Ein weltweit bislang einmaliges Experiment hat Finnland am 1. Januar gestartet: Es testet ein bedingungsloses Grundeinkommen für Arbeitslose. Zwei Jahre lang bekommen 2000 zufällig ausgewählte Personen jeden Monat 560 Euro. Zahlungen wie Wohngeld laufen weiter, außerdem dürfen sie ohne Abzüge Geld dazuverdienen. Für die Presse ist dies ein spannender Pilotversuch.
KALEVA (FI)
Versuch soll endlich Klarheit schaffen
Dass die Idee des Grundeinkommens durch das Pilotprojekt weiterentwickelt wird, hofft Kaleva:
„Mit dem Versuch soll eine Antwort auf die brennende Frage gefunden werden, ob das Grundeinkommen die Beschäftigung ankurbelt oder nicht. Ziel des Grundeinkommens ist es, das System der sozialen Sicherung zu vereinfachen, Motivationshürden zu beseitigen und die erdrückende und zur Passivität führende Bürokratie zu verringern. Einkommen und Sozialleistungen befinden sich derzeit in einer komplizierten Abhängigkeit voneinander, in der alles auf alles einwirkt und Eigenleistung nicht gefördert wird. … Hoffentlich liefert der Versuch der Sozialversicherungsanstalt Kela am Ende Informationen darüber, ob die Erwartung, dass das Grundeinkommen eine anspornende Wirkung hat, erfüllt wird, oder das Szenario der moralischen Katastrophe Realität wird. … Das Modell ist wohl kaum ausgereift und weitere Versuche dürften nötig sein. Aber jetzt hat man endlich einmal begonnen.“
HANDELSBLAD (NL)
Praktisch nicht umsetzbar
Als gut gemeint aber unrealistisch bewertet NRC Handelsblad das Experiment:
„Das Einkommen ist zu gering, um aus dem Test umfassende Schlussfolgerungen zu ziehen. Der Basisbetrag ist vermutlich zu niedrig, um tatsächlich das Verhalten beim Empfänger zu verändern. Und wenn es doch so wäre, wären diese Verhaltensveränderungen nicht tiefgreifend genug, weil die Teilnehmer wissen, dass der Versuch nach zwei Jahren wieder vorbei ist. Das ist schade. ... Die Idee ist sympathisch, doch der wichtigste Einwand ist der der praktischen Umsetzung. Systemveränderungen kann man sich wunderbar ausdenken, aber sie bleiben eben das, was sie sind: der Wandel eines ganzen, komplexen, zusammenhängenden Systems zu einem anderen. Ein reibungslosen Übergang hinzubekommen, ist schwierig.“ (Maarten Schinkel)
LA TRIBUNE (FR)
Folgen für Konsum nicht unterschätzen
Auch La Tribune sieht den Test in Finnland skeptisch und glaubt, dass eine landesweite Einführung eines Grundeinkommens zu erheblichen Schwierigkeiten führen würde:
„Wenn ein großer Teil der Bevölkerung beschließen würde, mit begrenzten Mitteln zu leben, entstünde auf dem Arbeitsmarkt eine Mangelsituation. Dies hätte negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, deren Dynamik gerade die notwendige Bedingung für die Einführung eines Grundeinkommens ist. … Sollte ein solches Programm in Zukunft landesweit eingeführt werden, müsste man zu dessen Finanzierung die Steuern massiv anheben, was vor allem die Mittelklasse treffen würde. Diese wiederum könnte sich beim Anblick ihrer verminderten Kaufkraft dazu veranlasst sehen, ihre Arbeitszeit und somit ihre Einkommen zu senken, so dass der durch das Grundeinkommen neu gewonnene Reichtum zumindest teilweise durch die Steuern aufgehoben wird. Auf jeden Fall wären die Konsequenzen für die gesamte Wirtschaft beträchtlich, da ja der Konsum ein Faktor ist, der das Wirtschaftswachstum fördert.“ (Robert Jules)
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