Die von Russland, der Türkei und dem Iran ausgehandelte Waffenruhe in Syrien ist fragil. Im Barada-Tal bei Damaskus wird weiterhin gekämpft. Syrische Rebellen haben deshalb die Vorgespräche zu einem Treffen in der kasachischen Hauptstadt Astana Ende Januar abgebrochen. Kommentatoren fragen sich, ob Russland die Kriegsparteien doch noch an einen Tisch holt.
DIE TAGESZEITUNG TAZ (DE)
Moskau muss mit Rebellen reden
Russland muss vorbehaltlos das Gespräch mit den Rebellen suchen, fordert die taz:
„Mit den Kämpfen um Wadi Barada ist die gesamte Waffenruhe in Gefahr. Das Regime und seine iranischen Unterstützer scheinen dieses Risiko eingehen zu wollen, um das Kräftegleichgewicht rund um Damaskus in ihrem Sinne zu verändern. Die Frage ist, wie sich Russland und die Türkei verhalten, die eigentlich die Garanten für diesen Deal sind. ... Moskau hat sich die Prämisse des Assad-Regimes zu eigen gemacht, die alle Gegner als Terroristen bezeichnet. Nun steht Russland als Garant des Waffenstillstands mit sieben moderaten Rebellengruppen, die das russische Verteidigungsministerium selbst benannt hat, in der Pflicht. Auch Russland weiß, dass sich die syrischen Widersprüche am Ende nicht allein militärisch, sondern nur politisch lösen lassen und dass man dafür Gesprächspartner braucht. Den kann man aber nicht gleichzeitig als 'Terroristen' diskreditieren.“ (Karim El-Gawhary)
VILNIAUS DIENA (LT)
Gute Aussichten für den Kreml
Wenn die Waffenruhe hält, wäre dies ein wichtiger Erfolg für Russland, bemerkt das Onlineportal Diena:
„Russland hat es geschafft, seinen Verbündeten Assad an der Macht zu halten, aber diese Tatsache ist weniger wichtig als eine andere. Mit dem Einmischen in den Konflikt in Syrien hat Moskau gezeigt, dass es nicht zulässt, dass das schändliche Szenario von Libyen sich wiederholt. Das Vorgehen in Syrien, ähnlich wie die Annexion der Krim, hat auch die Situation im Land stabilisiert und damit die russische Regierung gestärkt. Das haben im letzten Jahr die Duma-Wahlen und der Sieg der Pro-Kreml-Kräfte bewiesen.“ (Valentinas Beržiūnas)
DAGENS NYHETER (SE)
Die Henker diktieren ihre Regeln
Der Syrienkonflikt hat erneut gezeigt, wie machtlos die UN ist, meint Dagens Nyheter:
„Russland (und China) haben fünf Jahre lang die Ansichten der so genannten Weltgemeinschaft mit einem Veto blockiert. Präsident Putin hat Kanonen an das Schlächterregime von Assad geliefert und sich zum Schluss auf seine Seite im Bürgerkrieg gestellt. Im letzten halben Jahr haben sie zusammen Aleppo in Schutt und Asche gebombt. Wenn das Blutbad tatsächlich unterbrochen wird, ist das eine Erleichterung für die Zivilbevölkerung. Doch Assad und Putin werden weiter schießen, wenn es ihnen passt. Die UN-Resolution ist von Russland und die Regeln des Waffenstillstands sind von den Henkern selbst geschrieben. Die Gegner des Regimes bleiben dabei 'Terroristen' und damit legale Beute.“ (Gunnar Jonsson)
LE FIGARO (FR)
Waffenruhe hat taktische Funktion
Wladimir Putin verfolgt mit der Kampfpause die gewohnte Strategie, erklärt der Geograf Fabrice Balanche in Le Figaro:
„Die Waffenruhe weist wie alle, die ihr vorausgingen, eine offensichtliche taktische Dimension auf:
Nach einer kräftigen Offensive erklärt Russland unilateral eine Feuerpause, welche den bewaffneten Bodentruppen erlaubt, die eroberten Gebiete zu sichern, um sich vor einer Gegenoffensive der Rebellen zu schützen. Die Ruhe an der Westfront kann so genutzt werden, um im Osten gegen den Islamischen Staat Land zurückzuerobern, wie es vergangenen März mit Palmyra gemacht wurde. Anschließend kündigt Wladimir Putin den Rückzug des 'Großteils seiner Truppen' an, was auf Russisch bedeutet, dass er eine simple Rotation von Truppen und Material vornimmt, um den nächsten Großangriff vorzubereiten.“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen