Donnerstag, 9. Januar 2020

euro|topics: Vorläufige Entspannung im USA-Iran-Konflikt - Pipeline Turkstream - Brexit


Iranische Milizen haben am gestrigen Mittwoch mehrere US-Stützpunkte im Irak als Reaktion auf die Liquidierung General Soleimanis beschossen. Dank rechtzeitiger Warnung kamen nach US-Angaben keine Soldaten zu Schaden. Präsident Trump erklärte, auf Gegenschläge zu verzichten. Ein Krieg ist damit vorerst abgewendet, die Lage bleibt aber angespannt, analysieren europäische Medien.
LIDOVÉ NOVINY (CZ)

Erstaunlich klassische Außenpolitik

Überrascht zeigt sich Lidové noviny von den Äußerungen Trumps nach dem iranischen Raketenangriff:
„Viele haben eine harte Antwort erwartet. Doch nichts dergleichen kam. Trump definierte präzise, vernünftige Forderungen an Teheran. Vor allem verlangt er einen Vertrag, damit der Iran wirklich niemals Atomwaffen bekommt und aufhört, Terroristen zu unterstützen. ... Stimmt der Iran zu, will er mit ihm zusammenarbeiten. Wenn nicht, drohen noch härtere Wirtschaftssanktionen. Eine klassische Politik von Zuckerbrot und Peitsche. Trump hofft, dass das funktionieren wird. Und vor allem auch schnell. Er weiß, dass es nichts mehr zu diskutieren gibt, wenn der Iran erst einmal über die Atombombe verfügt.“
Marek Hudema
Teilen auf
zur Homepage
 
CORRIERE DELLA SERA (IT)

Schmaler Grat der Deeskalation

Vage Hoffnung auf eine Deeskalation bringt USA- Korrespondent Massimo Gaggi in Corriere della Sera zum Ausdruck:
„Der amerikanische Präsident, besessen von der Angst, vor seinen Wählern schwach zu erscheinen, will hart sein, hat aber kein Interesse daran, den Wahlkampf mit Hunderttausenden von US-Soldaten auf den Schlachtfeldern des Nahen Ostens zu führen. Die Ayatollahs wissen, dass sie einen katastrophalen Krieg für alle entfesseln, aber nicht gewinnen können. … In einer nach wie vor explosiven Situation zeichnet sich somit eine mögliche Deeskalation ab. Ein schmaler und verschlungener Weg, der von möglichen indirekten Vergeltungsschlägen des Iran durch die Hisbollah und andere verbündete Milizen bedroht wird, aber auch von unvorhersehbaren Reaktionen Trumps im Falle neuer Racheakte Teherans.“
Massimo Gaggi
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
DE TELEGRAAF (NL)

Nun übernehmen wieder die iranischen Milizen

Der Gegenschlag des Irans im Irak hat nach ersten Berichten vermutlich nur wenig Schaden verursacht. Er war eine wohlüberlegte Aktion, analysiert De Telegraaf:
„Er war vor allem gedacht als Show, um der eigenen Bevölkerung, Amerika und dem Rest der Welt zu zeigen, dass der Iran nicht vor der Konfrontation mit den USA zurückschreckt. Der echte Kampf gegen die Amerikaner wird sich aber erneut im Schatten abspielen, wo er bereits seit Jahrzehnten läuft. ... Die wichtigsten Milizen im Irak sagen, dass nun sie an der Reihe sind, die USA anzugreifen. Das Einschalten der Milizen in der Region gegen amerikanische Ziele ist eine Taktik, die Soleimani in den vergangenen Jahren verfeinerte und die wahrscheinlich von seinem Nachfolger fortgesetzt wird. Es gibt Teheran die Möglichkeit zu handeln, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. “
Zum Originalartikel
Teilen auf
 
HELSINGIN SANOMAT (FI)

USA und Iran gleichermaßen auf Kurssuche

Nicht nur die US-Innenpolitik wirkt sich auf die Krise im Nahen Osten aus, betont Helsingin Sanomat:
„Als Erklärung für Trumps Handlungen wird häufig auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen verwiesen. Gleichzeitig wird vergessen, dass auch der Iran gespalten ist und im Land um die künftigen Machtpositionen gerungen wird. … Im Iran wird darum gestritten, wer zum Nachfolger des religiösen Führers Ali Chamenei gewählt wird. Chamenei ist 80 Jahre alt und es gibt Gerüchte um seinen Gesundheitszustand. Auch wenn das Volk den Nachfolger nicht wählt, so glauben doch viele potentielle Nachfolger, von einer angespannteren Stimmung im Lande profitieren zu können.“
Zum Originalartikel
Teilen auf
Vorläufige Entspannung im USA-Iran-Konflikt
Teilen auf
Was bedeutet die Pipeline Turkstream für Europa?
Die Präsidenten der Türkei und Russlands, Erdoğan und Putin, haben am Mittwoch die Gaspipeline Turkstream offiziell eröffnet. Die 930 Kilometer lange Röhre verläuft durch das Schwarze Meer und soll nicht nur die Türkei, sondern auch Südosteuropa mit russischem Erdgas versorgen. Kommentatoren diskutieren, warum Moskau und Ankara feiern können.
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (DE)

EU-Einfluss auf dem Balkan schwindet

Dass Russland und die Türkei mit Turkstream in der Balkan-Reagion punkten können, hat sich die EU auch selbst zuzuschreiben, konstatiert der Südosteuropa-Korrespondent der Frankfurter Allgemeine Zeitung, Michael Martens:
„Moskau und Ankara [gewinnen] damit Zugriff auf einen Teil der Energiesicherheit in der fragilen Kleinstaatenwelt Südosteuropas. Das ist keine beruhigende Aussicht für die EU. Deren Einfluss sinkt auch deshalb, weil die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft seit Macrons Veto gegen Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien im vergangenen Jahr nicht mehr glaubhaft ist. Wenn die EU, Berlin und Paris nicht eine aktivere Rolle spielen, werden sie in Südosteuropa weiter ins Hintertreffen geraten.“
Michael Martens
Teilen auf
zur Homepage
 
RIA NOWOSTI (RU)

Russischer Ruhepol im globalen Chaos

Die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti singt angesichts der Pipeline-Eröffnung inmitten eines Kriegsszenarios ein Loblied auf Russlands friedensstiftende Rolle:
„Russland gibt ein Musterbeispiel für planmäßige Arbeit, die keine äußeren Stürme erschüttern können. Sein Einfluss ist groß genug, dass ihm gegenüber sogar Länder, die sonst zu harschen Worten und Schritten neigen, eine weitaus ruhigere und abgewogene Position einnehmen. Gemeint ist unter anderem die Türkei, die sich zwar immer wieder einmal wegen Differenzen mit Russland beleidigt zeigt (so zuletzt wegen Libyen), aber alles in allem im Rahmen einer gefestigten Zusammenarbeit agiert. Russland ist zu einem neuen Zentrum geworden - bereit, die Welt vom Abrutschen ins Chaos abzuhalten und ein neues globales System zu errichten. Moskau bietet dabei allen einfache Regeln an: konstruktive Zusammenarbeit auf Basis von Pragmatismus und gegenseitigem Nutzen.“
Irina Alksnis
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
DAILY SABAH (TR)

Frieden durch Handel

Die neue Pipeline kann das Konfliktrisiko zwischen zwei "Großen" reduzieren, glaubt die regierungstreue Daily Sabah:
„Der größte wirtschaftliche Beitrag von TurkStream und ähnlichen Projekten ist die Schaffung weiterer wirtschaftlicher Beziehungen zwischen der Türkei und Russland. Nehmen die wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen den Ländern zu, werden ihre Konflikte abnehmen. Beide Länder drohen zu verlieren, wenn sich die Politiker nicht einig sind und die Beziehungen einfrieren. ... Das führt dazu, dass Wirtschaftsführer Lobbyarbeit gegen die jeweiligen Regierungen betreiben, um Konflikte zu vermeiden. Dies sind nicht nur gute Nachrichten für die Türkei und Russland, sondern auch für das Nato-Bündnis.“
Taha Meli Arvas
Teilen auf
Zum Originalartikel
Was bedeutet die Pipeline Turkstream für Europa?
Teilen auf
Von der Leyen in London: Erstes Brexit-Kräftemessen
Am Mittwoch hat EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen erstmals den britischen Premier Johnson in London besucht. Dabei kündigte sie an, Brüssel werde bei den Verhandlungen über die Rahmenbedingungen für den Brexit in zentralen Punkten keine Kompromisse machen können. Kommentatoren diskutieren, mit welchen Zielen beide Seiten in die Gespräche einsteigen - und wer am längeren Hebel sitzt.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)

Großbritannien ist politisch im Vorteil

Wer denkt, im Brexit-Drama sei das Schlimmste überstanden, liegt falsch, warnt die Süddeutsche Zeitung:
„Die Verhandlungen über die künftige Beziehung werden weitaus härter als jene über den Austrittsvertrag. Qua Wirtschaftskraft sitzt die EU zwar nach wie vor am längeren Hebel. Doch politisch werden sich die Gewichte dramatisch verändern. Mit Boris Johnson gibt es nun einen Premierminister, der über eine Macht verfügt wie lange niemand in Downing Street. Auf der anderen Seite steht eine Kommissionschefin, die es sehr viel schwerer hat als ihr Vorgänger. Noch können die EU-Staaten ihre Einheit wahren. Doch sobald es um ein Freihandelsabkommen nach dem Brexit geht, werden die unterschiedlichen Interessen aufflammen. Johnson kennt die alten Freunde in der EU. Der Premier wird sie auf eine harte Probe stellen. Er wird versuchen, die Union zu spalten.“
Alexander Mühlauer

Keine Kommentare: