Freitag, 31. Januar 2025

euro|topics: Bundestagsmehrheit mit Hilfe der AfD: Was heißt das?



Ist die Brandmauer gebrochen? https://www.dw.com/de/nach-asyl-abstimmung-des-bundestages-was-ist-die-brandmauer/a-71455738

Merz behauptet das Gegenteil.

Fonty:

Es ist unklar, wieso Merz den Schwenk nach rechts unternommen hat. Vielleicht wollte er schon vor Koalitionsverhandlungen mit einer möglichen Koalition mit der AfD drohen, um deutlich zu machen, dass er eine Alternative zu den demokratischen Parteien im Bundestag sieht. Vielleicht wollte er aber auch nur schon vor den Koalitionsverhandlungen einen Pflock fest einschlagen, um zu verhindern, dass die Flüchtlingsfrage in die Verhandlungsmasse bei den Koalitionsverhandlungen gerät, so dass ihm da keine Zugeständnisse abgenötigt werden könnten, die er nicht zu machen bereit ist. Anders als er sehen aber offenbar einige CDU-Abgeordnete darin doch einen Bruch der Brandmauer. Die letzte CDU-Kanzlerin Merkel jedenfalls sieht es offenkundig so.


Die Mehrheit des Bundestags hat am Mittwoch einem rechtlich nicht bindenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Verschärfung der Migrationspolitik zugestimmt. So sollen unter anderem dauerhafte Kontrollen an den deutschen Grenzen eingeführt werden. Über die Abstimmung wurde heftig gestritten, da die Mehrheit durch die Ja-Stimmen der aktuell vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuften AfD zustande kam. Europas Presse ordnet ein.

Stuttgarter Zeitung (DE)

Das wird Folgen haben

Dass diese Mehrheit zustande gekommen ist, wird dauerhaft Spuren im politischen System hinterlassen, glaubt die Stuttgarter Zeitung:

„Die Republik hat sich an diesem Tag derart verändert, dass sich Historiker noch damit beschäftigen werden. Wer die Tür zur Zusammenarbeit auch nur einen Spalt weit aufmacht, muss befürchten, dass sie irgendwann kraftvoll aufgestoßen wird. Die in Teilen rechtsextreme AfD konnte sich nie so mächtig fühlen wie in dieser Woche. Das hat dauerhaft politische Folgen – nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund.“

Tobias Peter
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tagesschau.de (DE)

EU-Recht ist veränderbar

Tagesschau.de empfiehlt mehr Pragmatismus:

„'Brandmauer'-Debatten ... werden außerhalb der politischen Blasen kaum verstanden. ... Wenn Redner von Rot-Grün wie Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck die Bedeutung der Debatte für die Demokratie hervorheben, haben sie Recht. Nur anders, als gedacht: Wer immer nur sagt, was nicht geht, der erzeugt Unzufriedenheit, der sorgt für Demokratieverdrossenheit. Das EU-Recht beispielsweise, das vielfach angeführt wird, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern von Politikern so beschlossen worden. Es kann also auch wieder geändert werden. Und das ist die Erwartung der großen Mehrheit der Menschen im Land.“

Hans-Joachim Vieweger
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La Repubblica (IT)

Vielleicht auch eine Reaktion auf Musk

La Repubblica sieht eine traurige Kehrtwende in Deutschland:

„Mit diesem Schritt bricht der wahrscheinlich künftige deutsche Bundeskanzler ein Tabu, das nur noch in Deutschland galt – aus offensichtlichen historischen Gründen. Es ist die Auslöschung des gesündesten Erbes aus der langen Ära von Angela Merkel, Merz' großer Rivalin, die sich immer an den Imperativ 'Niemals mit der AfD' gehalten hatte. Es wirkt zugleich so, als ob sich der Chef der Konservativen vor dem neuen Trump-Gehilfen Elon Musk verbeugen will, der noch vor zwei Tagen im Zusammenhang mit einer Alice-Weidel-Kundgebung gebrüllt hatte, die Deutschen müssten aufhören, sich für ihre Vergangenheit zu schämen.“

Tonia Mastrobuoni
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Aargauer Zeitung (CH)

Rückkehr zur Normalität

Die Aargauer Zeitung findet Merz' Vorschläge vernünftig:

„Eine Umsetzung von Merz’ Vorstellungen würde eine Rückkehr zur europäischen Normalität bedeuten: Zu einer verantwortungsvollen Asylpolitik, wie sie auch die Bundesrepublik betrieben hatte, bevor Angela Merkel die Grenzen öffnete. Wollen sie den weiteren Aufstieg der AfD stoppen, werden die übrigen Parteien um Verschärfungen bei der Asylpolitik nicht herumkommen. Auf die Grünen wird Merz auch in Zukunft kaum zählen können: Sie fordern selbst jetzt noch Erleichterungen beim Familiennachzug und erweisen sich damit als migrationspolitische Geisterfahrer. So muss Merz wohl darauf hoffen, dass bei der SPD nach der Wahl Realismus einkehrt.“

Hansjörg Friedrich Müller
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Le Soir (BE)

Lehren der Geschichte mit Füßen getreten

Le Soir warnt:

„Die extreme Rechte regiert offiziell in Italien, den Niederlanden, Ungarn, der Slowakei sowie Finnland und könnte in Österreich und Tschechien die Führung übernehmen. Sie gibt der schwedischen und französischen Regierung zum Teil den Weg vor. … Und nun paktiert sie mit dem voraussichtlich künftigen deutschen Regierungschef. Ihr gegenüber geraten viele demokratische Parteien in Panik, versuchen, sie zu imitieren oder mit ihr zusammenzuarbeiten. Anstatt sich zu erheben, Widerstand zu leisten, Grundwerte und Menschenrechte zu verteidigen und Fremdenfeindlichkeit sowie Hass zu bekämpfen. … Wie es uns die Geschichte doch nachdrücklich lehrt – die Geschichte, derer doch viele demokratische Volksvertreter diese Woche noch gedacht haben.“

Véronique Lamquin
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Mittwoch, 29. Januar 2025

euro|topics: KI: Läuft China den USA den Rang ab?

Ein kürzlich vom chinesischen Unternehmen DeepSeek vorgestelltes KI-Modell hat am Montag die Börsenkurse mehrerer US-Konzerne fallen lassen. Angeblich soll der neue Chatbot R1 preiswerter entwickelt worden sein und mit deutlich weniger Rechenleistung auskommen als bisherige Produkte. Das stellt Milliardeninvestitionen in die Chipentwicklung und riesige Rechenzentren infrage. Europas Presse tastet sich an das Thema heran.

The Spectator (GB)

DeepSeek lässt die Blase platzen

Es ist nicht überraschend, wie erfolgreich China im Technologierennen mitmischt, meint The Spectator:

„Angesichts der Tatsache, dass China inzwischen jedes Jahr mehr Hochschulabsolventen in den Bereichen Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwissenschaften und Mathematik hervorbringt als der Rest der Welt zusammen, erschien es schon immer kurzsichtig, einen technologischen Kampf gegen China zu führen. Warum sollte China mit all seinem Kapital und seinen personellen Ressourcen nicht in der Lage sein, den technologischen Vorsprung des Westens aufzuholen – und vielleicht sogar zu überholen? ... Jetzt sieht es so aus, als ob die Hunderte von Milliarden, die von den Riesen der US-Technologie ausgegeben wurden, im Wesentlichen Kapital sind, das niemals eine Rendite abwerfen wird.“

Louis-Vincent Gave
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La Stampa (IT)

Startschuss für ein richtiges Spiel

Das tut dem Wettbewerb gut, freut sich La Stampa:

„Jetzt ist es ein richtiges Spiel. Mit einem Team, das angreift, und einem Team, das verteidigt, mit Vorstößen und Rückschlägen. Das Rennen um die künstliche Intelligenz ist nun in vollem Gange mit dem chinesischen Projekt DeepSeek, das gezeigt hat, dass es mit den amerikanischen Meistern auf diesem Gebiet mithalten kann. Eine Herausforderung, die in gewisser Weise auch Europa berührt. Das plötzlich Gefahr läuft, seine Rolle zu ändern: vom Schiedsrichter zum Zuschauer, vom Kontinent an der Spitze der KI-Regulierung und -Rechtsprechung zum passiven Nutzer der anderswo entwickelten Technologien. Trotz seines Reichtums, trotz des Könnens seiner Unternehmen und seiner Ingenieure.“

Arcangelo Rociola
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Financial Times (GB)

Nun geht es um die Effizienz der Anwendung

Financial Times analysiert:

„Viele fortgeschrittene Demokratien werden eine chinesische Regierung, die in vielerlei Hinsicht westlichen Interessen feindlich gegenübersteht und nun womöglich die Führung in der revolutionärsten Technologie unserer Zeit übernimmt, mit Argwohn betrachten. Einige politische Entscheidungsträger in anderen Ländern – sowie viele Verbraucher und Entwickler – könnten jedoch einen Markt begrüßen, der weniger von einer Handvoll amerikanischer Unternehmen dominiert wird. Die offene Frage ist nicht unbedingt, wer die besten KI-Modelle entwickeln wird, sondern wer am besten in der Lage sein wird, sie auf reale Aufgaben anzuwenden.“

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La Vanguardia (ES)

Was die Chatbots voneinander halten

La Vanguardia vergleicht die Tools:

„Fragt man ChatGPT nach seinem Konkurrenten, lobt es die Effizienz und die niedrigen Kosten des Tools. Ein erstaunlich unpatriotisches Eingeständnis. ... Stellt man die Frage dem chinesischen Chatbot, erfährt man, dass die amerikanische KI kreativer ist und bei der Suche feinere Filter nutzt, während die chinesische KI bei technischen Aufgaben wie Programmierung und Mathematik überlegen ist. ... Frage: 'Was geschah 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens?' Antwort: 'Tut mir leid, ich bin mir noch nicht sicher, wie ich diese Art von Frage angehen soll.' ... Zu den Fake News gesellt sich nun Schweigen. ... Der technologische Wettbewerb zwischen den USA und China könnte die Demokratisierung der KI beschleunigen. Und Europa? Abwesend und mit Musk beschäftigt.“

Isabel García Pagan
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