Dienstag, 7. September 2021

euro|topics: Wie umgehen mit den Folgen von 9/11 ?

 

Diplomatie mit den Taliban: Geht es nur noch ums Wie?

Vor knapp einer Woche ist das Ultimatum der Taliban zur Evakuierung der westlichen Kräfte aus Afghanistan abgelaufen. Nun haben sich die 27 EU-Außenminister auf gemeinsame "Prüfsteine" für die erwartete Regierung in Kabul geeinigt. Wenn die erfüllt würden, könne Geld fließen. Während sich einige Kommentatoren verwundert die Augen reiben, machen andere klar, wie die Prüfsteine aussehen sollten.

LOST IN EUROPE (DE)

Erst kapitulieren, dann kooperieren

Über die Verhandlungsbereitschaft der Europäer kann sich Eric Bonse auf seinem Blog Lost in EUrope nur wundern:

„Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen! Die Europäer werden aus Kabul verjagt – und wollen schon wenige Tage später mit den islamistischen Siegern zusammenarbeiten und ihnen auch noch die Bedingungen diktieren? Man reibt sich die Augen. Nicht ein Außenminister hat es gewagt, die Hauptverantwortlichen für das Debakel – die USA – zu kritisieren. Niemand kam auf die Idee, dass nun die Amerikaner die Scherben zusammenkehren müssten. Nein – die EU will es richten, denn sie hat Angst vor Flüchtlingsströmen.“

Eric Bonse
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TAZ, DIE TAGESZEITUNG (DE)

Frauen an den Verhandlungstisch

Die Bedingung, um überhaupt mit den Taliban zu sprechen, muss uneingeschränkt gleiches Recht für Frauen sein, stellt die taz klar:

„Das bedeutet erstens, dass diese Verhandlungen keine unter Männern werden dürfen. Die Taliban müssen von vornherein akzeptieren, was gleiche Rechte bedeuten: Frauen sitzen mit am Verhandlungstisch. ... Zudem müssen Frauenrechtlerinnen und ihre Angehörigen als besonders schutzbedürftige Personen eingestuft werden. ... Sie brauchen sichere Wege, um das Land verlassen, und Aufnahmeprogramme, um anderswo sicher leben zu können. Und schließlich müssen für afghanische Frauen die Grund- und Menschenrechte gelten.“

Patricia Hecht
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T24 (TR)

Nichts überstürzen

Türkische Diplomaten und Geheimdienstler haben bereits erste Gespräche mit den Taliban geführt. Diese Eile ist problematisch, findet Journalistin Barçın Yinanç auf T24:

„Natürlich sind die Taliban der wichtigste Akteur im Land und natürlich muss man die Gesprächskanäle offen halten. Doch werden nun die anderen ethnischen Gruppen des Landes, die sich der Türkei seit Jahren nahe fühlen, ignoriert? Wird die Türkei nun nicht mehr in die Augen der Frauen und Männer blicken, die sich vor dem repressiven Regime der Taliban fürchten? ... Ich stimme auch nicht mit denen überein, die die Ansicht vertreten 'Man muss sich mit den Taliban arrangieren, um keine Investitionsmöglichkeiten zu verpassen.' Es ist nicht klar, ob das Land kurzfristig die nötige Stabilität erreichen wird. ... Vielmehr sollte man eine grundsätzliche Haltung gegenüber den Taliban einnehmen, die auf fundamentalen Werten basiert.“

Barçın Yinanç
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DIÁRIO DE NOTÍCIAS (PT)

Eine Chance für die Uno

Die Vereinten Nationen sollten eine wichtige Rolle in Afghanistan übernehmen, findet der ehemalige Uno-Diplomat Victor Ângelo in Diário de Notícias:

„Guterres sollte die Initiative ergreifen und Verhandlungen mit den Taliban aufnehmen. Sie müssen sich orientieren an den Menschenrechten und den Verpflichtungen, die Afghanistan an die Gemeinschaft der Nationen binden. ... Die Uno ist vor allem eine politische Organisation. Sie sollte nicht nur eine humanitäre oder entwicklungspolitische Agenda verfolgen. Natürlich sollte sie eine vollständige und kohärente Antwort geben, die diese Dimensionen umfasst. Doch ihr Motor sollte politisch sein. Und die neue Taliban-Herausforderung gibt der Uno die Chance, ihre eigene Geschichte wiederzufinden und ihr Image zu schärfen als ein unverzichtbarer Protagonist der internationalen Beziehungen.“

Victor Ângelo
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Diplomatie mit den Taliban: Geht es nur noch ums Wie?
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20 Jahre nach 9/11: Einkehr und Ernüchterung

Am Samstag jähren sich die Terroranschläge vom 11. September 2001 zum zwanzigsten Mal. Bei Selbstmordattentaten mit Flugzeugen auf das World Trade Center und das Pentagon starben 2.996 Menschen (inklusive der 19 Attentäter), über 6.000 wurden verletzt. Die USA reagierten mit verschärften Überwachungsgesetzen und dem "War on Terror", zu dem als erster Nato-Bündnisfall auch die Intervention in Afghanistan und der Irak-Krieg ab 2002 gehören.

EXPRESSO (PT)

Vergeblicher Versuch, Zeit zu gewinnen

Der 11. September 2001 bleibt die offene Wunde dieses Jahrhunderts, befindet Expresso:

„Der von Bin Laden befohlene Angriff hat in diesem Jahrhundert eine Entwicklung eröffnet, die nie zu Ende ging. Zeit zu gewinnen war deshalb nicht mehr als ein frommer Wunsch. Der 20. Jahrestag konfrontiert uns mit vielen alten Problemen. Afghanistan fällt ins Jahr 2001 zurück, die USA wenden sich selbst und dem Pazifik zu, Guantánamo stellt weiterhin die Idee von Gerechtigkeit in Frage, die Kontrolle der Bürger durch die Staaten ist uneingeschränkt, die Angst vor einer Welle muslimischer Geflüchteter bedroht die europäische Politik. Wir haben versucht, Zeit zu gewinnen, aber die Zeit hat gewonnen.“

Ricardo Costa
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THE IRISH TIMES (IE)

Bin Laden hat gewonnen

Die Reaktion der USA auf die Terrorakte hat letztlich viel mehr Schaden angerichtet als die Anschläge selbst, zieht Kolumnist Fintan O'Toole in The Irish Times verbittert Bilanz:

„Dem Terror vom 11. September fielen 2977 Menschen zum Opfer - eine erschreckend hohe Zahl. Doch durch die dadurch ausgelösten Kriege wurden 801.000 Menschen direkt getötet und deutlich mehr indirekt. 38 Millionen Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Die USA haben 6,4 Billionen Dollar (5,4 Billionen Euro) ausgegeben, um all das zu erreichen. Dies ist sicherlich mehr, als Osama bin Laden in seinem fanatischen Herzen jemals zu träumen gewagt hätte. Die große Tragödie für die Hinterbliebenen und die Überlebenden des 11. Septembers 2001 besteht darin, dass bin Laden tatsächlich gewonnen hat.“

Fintan O'Toole
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THE DAILY TELEGRAPH (GB)

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