Aufstand sich zum Guten oder zum Schlechten wendet.“

Lieven Sioen
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AAMULEHTI (FI)

Der Fehler liegt im System

Es ist falsch, die Kleinanleger für die hohen Kursschwankungen verantworlich zu machen, betont Aamulehti:

„Viele sind der Meinung, dass sich die großen Hedgefonds beim Eingehen der Risiken verkalkuliert haben und nun werden diese Risiken ausgeglichen, indem der Handel der Kleinanleger beschränkt wird. Hinter dem Phänomen gibt es aber ein größeres Problem des Systems. Die Zentralbanken haben mit ihrer außergewöhnlich lockeren Geldpolitik dazu beigetragen, dass auf allen Wegen versucht wird, Gewinne zu erzielen. Es ist falsch, in diesem Spiel die Kleinanleger als Schuldige auszumachen. Die Schuld liegt im System, dessen lose Fundamente durch solche Phänome getestet werden.“

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FINANCIAL TIMES (GB)

Börse darf nicht zum Casino werden

Langfristig könnte sich die Geschichte nicht nur für die Kleinanleger rächen, warnt Financial Times:

„Die Realität ist, dass die Aktien von Gamestop und anderen Unternehmen fallen werden. Die Aufregung wird enden und sollte langfristige Anleger nicht abschrecken. Es gibt jedoch weitreichendere Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Märkte. Es ist wichtig, dass Investieren für eine ganze Generation neuer Investoren nicht zum Synonym für Glücksspiel wird. Dies wäre nicht nur schlecht für den Markt, sondern auch schlecht für die Anleger selbst, wenn sie verlieren - und es würde ihre negative Einstellung gegenüber der Wall Street weiter verstärken.“

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