Vereinfachung wurde Renzi zum Verhängnis
Italiens Premier ist Opfer seiner eigenen Strategie geworden, analysiert La Repubblica:
„Die absolute Vereinfachung der Politik wurde von Renzi erfunden als eine neue Sprache nach dem Ende der Ideologie - der Unterscheidung der Lager in Rechts und Links. ... In dem Moment, in dem die Vereinfachung ihre extreme Form erreicht hat, nämlich die Reduzierung des politischen Diskurses auf die Wahl zwischen Ja und Nein, hat sie zum Sturz Renzis geführt. … Denn sie hat zu ebensolchen Simplifizierungen in den gegnerischen Lagern geführt, die allerdings weitaus radikaler und extremer waren. ... Die Front des Nein hat die Reform gar zum versuchten Staatsstreich erklärt, zum Autoritarismus. ... Diese Darstellung Renzis als Ungeheuer hat ihn zum Feind des Volks und der Demokratie gemacht, zum natürlichen Sohn Berlusconis. Zugleich ist klar, dass der Premier alle Fehler der Welt besitzt, aber nicht eine einzige der Anomalien des Cavaliere Berlusconi.“
Premier stolperte über seine Fehler
Obwohl sich Renzi einige Schnitzer erlaubt hat, ist seine Bilanz beachtlich, lobt El País:
„Renzi hat ein paar grundlegende Fehler begangen: Erstens kann eine Verfassungsreform kein persönliches Projekt sein, sondern muss aus einem breiten Konsens entstehen. ... Noch schlimmer war es, dass er die Volksabstimmung anfangs als eine Art Abstimmung zu seiner Person definiert hat. Da half es auch nichts, dass er das wieder zurückgenommen hat. Und drittens sollte man eine Verfassungsreform nicht mit einer Änderung des Wahlgesetzes verwechseln. Die braucht Italien am dringendsten. Trotz allem hat Renzi 40,89 Prozent der Stimmen bekommen. Unter anderen Umständen wäre das beachtlich gewesen.“
Italiener bremsen Reformen aus
Premier Renzi ist ein geschickter Politiker, doch mit dem Referendum hat er sich verschätzt, meint Dnevnik:
„Er ist als ein Politiker aufgetreten, der die Demokratische Partei personalmäßig erneuert und die veraltete Führung durch eine 30 Jahre jüngere Mannschaft ersetzt hat. Er führte neoliberale Veränderungen in die Arbeitsgesetzgebung ein, die Berlusconi nie gewagt hatte vorzuschlagen. Er packte radikale Reformen des politischen Systems an, die das verknöcherte und langsame System der parlamentarischen Entscheidungsfindung durch eine viel unabhängigere Rolle der Regierung und durch eine Machtkonzentration in den Händen des Premiers ausgetauscht hätten. Er wollte als entschlossener Politiker gelten, der schnelle und radikale Veränderungen einführt. Doch in Rom sitzt noch immer der Vatikan. Die Italiener mögen keine schnellen und dramatischen Veränderungen. In den vergangenen 20 Jahren brachten Veränderungen immer ein schlechteres Leben mit sich.“
HELSINGIN SANOMAT (FI)
Renzis Reformen hätten nichts gebracht
Mit den geplanten Reformen hätte Premier Renzi die Probleme des Landes ohnehin nicht gelöst, meint Helsingin Sanomat:
„Das Abstimmungsergebnis ist gut. Renzis Reform hätte die Macht auf gefährliche Weise konzentriert und nicht wirklich die wirtschaftlichen Probleme des Landes gelöst. Es ist nicht sinnvoll, das italienische Referendum so wie den Brexit oder Trumps Sieg als Ohrfeige der Populisten für die Elite zu sehen, zumindest nicht in diesem Ausmaß. … Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist niedriger als 1997. Italiens große Probleme sind zum Beispiel die hohe Arbeitslosigkeit, die mit Ramschpapieren belasteten Banken, das schwache Bildungssystem, die geringe Produktivität aufgrund fehlender Investitionen, die niedrige Beschäftigungsrate der Frauen, die starre und korrupte Verwaltung sowie zu einem gewissen Grad die Inflexibilität des Arbeitsmarkts. … Doch Renzis Reformen hätten diese Leiden nicht geheilt.“
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