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Der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank widerspricht teilweise dem deutschen Grundgesetz. Das verkündete das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag. Die EZB habe die Verhältnismäßigkeit der Käufe nicht ausreichend dargelegt, Bundestag und Bundesrat die Beschlüsse nicht geprüft. Kommentatoren diskutieren, ob das Urteil gerechtfertigt oder anmaßend ist.
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Ende einer selbstherrlichen EU
Das Karlsruher Urteil ist ein Zeichen für mehr Demokratie und Rechtsstaat, freut sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Deutschland ist einer EU beigetreten, in der die Mitgliedstaaten die Herren der Verträge sind - und jeder Bürger einen Anspruch darauf hat, dass EU-Organe sich im Rahmen der gemeinsam vereinbarten Regeln halten. ... Deshalb ist das Karlsruher Urteil gerade in dieser Zeit so wichtig, in der die EU von starken Fliehkräften heimgesucht wird. Solange es für eine Schuldenunion kein Mandat gibt, kann die EZB keine schaffen. ... [D]ie EU als Staatenverbund ist an das Demokratieprinzip gebunden, und sie ist eine Rechtsgemeinschaft. Diese Botschaft muss ausstrahlen – gerade auch nach Osteuropa. Das ist nicht das Ende der EU, aber hoffentlich das Ende ihrer bürgerfernen, selbstherrlichen Form.“
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Klarer Affront gegen europäische Autorität
El País ärgert sich über das Urteil:
„Das Fragwürdigste ist, dass [das Bundesverfassungsgericht] seiner übergeordneten Instanz in europäischem Recht widerspricht, dem EU-Gerichtshof, den es zuvor konsultiert hatte. Und es stellt dessen Kompetenz infrage, mit der Theorie, dass die Staaten Eigentümer ihrer Verträge sind und sich deren Normen bei Kompetenzüberschreitungen nach eigenen Kriterien widersetzen können. Dieser Theorie können die europäischen Institutionen wohl kaum folgen. Denn auch wenn es die Regierungen sind, die die Abkommen unterzeichnen, obliegt die Auslegung des europäischen Rechts doch in oberster Instanz dem Gerichtshof in Luxemburg. So bestimmt es der EU-Vertrag (Artikel 19). Nicht nur die EZB muss nun klar Stellung beziehen, sondern auch der EuGH.“
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Der EZB nicht alles überlassen
Das Urteil wirft einen Schatten auf die Stabilität des Euro, die aber schon länger ein Problem ist, mahnt De Standaard:
„Fluchen über Karlsruhe hat aber wenig Sinn. Die deutsche Zurückhaltung bei der Währungspolitik ist schon länger bekannt. Die Beträge, die die EZB jahrelang aus dem Nichts geschaffen hat, werden langsam aber sicher unwirklich. Es ist Zeit anzuerkennen, dass die EZB es nicht alleine schaffen kann. Die Euroländer müssen selbst Verantwortung ergreifen im gemeinsamen Feldzug gegen aufeinander folgende Krisen. Der Euro hält ihrer ewigen Uneinigkeit auf Dauer nicht stand. “
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Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird
La Repubblica versucht sich in Optimismus:
„Auch wenn sich das Urteil auf die Aufkaufprogramme von 2015 bezieht, wirft es einen Schatten auf die aktuell laufenden Käufe, bei denen der Anteil italienischer Anleihen der weitaus größte aller Länder ist. Die Situation ist aber nicht ausweglos: Zunächst einmal ist das Urteil vorläufig; darüber hinaus kann die deutsche Regierung den unglückseligen Richtern von Karlsruhe etwas gesunden Menschenverstand anraten; selbst die EZB kann ihre Zweifel leicht beantworten. Schließlich scheinen die heutigen Interventionen der Bank, die für Italien lebenswichtig sind, vor Kritik sicher zu sein, da sie bei einem außergewöhnlichen und verheerenden Ereignis wie der Pandemie 'angemessen' sind.“
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