Montag, 4. Juli 2022

euro|topics Nato-Beitritte: Türkei fordert 33 Auslieferungen - Waffenlieferungen - Aus für Benzin und Diesel

 

Die Türkei verlangt für ihre Zustimmung zum Nato-Beitritt von Schweden und Finnland einen hohen Preis: Einen Tag nach der Einigung auf ein vage gehaltenes Memorandum zur gegenseitigen Unterstützung forderte sie von den beiden Ländern die Auslieferung von 33 Menschen, die sie als "Terrorverdächtige" einschätzt und die der PKK oder der Gülen-Bewegung angehören sollen. Kommentatoren diskutieren mögliche Reaktionen.

EXPRESSEN (SE)

Ankara zur Rede stellen

Expressen sieht gute Chancen, gegenüber Ankara mit List zu agieren:

„Sicher, wir haben eine schnelle Auslieferung zugesagt; im Abkommen steht aber auch, dass dies nicht im Konflikt mit der Europakonvention geschehen darf. ... Außerdem könnnen wir die Chance nutzen, unsere eigenen Probleme mit der Türkei zu thematisieren. Mehrere türkische Dissidenten sind unter suspekten Umständen in Schweden misshandelt worden - das ist absolut unakzeptabel. Wenn Schweden erst einmal in der Nato ist, können wir im Rahmen des engen Dialogs mit der türkischen Geheimpolizei alles auf den Tisch legen, was unserer Geheimpolizei über deren Aktionen in Schweden bekannt ist, und fordern, dass damit sofort Schluss sein muss.“

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GÖTEBORGS-POSTEN (SE)

Das Ende naiver Hoffnungen

Schweden musste Prioritäten setzen, meint Göteborgs-Posten:

„Wir sind nach wie vor ein Rechtsstaat. ... Das Oberste Gericht hat schon bei früheren Gelegenheiten türkische Auslieferungsanträge zurückgewiesen. ... Natürlich wäre es besser gewesen, wenn Erdogan gar keine Forderungen gestellt hätte und uns dieses ganze Hin und Her erspart geblieben wäre - aber so war es nun einmal nicht. Und eines haben Schwedens Nato-Antrag und die Verhandlungen mit der Türkei auf jeden Fall gebracht: das Ende sämtlicher naiver Hoffnungen, wonach Außen- und Sicherheitspolitik auf idealistischer Grundlage geführt werden können. Wenn es darauf ankommt, hat für schwedische Politiker die Sicherheit Schwedens natürlich Priorität.“

Bawar Ismail
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GAZETE DUVAR (TR)

Schweden hat jetzt ein Problem

Die regierungskritische Gazete Duvar erinnert daran, dass die schwedische Regierung bisher nur dank der unabhängigen kurdischen Abgeordneten Amineh Kakabaveh eine Mehrheit im Parlament hatte:

„Bei der ersten Abstimmung könnte jetzt die Regierung stürzen. Dieses Land hat jetzt ein Türkei-Problem. Liegt die Außenpolitik des Landes in den Händen Erdoğans? Beim Nato-Eintritt wurde das Veto überwunden, aber was wird passieren, wenn die Vetokarte bei jedem Schritt gezeigt wird? Welche Oppositionellen werden abgeschoben? Werden Erdoğan für die Militäroperationen in Syrien Waffen gegeben? Was ist aus den Werten des Landes geworden? Fragen, die die Politik beeinflussen können. Letztlich wird dies auch an den Wahlurnen zum Tragen kommen.“

Fehim Taştekin
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DIE PRESSE (AT)

Tücken im Nato-Deal

Die Presse warnt davor, die kurdischen Kämpfer in Nordsyrien im Stich zu lassen:

„Die PKK kämpft seit Jahrzehnten einen Untergrundkrieg in der Türkei. Offiziell steht sie auf der Terrorliste der EU und der USA. Zugleich half die PKK aber dabei, die ihnen ideologisch nahestehenden Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien aufzubauen. Und die zerschlugen an der Seite des US-Militärs das 'Kalifat' des Islamischen Staates (IS). Als zentraler Teil der Streitkräfte der nordsyrischen Selbstverwaltung führen die YPG nach wie vor mit US-Einheiten Operationen gegen den IS durch. Dass nun zugleich Finnland und Schweden schriftlich versprechen mussten, die YPG nicht zu unterstützen, wirkt somit bizarr.“

Wieland Schneider
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DIONELLIS (GR)

Humanismus "à la carte"

Der Kolumnist Marios Dionellis kritisiert in seinem Blog die Haltung Europas:

„Europa kann das Blut der Ukrainer nicht ertragen, macht aber Erdoğan ein Geschenk, sodass er die Kurden abschlachten kann. Und um die Nato zu erweitern, haben wir ihm den Gefallen getan, diejenigen, die für ihre Freiheit kämpfen, als Terroristen zu bezeichnen. Unser Humanismus ist ein wenig 'à la carte', aber was können wir tun? ... Um die Nato zu erweitern, traf sich Biden mit Erdoğan und versprach ihm F-16-Kampfjets. Deshalb werden wir Griechen gleich F-35-Kampfjets kaufen, wiederum von Biden, der als guter Verkäufer an beide Deppen in großer Menge verkauft.“

Marios Dionellis
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Nato-Beitritte: Türkei fordert 33 Auslieferungen
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Nato-Gipfel: Eine historische Wende?

Am heutigen Donnerstag geht der Nato-Gipfel in Madrid zu Ende, bei dem der Krieg in der Ukraine bisher im Mittelpunkt stand. Russland soll nicht mehr als Partner, sondern wieder als größte Bedrohung eingeordnet werden. Die Türkei steht dem Nato-Betritt Schwedens und Finnlands nicht mehr im Wege. Europas Presse zieht Parallelen zum Kalten Krieg und reflektiert über die erneute Militarisierung des Kontinents.

GAZETA WYBORCZA (PL)

Polen wird Frontstaat wie einst Westdeutschland

Für Gazeta Wyborcza sind wir Zeugen einer Zeitenwende:

„Wladimir Putin hat Europa damit gedroht, den Gashahn zuzudrehen und russische Atomwaffen einzusetzen, um die Anerkennung seiner Einflusssphären zu erzwingen. Der Krieg in der Ukraine hat den Mythos eines starken russischen Militärs erschüttert. Die Nato-Erweiterung hat gezeigt, dass Putins Drohungen leer waren. Es hat sich auch gezeigt, dass man ohne russisches Gas leben kann. Doch damit ist die Sache noch nicht zu Ende. Der Konflikt in der Ukraine wird wahrscheinlich noch viele Monate andauern und die Form eines Zermürbungskrieges annehmen. In Polen kehren wir in die Zeit des Kalten Krieges zurück, und unser Land wird fortan die Rolle eines Frontstaates spielen, wie es einst Westdeutschland tat.“

Bartosz Wieliński
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JORNAL DE NOTÍCIAS (PT)

Der neue kalte Krieg wird teuer

Jornal de Notícias weist auf die hohen Militärausgaben hin, die die neuen Nato-Pläne nach sich ziehen:

„Zu den Beschlüssen des Madrider Gipfels gehört die Verpflichtung, die Zahl der einsatzbereiten Truppen von 40.000 auf 300.000 zu erhöhen, also Truppen, die jederzeit zum Kampf bereit sind. Mit all dem, was dies in Bezug auf Ausbildung und Ausrüstung bedeutet und was die Kosten für den Steuerzahler ausmacht. Eine Veränderung, die auch Portugal betreffen wird. Unser Kontingent auf Befehl der Nato zu versiebenfachen (dazu wären 12.000 gut bewaffnete Soldaten, fünfzig Flugzeuge, sieben Kriegsschiffe und mehr als 2.000 taktische Fahrzeuge erforderlich, über die das Land nicht verfügt), bedeutet eine noch höhere Rechnung in den kommenden Jahren. ... Der kalte Krieg wird teuer werden.“

Rafael Barbosa
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THE INSIDER (RU)

Mehr Waffen liefern ging nicht

The Insider legt dar, dass der Westen der Ukraine bisher gar nicht mehr Waffen liefern konnte:

„Erstens war da nach dem Kalten Krieg der Verzicht der Nato-Staaten, bei ihrer Rüstungspolitik auf Halde zu arbeiten: Sie haben einfach keine Haubitzen, Raketenwerfer und Panzer zu Hunderten oder Tausenden in den Depots. Zudem hat die Ukraine keine qualifizierten Soldaten übrig, die man en masse zur Ausbildung an diesen Waffen schicken könnte, während andere professionelle Soldaten gegen Russland kämpfen. Zweitens setzten dem die eigenen Verteidigungspläne der Allianz Grenzen: Man konnte nicht plötzlich bei einer Mitgliedsarmee eine große Zahl moderner Waffen einsammeln, ohne eine ernsthafte Senkung der kollektiven Verteidigungsfähigkeit aller Verbündeter zu riskieren.“

Pavel Luzin
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Nato-Gipfel: Eine historische Wende?
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EU besiegelt Aus für Diesel- und Benzin-Motoren

Ab 2035 neuzugelassene Fahrzeuge dürfen kein Kohlendioxid mehr ausstoßen. Darauf haben sich die Mitgliedstaaten beim EU-Umweltrat geeinigt. Entgegen dem zunächst geplanten strikten Verbot von Verbrennermotoren sind Fahrzeuge mit sogenannten klimaneutralen Kraftstoffen ausgenommen. Darauf hatte insbesondere die FDP als Koalitionspartner in der Bundesregierung gedrängt. Die richtige Entscheidung?

BERLINER ZEITUNG (DE)

Berlin tritt auf die Bremse

Dass sich ausgerechnet Deutschland gegen einen eindeutigeren Beschluss gesperrt hat, ärgert die Berliner Zeitung:

„Damit ist ein Rückwärtsgang eingelegt worden - denn der Weg in eine klimaneutralere Zukunft kann nur bedeuten, dass Politik und Wirtschaft sich dem Wandel stellen und konstruktiv mit ihm umgehen, anstatt ihn um jeden Preis aufhalten zu wollen. Und das geht nur mit einem klaren Bekenntnis und nicht mit einem Jein oder einem Vielleicht. Selbst die meisten Autohersteller haben längst verstanden, dass es sich nicht mehr lohnt, in Diesel und Benziner zu investieren. Daher ist das Signal aus Deutschland eher fatal. Der Vorwärtsgang wäre das richtige Zeichen gewesen.“

Anne Kattrin Palmer
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KURIER (AT)

E-Fuels sind Energieverschleuderer

Der Kurier ärgert sich, dass das Konzept der vermeintlich klimaneutralen Kraftstoffe in den Kompromiss aufgenommen wurde:

„E-Fuels, das sind Kraftstoffe, die aus grünem Wasserstoff oder aus Pflanzen (trotz aktuell dramatischer weltweiter Lebensmittelknappheit!) hergestellt werden. Sie sind derzeit eine Utopie. ... Die Frage bleibt offen, woher die gigantischen Mengen an grünem Strom herkommen sollen, die man dafür braucht. Denn E-Fuels sind echte Energieverschleuderer.“

Bernhard Gaul
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LES ECHOS (FR)

EU sollte faktenbasierter entscheiden

Das Wirtschaftsblatt Les Echos kritisiert mangelnden Realitätsbezug:

„Wir wünschen uns, dass sich Brüsseler Entscheidungen konsequent auf Zahlen und Fakten stützen, anstatt vor allem auf oft verzerrte ideologische Ziele und Visionen. ... Man kann die Vorzüge von E-Autos verteidigen, doch hätten wir gern gewusst, ob ein massiver Umstieg bis 2035 machbar ist. Werden wir die Rohstoffe und die Ladestationen haben? Hat man geschaut, unter welchen Bedingungen die Batterien hergestellt werden? … Ganz zu schweigen von den sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Entscheidungen, die wir unseren Herstellern aufzwingen, die aber die internationalen Konkurrenten nicht betreffen.“

David Barroux
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