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In Ungarn demonstrieren Tausende seit mehreren Tagen gegen ein neues Arbeitszeitgesetz und die Politik der national-konservativen Regierung. Die Proteste werden auch von einem breiten Bündnis der Oppositionsparteien und Gewerkschaften getragen. Die starke Mobilisierung hat nach Ansicht von Kommentatoren vor allem mit strategischen Fehlern von Premier Orbán zu tun.
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Opposition mit neuer Haltung
Die Opposition spielt bei den Protesten eine zentrale Rolle, erklärt das unabhängige Internetportal Index:
„Für sie ist es nun kein Problem mehr, die Initiative zu ergreifen, sich zusammenzuschließen und symbolische Politik zu machen. Innerhalb einer Woche hat sich ihr Verhältnis zum System Orbán von Grund auf verändert. ... Es wird sich erst langfristig zeigen, ob Orbán den richtigen Instinkt hatte, ob es richtig war, auf den 400 Überstunden zu bestehen und damit in Kauf zu nehmen, dass die Opposition sich radikalisiert. Wenn es dieser gelingt, das Thema kontinuierlich auf der Tagesordnung zu halten und die Menschen auf die Straße zu bringen, dann könnte ein neues Lager entstehen, das Pfeifen, Sirenen und Rauchbomben verwendet und so gar nicht mehr in Orbáns System der nationalen Zusammenarbeit passt.“
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Was Orbán verlernt hat
An den Protesten der ungarischen Bevölkerung ist Orbán selbst schuld, erklärt Der Standard:
„Orbán hat verlernt, wie man gesellschaftliche Debatten führt. Kompromisse im Parlament hat er nicht nötig, gegängelte Medien üben keine Kritik, eine weltoffene Uni wird aus dem Land geekelt, angebliche Bürgerbefragungen strotzen vor Suggestivfragen. Und wenn sich doch einmal Widerstand regt, dann heißt der Sündenbock - wie auch im Fall der jüngsten Proteste - George Soros. Noch lässt sich schwer einschätzen, ob die neue Bewegung, die von links bis ganz rechts reicht und mittlerweile auch auf die Korruption zielt, Orbán langfristig schaden kann. Sicher ist nur: Die Gesprächsverweigerung als politisches Konzept hat auch in Ungarn keine Zukunft.“
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Premier züchtet ungarische Gelbwesten
Ungarns Premier hat zu viele Fehler auf einmal gemacht, analysiert das Onlineportal Aktuality.sk:
„Orbáns Argumente haben die Straße bislang nicht überzeugt. Das Gesetz liegt auch nicht im Interesse der arbeitenden Menschen. Was etwa wird mit der Bezahlung der zwangsweisen Überstunden nach einem Zeitraum von drei Jahren, sollte die Firma dann nicht mehr existieren? Taktisch unklug verärgert Orbán zudem die Intellektuellen mit einer Art Justizreform. Der Premier hat es damit geschafft, Gewerkschaften und Intellektuelle gemeinsam gegen sich aufzubringen. Es wäre nicht überraschend, wenn die Proteste Massencharakter annehmen würden, nach dem Muster der französischen Gelbwesten.“
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Vorerst nur eine Verwarnung
Die ungarische Regierung muss die anhaltenden Demonstrationen zunächst nicht fürchten, prognostiziert die Tageszeitung Polityka:
„Die Proteste in Budapest werden wohl kaum zu einer politischen Krise führen. Die Regierungspartei Fidesz ist immer noch beliebt und die Opposition ist schwach und gespalten. Doch Fidesz erhält eine gelbe Karte. Die Partei bekommt eine Warnung von den Wählern, die mit ihren Protesten zeigen, dass sie soziale Rechte eher verteidigen als die Demokratie. Bei jedem großen gesellschaftlichen Protest, auch bei der polnischen Solidarność-Bewegung, konnte man dieselbe Logik beobachten: Mit der Zeit dehnten sich die sozialen Forderungen zu politischen aus. Auch in Ungarn könnte es bald soweit sein.“
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In einer Demokratie ist Gewalt kein Mittel
Es gibt eine Parallele zwischen den Demonstrationen in Paris, Bukarest und Budapest, kommentiert Krónika:
„Die Radikalen, die mit der Zerstörung von Paris gegen Macrons Politik protestieren, die Aufrührer von Bukarest, die die friedliche Bewegung der rumänischen Diaspora gekapert haben und einige der ungarischen Demonstranten, die in diesen Tagen gewaltbereit auf die Straßen von Budapest gehen, leben in dem Irrglauben, dass man eine demokratisch gewählte Regierung, mit undemokratischen Mitteln - wie dem Angriff auf Polizei und Parlament - stürzen kann. Dabei sollte man nicht vergessen, dass wir nicht das Jahr 1989 schreiben. Wir leben nicht in einer Diktatur. Darum sind Gewalt, das Zerschlagen von Fenstern des Parlaments oder Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften keine Option.“
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Frankreichs Innenminister Castaner hat die Polizei am Montag aufgefordert, die letzten Barrikaden der Gelbwesten zu räumen. Am vergangenen Wochenende nahmen nach offiziellen Angaben landesweit nur noch rund 33.000 Menschen an den Protesten teil. Während einige Kommentatoren die Bewegung bereits sterben sehen, haben andere Hoffnung, dass sie sich wieder aufrappelt.
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Protestbewegung zum Scheitern verurteilt
Der Philosoph Slavoj Žižek beschäftigt sich in The Independent mit den Zielen der Gelbwesten:
„Zwischen all den Forderungen, die sich hier Bahn brechen, diesem Ausdruck allgemeiner Unzufriedenheit, wissen die Protestierenden nicht wirklich, was sie wollen. Sie haben keine Vision einer Gesellschaft, in der sie leben möchten, sie haben bloß eine Melange von Forderungen, die innerhalb des bestehenden Systems unmöglich erfüllt werden können. Und dennoch richten sie diese an das System. ... Stellen wir uns einen Augenblick lang vor, dass die Protestierenden die Macht übernehmen und sie dann innerhalb des bestehenden Systems ausüben (wie es Syriza in Griechenland getan hat) - was würde geschehen? Wahrscheinlich würde es auf eine wirtschaftliche Katastrophe hinauslaufen.“
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Macron zur Kursänderung gezwungen
Die Proteste werden immer weiter abflauen, glaubt Dnevnik:
„Die Bewegung der Gelbwesten geht wohl langsam dem Ende zu. Zum einen, weil sie die Erhöhung der Spritpreise gestoppt und die Anhebung des Mindestlohns erreicht hat, zum anderen, weil der Terroranschlag in Straßburg die Ereignisse überschattet hat. Doch die Unzufriedenheit ist längst nicht verschwunden und dessen ist man sich offensichtlich auch im Elysée bewusst. Macrons Regierung hat deshalb, vor allem mit Blick auf die Europawahl, den Kurs geändert und angekündigt, sozialen Fragen in der Europapolitik mehr Priorität zu geben. Dies könnte allerdings auch die Defizitgrenze infrage stellen.“
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Gelbe Wut braucht ein Ziel
Die Frankfurter Rundschau empfiehlt den Gelbwesten nun erst einmal eine Atempause einzulegen, um ihre Ziele zu überprüfen:
„Es passt nicht zusammen, Steuersenkungen zu fordern, aber mehr staatliche Hilfen zu verlangen. Sich einzig darin einig zu sein, dass Macron weg soll, hilft nicht, solange es keine Vorstellung davon gibt, was oder wen man stattdessen will. Auch ist es notwendig, sich zur Vereinnahmung seitens der Rechtsextremisten, aber auch der Linkspopulisten zu positionieren. Die Bewegung hat Leute auf die Straße gebracht, die noch nie demonstriert haben. Es wäre schade, wenn die gelbe Wut jetzt im Chaos verpuffen würde. Denn Bewegung wird gebraucht.“
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