In seiner Abschiedsrede hat Barack Obama die US-Amerikaner ermahnt, sich gegen Spaltungstendenzen und für den Erhalt der Demokratie einzusetzen. Er selbst konnte in seiner Amtszeit nichts gegen Ungleichheit und Rassismus ausrichten, kritisieren einige Kommentatoren. Andere loben Obama für seine Integrität.
ABC (ES) Kriege, Rassismus, steigende Ungleichheit
Eine negative Bilanz der Regierungszeit Obamas zieht ABC:
„Obama weiß, dass er eher für seine Rhetorik bewertet wird als für seine Resultate, die objektiv betrachtet eine mittelmäßige oder sogar schlechte Präsidentschaft erkennen lassen. Es ist eben das Privileg der Demokraten, an ihren Worten und nicht an ihren Taten gemessen zu werden. Am Ende der Ära Obama stehen fünf nicht beendete Kriege - Syrien, Irak, Jemen, Libyen und Afghanistan - eine akute Rassismus-Krise, eine durch steigende Ungleichheit geteilte Mittelschicht (trotz guter Ergebnisse an der Börse und am Arbeitsmarkt) und - Progressive bitte herhören - mehr als drei Millionen Einwanderer ohne Papiere, die abgeschoben oder ausgewiesen wurden.“
LA REPUBBLICA (IT)
Sein Zaudern wurde ihm zum Verhängnis
Obama hat sein 'Yes we can' nicht eingelöst, bedauert La Repubblica:
„Die Bilanz internationaler Politik, also die Verluste und Gewinne durch die Strategie einer großen Nation, ist niemals so berechenbar wie die Bilanz eines Unternehmens. Das wird auch Donald Trump bald entdecken, der gewohnt ist, alles in barer Münze zu messen. Doch die Enttäuschung über Obama im Ausland hat ihren Kern in einem Laster, das 2009 noch als Tugend erschien: seinem Zaudern. Der Mann, der mit seinem berühmten Slogan 'Yes we can' ein Zeichen der Hoffnung sendete, hat sich nicht von einer existenziellen Bedingung freimachen können, die sein Leben und seine politische Geschichte geprägt hat: der Furcht, zu widersprechen und sich Feinde zu schaffen. ... Die Angst, in den Augen der weißen Mehrheit als zu radikal und zu militant zu erscheinen. ... Obama ist von Natur aus ein Gemäßigter, ein im Geiste Moderater, vielleicht zu reflexiv, zu intelligent, um ein Oberbefehlshaber zu sein.“
Vittorio Zucconi
DE VOLKSKRANT (NL)
USA bekamen ein menschlicheres Gesicht
Der US-Korrespondent von De Volkskrant, Max Westermann, kann die Kritik am scheidenden US-Präsidenten nicht nachvollziehen:
„Obama holte die Wirtschaft aus der schlimmsten Krise des Jahrhunderts und hinterlässt sie in einem viel besseren Zustand. ... Obama hat seinem Land ein menschlicheres Gesicht gegeben und auch die Liste seiner außenpolitischen Erfolge ist lang. ... Unbestritten ist, dass Obama außergewöhnlich integer ist, ein würdevoller Präsident, der seine Entscheidungen sorgfältig trifft; der mit seiner Familie ein Vorbild an Anstand ist. Gerade deshalb gehen die Obama-Kritiker echt zu weit mit ihrem abwertenden Ton. ... Dass die Hautfarbe des Präsidenten auch die Meinungen über ihn färbt, ist wissenschaftlich bewiesen. Amerikanische Forscher stellten fest, dass Obamas Zustimmungsrate um einige Prozentpunkte höher ausfallen würde, wenn er weiß wäre. Ein schwarzer Präsident muss sich also stärker beweisen, um die gleiche Wertschätzung zu erhalten.“
Max Westerman
FORUM.TM (HR)
Opfer böser Mächte
Der scheidende US-Präsident wird als tragisch gescheiterte Figur in Erinnerung bleiben, meint forum.tm:
„Man wird von seinen Erfolgen im ersten Mandat schreiben, aber in der zweiten Amtszeit ging alles schief - zu Hause und in der Welt. Nicht weil Obamas anfängliche Ideen schlecht waren, sondern weil sie nicht den Interessen der Globalisierung und des Profits entsprachen und dessen mächtigen Vertretern hinter den Kulissen. Von der Bühne tritt ein Präsident, den das System aufgefressen hat, das ihn einst an die Macht brachte. Als sie feststellten, dass er gegen sie ist, dass er die Spielregeln nicht verstehen will, haben sie ihn solange gehalten, wie er ihnen nutzte, um ihn dann langsam zum Ende des Mandats hin den Bach hinuntergehen zu lassen.“
Zlatko Dizdarević
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