Samstag, 8. Mai 2021

euro|topics: Was bringt Bidens Vorschlag zu Impfstoff-Patenten?

 

Mit seinem Vorschlag, den Patentschutz für Covid-19-Impfstoffe temporär aufzuheben, hat US-Präsident Biden eine globale Debatte ausgelöst. Kommissionschefin von der Leyen erklärte, die EU sei bereit, den Vorschlag zu diskutieren, betonte aber, dass es zunächst wichtiger sei, Exporte zu erlauben. Wie der Impfstoff am besten gerecht verteilt werden kann, diskutieren auch Europas Kommentatoren.

POLITIKEN (DK)

Wieder einmal vorbildlich

Politiken ist voll des Lobes für Bidens Vorstoß:

„Das Wohl der Menschheit muss in diesem Fall Vorrang vor Profitinteressen haben. Dass Präsident Biden die USA in diesen Kampf hineingeworfen hat, gereicht ihm und seiner Regierung zur Ehre. Erneut hat Amerikas neue politische Führung Europa in Sachen progressive Tagesordnung überholt. Die EU ist bisher gegen die Aufhebung des Patentschutzes; Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen hat nur vorsichtig erklärt, man sei bereit, den Vorschlag der USA zu diskutieren . ... In den 1990er Jahren und zu Jahrtausendbeginn verzögerten Patente die Bereitstellung von Medikamenten gegen HIV in armen Ländern - das kostete Millionen von Menschen das Leben. Sorgt dafür, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.“

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DER TAGESSPIEGEL (DE)

Nicht so selbstlos, wie es scheint

Biden verfolgt auch geopolitische Interessen, meint hingegen Der Tagesspiegel:

„[D]ie USA [sammeln] international politisches Kapital für den 'Systemkonflikt' mit China. Wie Russland nutzt China die Pandemie für eine Art Impfstoff-Diplomatie. Anders als die USA exportiert das Land Teile seiner Impfstoffe Sinovac und Sinopharm, oft mit großem öffentlichkeitswirksamem Tamtam. ... Indem sie sich für die Freigabe von Patenten einsetzen, zeigen sich die USA solidarisch mit ärmeren Ländern, nicht zuletzt in Afrika, die Teil der chinesischen (Gesundheits-)Seidenstraße sind. Für die USA ist das außerdem die Möglichkeit, ihr Verhältnis zu Indien zu vertiefen, das den Antrag gestellt hat.“

Anna Sauerbrey
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L'OPINION (FR)

Adieu, Innovation!

L'Opinion warnt:

„Die Aufhebung des Patentschutzes könnte eine katastrophale Auswirkung haben: das Kapital aus der Forschung zu vergraulen. Wer geht noch das Risiko ein, Hunderte Millionen in die Entwicklung eines Moleküls zu investieren, wenn man im Erfolgsfall (der weniger häufig eintritt als ein Scheitern) um Rückflüsse gebracht wird? Das Argument ist in Frankreich schwer hervorzubringen, denn hier ist Geld verpönt, vor allem, wenn es 'mit der Gesundheit der Leute' verdient wurde. Die Impfstoffe gegen Covid-19 bringen ein paar Milliardäre hervor? Sie haben Zehntausende Leben gerettet und bringen uns bald unsere Freiheiten zurück! Wenden wir das Antireichen-Moralin auf die Pharmaindustrie an, werden wir uns eines Tages von innovativen Heilmitteln verabschieden müssen.“

Olivier Auguste
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PROTAGON.GR (GR)

Patentfreigabe nur erster Schritt

Das Know-how für die Herstellung eines Impfstoffs ist viel wichtiger als die Patente, schreibt das Webportal Protagon:

„Indien oder Südafrika, die sagen, dass sie den Impfstoff herstellen können, stoßen bei der europäischen Presse auf Skepsis; die Erstellung einer Produktionslinie dauert schließlich Jahre. Andererseits ist es unbedingt nötig, eine Lösung zu finden. Selbst, wenn wir den humanitären Aspekt ignorieren - wenn die armen Länder ungeschützt bleiben, werden sie zu Reservoirs für Virusmutationen. Ein Patent reicht also nicht aus, das wäre ein Strohfeuer. Es geht um den Transfer von Know-how. Und wir haben es mit Pharmaunternehmen zu tun, nicht mit Wohltätigkeitsorganisationen.“

Kostas Giannakidis
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CINCO DÍAS (ES)

Das dauert alles zu lange

Auch Cinco Días glaubt, dass eine Patent-Aufhebung die globale Verteilung der Impfstoffe kaum beschleunigt:

„Eines der Probleme liegt in der Institution, die sie umsetzen soll, der WTO [von der der Vorschlag ursprünglich kam], deren hinlänglich bekanntes Tempo den Beschluss verzögern könnte, bis die Pandemie längst Geschichte ist. Hinzu kommen der Widerstand einiger Staaten, die sich öffentlich hinter die Initiative stellen, gleichzeitig aber gegen Impfstoffexporte stemmen. ... Die schnellste und flexibelste Variante wäre, auf ein Abkommen zwischen den Pharmakonzernen mit Patentrechten und anderen Laboren hinzuwirken, um die Produktion des Impfstoffs zu beschleunigen und gleichzeitig die Exportrestriktionen aufzuheben. Aber dazu braucht es die Bereitschaft der Unternehmen und die effektive Unterstützung der Politik.“

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