Sven Giegold, MdE:
"Am Kapitalmarkt [...] finden riesige Machtverschiebungen statt. Immer mehr Geld befindet sich in den Händen einiger weniger sehr großer Fonds. [...] sie setzen das Management unter Druck, kurzfristig und dann auch regelmäßig Rendite zu liefern. So drohen Großinvestoren zu den eigentlichen Strippenziehern in unserem Wirtschaftssystem zu werden. Das ist das Gegenteil von sozialer Marktwirtschaft und Mitbestimmung. Wie soll ein Betriebsrat mit einem millionenschweren Investor mithalten können?
Es ist uns jetzt gelungen, diese großen Kapitalanleger zu mehr Transparenz zu verpflichten. Bisher mussten nur die betroffenen Unternehmen berichten, wer bei ihnen investiert und große Anteile hält. In Zukunft müssen Blackrock und Co. selbst veröffentlichen, wo sie mit mehr als fünf Prozent beteiligt sind. Zusätzlich müssen sie offenlegen, wie sie von ihren Stimmrechten Gebrauch machen.
Mit der EU-Verordnung über große Investmentfirmen haben wir jetzt auf grüne Initiative einen ersten Schritt geschafft. Wir brauchen aber über die neuen Veränderungen im Finanzmarktkapitalismus eine breite demokratische Debatte – genauso wie damals, als wir angefangen haben, über die Eindämmung der Währungsspekulation oder über Steuern auf Finanztransaktionen zu diskutieren. [...] wir wollten Transparenz, wenn große Anteilseigner Investorengespräche mit den Firmen führen, denn dabei fallen wichtige Entscheidungen über den Unternehmenskurs. Das ist an Christdemokraten und Rechtskonservativen wie Ex-AfD-Mann Lucke gescheitert. Aber noch einmal: Darüber hinaus sind diese Beteiligungen ein Fall für das Kartellamt und die Wettbewerbshüter der EU.
[..] ich finde zum Beispiel das schwedische Modell eines „Bürgerfonds“ für die Altersvorsorge sehr attraktiv. Nicht, um die öffentliche Rente zu schwächen, die müssen wir eher stärken. Aber wenn Menschen zusätzlich privat vorsorgen wollen, wäre Schweden ein gutes Vorbild. Das Kapital wird im „Bürgerfonds“ gesammelt. Der investiert in Unternehmen und wird damit selbst zu einem stabilisierenden Akteur, anders als die privaten Fonds.[...]
Es sollte klargestellt werden, in welchen Sektoren gemeinwohlorientierte Akteure besser sind – ganz eindeutig gilt das für die Daseinsvorsorge. Da kann es zum Beispiel genossenschaftliche Organisationsformen geben, aber auch öffentliche Unternehmen. Jedenfalls müssen es Akteure sein, deren Hauptziel nicht die Maximierung von Gewinn ist, sondern ein öffentlicher Versorgungsauftrag. In anderen Bereichen dagegen muss der Staat regulieren, aber nicht selber das Wirtschaften übernehmen. [...] Die klassischen Sektoren der Daseinsvorsorge sind zum Beispiel Wasser und Nahverkehr, aber auch weite Teile des Gesundheitswesens oder der Bildung und die Jugendarbeit.
Ich hielte es nicht für besonders schlau, alle privaten Vermieter zu enteignen. Aber wir brauchen viel stärkere staatliche Eingriffe, damit klar ist: Knapper Boden in den Städten ist für die Bürger da, nicht zur Gewinnmaximierung. Ich finde es gut, dass wir die Debatte über die Gemeinwohlverpflichtung privater Vermieter jetzt führen. [...] Enteignet wird von Bund und Ländern ja ständig, eben nur nicht zum Schutz schwacher Mieter. Aktuell laufen 65 Verfahren zur Enteignung für den Straßenbau." (Sven Giegold spricht über Wege zu einer sozialeren EU FR 7.5. 2019, S.15 - Hervorhebungen von Fonty)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen