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Österreich hat als erstes EU-Land eine allgemeine Impfpflicht angekündigt, die spätestens ab 1. Februar 2022 gelten soll. Dem Drittel der Bevölkerung, das sich bisher der Impfung verweigert, drohen dann empfindliche Geldstrafen. Die Alpenrepublik hat mit fast 1.000 Covid-Fällen pro 100.000 Einwohnern derzeit eine der weltweit höchsten Inzidenzen. Europas Presse blickt gespalten auf die Impfpflicht. |
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| Letzte Rettung für das GesundheitssystemDie Regierung in Wien musste in einer verzweifelten Lage Flagge zeigen, meint die Kleine Zeitung: „Die Impfpflicht bedeutet, dass Impfverweigerer künftig mit Verwaltungsstrafen belegt werden können. Und es könnten daraus sogar noch weitere Maßnahmen abgeleitet werden, etwa ein Selbstbehalt in Bezug auf die Behandlungskosten bei vorsätzlicher Missachtung der Impfpflicht. Es geht um die Aufrechterhaltung des [Gesundheits-]Systems, und es wurde dem letzten Zweifler angesichts der Entwicklung der vergangenen Tage klar, dass die Freiwilligkeit nicht genügt und verstärkt Druck auf die Impfverweigerer ausgeübt werden muss.“
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| Viel zu spät reagiertDer Schritt ist ein Eingeständnis des Scheiterns, urteilt Financial Times: „Es half nicht, dass die Regierung im Sommer, als die Impfkampagne noch lange nicht abgeschlossen war, erklärte, die Pandemie sei 'bewältigt' und die Krise 'gemeistert'. Österreich hatte einen Covid-Pass, aber dessen Auswirkungen wurden durch leicht verfügbare kostenlose Tests abgeschwächt. Beschränkungen für Ungeimpfte sind diskriminierend und spalterisch, sie hätten aber möglicherweise die Bereitschaft erhöht, sich impfen zu lassen, wenn sie früher eingeführt worden wären. Die Impfpflicht - so weit sollte letztlich keine Regierung gehen – ist ein Eingeständnis des Versagens Wiens. ... Die dortige Regierung ist leider nicht die einzige, die enttäuscht hat.“
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| Verabsolutierung körperlicher Freiheit ist vormodernDie Impfpflicht apodiktisch auszuschließen, war ein Fehler, meint Hinnerk Wißmann, Professor für Öffentliches Recht, in der Tageszeitung Die Welt: „Das Infektionsschutzgesetz kannte Impfpflichten seit jeher und kennt sie auch jetzt; für alle Kinder gilt – über die Schulpflicht – die Pflicht zur Masernimpfung, für ihre Lehrer und Erzieher auch. Warum Gleiches nicht in Sachen Corona etwa für alle Rentner sowie ihre Pfleger gelten soll, erschließt sich nicht. ... Die gegenwärtige Scheu vor der Impfpflicht ist eine ganz merkwürdige, eigentlich vormoderne Verabsolutierung der Leiblichkeit – als ob Menschen durch Armut, Dummheit, geistigen Zwang nicht genauso bedrängt werden könnten wie durch die Überschreitung der Hautbarriere.“
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| Normales Leben muss für alle möglich bleibenEine verpflichtende Impfung auch in Dänemark einzuführen, wäre falsch, meint Politiken: „Auch wenn Impfungen der Ausweg aus der Pandemie sind, ist der Gedanke der Sonderregeln falsch. 2G-Regeln wie in Österreich würden die Pandemie, die auch von 600.000 ungeimpften Schulkindern getrieben wird, kaum beenden. Insbesondere wäre es nicht hinnehmbar, Menschen zu Impfungen zu drängen durch so strikte Restriktionen, dass sie ein normales Leben verhindern. Auch während einer Pandemie hat man das Recht, über den eigenen Körper zu entscheiden. ... Gemeinschaftsgeist beinhaltet Respekt für diejenigen, mit denen man nicht einverstanden ist.“
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| Impfen allein reicht nichtUm die Delta-Variante komplett einzudämmen, braucht es mehr als hohe Impfquoten, bemerkt Visão: „Der Impfstoff hilft, aber er löst das Problem nicht. Er muss mit Einschränkungen verbunden sein. Der reale Test zeigt uns: Länder, die vollständig geimpft sind, oder solche mit sehr hohen Raten, die alle Beschränkungen aufgehoben haben, wie es in Europa, einschließlich Portugal, der Fall war, sind nun in der fünften Welle versunken. ... Man geht davon aus, dass es erst dann Ruhe geben wird, wenn die Impfstoffe der zweiten Generation und hochwirksame Medikamente auf den Markt kommen, was noch nicht der Fall ist, und man eventuell weiterhin Teile der Bevölkerung mit verbindlichen Schutz- und Abstandsregeln schützt. “
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In mehreren europäischen Städten wie Rotterdam, Wien und Zagreb kam es am Wochenende bei Demos gegen verschärfte Covid-Restriktionen zu Gewalt. In Brüssel setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas ein, als eine zunächst friedliche Demonstration von 35.000 Menschen eskalierte. Europas Presse bangt um den gesellschaftlichen Konsens und erörtert positive Beispiele. |
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| Virus gefährlicher als die KrawalleDie Politik darf sich von den gewaltsamen Ausschreitungen bei den Demos in Brüssel nicht von den für viele Menschen lebenswichtigen Entscheidungen abbringen lassen, stellt De Standaard klar: „Viele kennen auch in ihrem eigenen Umfeld Menschen, deren Operationen [aufgrund der Überlastung des Gesundheitssystems] verschoben wurden oder die von der neu aufflackernden Epidemie besonders bedroht sind. Die Besorgnis ist weniger sichtbar als die Bilder aus Brüssel. Die Kundgebung ist sicher ein Weckruf. Komplottdenken ist ansteckend, Polarisierung gefährlich. Aber noch gefährlicher und ansteckender ist das Virus selbst. Angst vor wütenden Impfgegnern darf die Politik nicht beeinflussen, die Sorge um wütende Krebspatienten sollte das aber.“
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| Rom ist mit gutem Beispiel vorangegangenDass es auch anders geht, zeigt das Vorbild Italien, lobt La Repubblica: „Was im Inneren der No-Vax-Bewegung heranreift, ist die intoleranteste und gefährlichste Version der populistischen Ablehnung der Demokratie: Sie lehnt den Impfstoff ab, der die kollektive Gesundheit schützt, identifiziert ihn mit einem Unterdrückerstaat, um den repräsentativen Institutionen die Legitimität abzusprechen. … In dieser Ablehnung von Wissen, in dieser Saat des Hasses und in dieser Verbreitung von physischer oder digitaler Gewalt liegt die größte Gefahr für die Sicherheit und den Wohlstand Europas. … Als eines der am besten vor dem Virus geschützten Länder muss Italien weiterhin mutige Entscheidungen treffen, um als Beispiel für politische Stabilität und gesundheitliche Glaubwürdigkeit in der EU voranzugehen.“
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