Dienstag, 30. Oktober 2018

euro|topics: Wie schnell geht die Ära Merkel zu Ende?

Angela Merkel wird nach 18 Jahren an der Spitze der CDU den Parteivorsitz abgeben. Als Kanzlerin möchte sie bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 die Regierung führen. Einigen Kommentatoren missfällt ihr Rückzug auf Raten. Andere glauben, dass ihr Abgang zur rechten Zeit beginnt.
DIE PRESSE (AT)

Verlust von Autorität und Glaubwürdigkeit

Den Rückzug auf Raten hält Die Presse für keine gute Strategie:
„Parteivorsitz und Kanzlerschaft gehören zusammen: Das war ein ehernes Prinzip der deutschen Regierungschefin. Sie wiederholte es immer wieder. Bis gestern, als die mächtigste Frau Europas ihre Grundsätze brach und nach 18 Jahren an der Spitze der CDU ihren Verzicht auf das Amt des Parteichefs kundtat. Im Angesicht von Umfragetiefs und Wahlpleiten räumte Merkel auch ein zweites ihrer Machtprinzipien ab: Nenne kein Ablaufdatum! 'Die vierte Amtszeit ist meine letzte', sprach die Kanzlerin. Angela Merkel hätte besser bei Angela Merkel nachgelesen. Ihr halber Abgang ist ein 'Autoritätsverlust auf ganzer Linie' (und ein Glaubwürdigkeitsverlust obendrein). Wer nicht mehr in der Lage ist, eine Partei zu führen, der sollte auch kein Land regieren.“
Jürgen Streihammer
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THE DAILY TELEGRAPH (GB)

Rückzug auf Raten macht alles schlimmer

Dass Angela Merkel vorerst Kanzlerin bleiben will, wird die politische Mitte in Deutschland und Europa weiter schwächen, warnt The Daily Telegraph:
„Das Vermächtnis Angela Merkels in ihrer Heimat und in der EU scheint Stillstand zu sein. Die Zersplitterung des politischen Spektrums in Deutschland fällt in ihre Regentschaft und hat dazu geführt, dass in Europas Machtzentrum das Schreckgespenst der Unregierbarkeit umgeht. Indem Merkel auch nach dem kommenden Dezember Kanzlerin bleiben will, wird sie diesen beunruhigenden Trend weiter verstärken. Die politische Polarisierung in der EU prägte Merkels 13 Jahre als dominierende politische Persönlichkeit Europas. Ihr Rückzug auf Raten wird diese nicht rückgängig machen.“
Mark Almond
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HOSPODÁŘSKÉ NOVINY (CZ)

Schlechte Nachricht für Europa

Der angekündigte Rückzug Merkels erfüllt Hospodářské noviny mit Sorge:
„Egal, was wir von der Kanzlerin und ihrer Partei denken - die EU braucht ein stabiles und berechenbares Deutschland als Motor, idealerweise im Tandem mit Frankreich. So gesehen, ist Merkels Ankündigung eine schlechte Nachricht für Europa. ... Mit ihrer unerwarteten Entscheidung - der wenig überdachten, aber sehr menschlichen Geste der Öffnung der Grenzen Deutschlands und Europas für Hunderttausende Flüchtlinge - ist ihr ein sorgsam geplanter Abgang aus den Händen geglitten. ... Die Deutschen durchlebten dank Merkel die turbulentesten Zeiten seit Ende des Krieges in einer Art Blase, symbolisiert von einem Budgetüberschuss, einer relativ schwachen Armee und einem starken Sozialstaat. Jedweder Nachfolger wird es zu Hause wie im Ausland schwer haben.“
Martin Ehl
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HELSINGIN SANOMAT (FI)

Der Anfang vom schnellen Ende

Dass Merkel noch bis 2021 als Kanzlerin durchhält, bezweifelt Journalist Heikki Aittokoski in Helsingin Sanomat:
„Merkel möchte Kanzlerin bleiben, doch es ist schwierig, ihren Rückzug vom Parteivorsitz nicht als den entscheidenden Schritt zu sehen, mit dem das Ende eines Zeitalters eingeläutet wird. Es ist im Prinzip möglich, dass Merkel tatsächlich noch die gesamte Legislaturperiode, also bis 2021, Kanzlerin bleibt. Aber ich würde dafür keine Münze der Gemeinschaftswährung verwetten. Die Koalition in Deutschland ist von dauerhaften Spannungen geprägt. Und der oder die neue CDU-Vorsitzende - wer immer auch gewählt wird - will sicher nicht jahrelang in Merkels Schatten stehen.“
Heikki Aittokoski
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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)

Gerade noch rechtzeitig

Die Süddeutsche Zeitung verteidigt Merkel gegen den Vorwurf, zu lange an der Macht festgehalten zu haben:
„Merkel sah sich 2017 in der Pflicht, angesichts eines unberechenbaren neuen US-Präsidenten und der weltweit entfesselten Furien des Nationalismus. Als Europa und die USA torkelten, trat Angela Merkel wieder an - weniger aus Lust denn aus Pflicht. Aber das reichte und reicht nicht. Das Bittere war und ist, dass man seit ihrer Wiederwahl die Lust- und Kraftlosigkeit der Kanzlerin spürt. ... Merkels Erfolgsrezept war der Erfolg - solange sie ihn hatte; seitdem er bröckelte und schließlich ausblieb, wuchsen die Zweifel an ihrer Führungsstärke. In der gerade noch rechtzeitigen Abgabe der Parteiführung hat sie die Kraft noch einmal aktiviert.“
Heribert Prantl
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HABERTÜRK (TR)

Noch zehn weitere Jahre wären möglich

Merkels Schritt ist angesichts ihrer Erfolgsbilanz erstaunlich, findet die Habertürk:
„Angela Merkel, unbestritten die erfolgreichste und stärkste Führungsfigur Europas, hat ankündigt, dass sie beim Parteitag in zwei Monaten nicht mehr als Parteichefin kandidieren werde. Während ganz Europa reihenweise in Krisen versank, schaffte sie es, Deutschland herauszuhalten und zur wirtschaftlichen Führungsmacht Europas aufsteigen zu lassen, diesen Wirtschaftserfolg mit einer Steigerung ihrer politischen Macht zu krönen und das reale Wachstum im Land stetig ansteigen zu lassen. Nun hört sie auf - und das mit nur 64 Jahren. Und weil sie das Amt niederlegt, verliert Europas Währung, der Euro, an Wert. Dabei hätte sie vermutlich die Kraft, ihr Land weitere zehn Jahre zu führen.“
Fatih Altaylı
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RZECZPOSPOLITA (PL)

Kanzlerin ließ das "C" verblassen

Warum die Kanzlerin in ihrer eigenen Partei immer mehr an Rückhalt verloren hat, erklärt Rzeczpospolita:
„Die Ursache für die Unruhe in der CDU ist nicht nur die Unzufriedenheit mit Merkels Einwanderungspolitik, die vor einigen Wochen zu einem heftigen Konflikt mit der bayerischen CSU führte und die Stabilität der Regierung in Berlin bedrohte. Viele konservative Politiker wollen sich nicht damit abfinden, dass das 'C' im Namen der CDU verblasst, das Christliche. Es ist das Werk von Merkel, die ihre Partei stark in Richtung der politischen Mitte bewegt hat. Sie gewann Wahlen, aber mit immer schwächeren Ergebnissen.“
Piotr Jendroszczyk
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