Dienstag, 4. August 2020

Trump gegen Tiktok: Kompromiss durch Verkauf?


"Man kann sagen, dass, wenn Twitter und Facebook die Apps des Arabischen Frühlings waren, Tiktok die von Black Lives Matter ist." [FRANCE INTER (FR)]

Donald Trump will auf ein Verbot der Video-App Tiktok verzichten, wenn deren US-Sparte an ein „sehr amerikanisches Unternehmen“ verkauft wird. Microsoft führt schon länger Gespräche. Tiktok gehört dem chinesischen Konzern Bytedance und hat weltweit Hunderte Millionen meist junge Nutzer. Trumps Umgang mit der Plattform wird in vielen Kommentarspalten heiß diskutiert.

FRANCE INTER (FR)

Warum der Präsident die Plattform fürchtet

Der US-Präsident will sich einer für ihn bedrohlichen Plattform entledigen, glaubt France Inter:

„Die App ist insbesondere dafür bekannt, dass man einige Sekunden dauernde, mit Freunden selbst gefilmte Tanz- und Witzvideos postet. Doch das ist nicht alles! Sie ist auch und vor allem die App der Jüngsten: der Teenager und jungen Erwachsenen. In den USA ist Tiktok zu einem enormen politischen Forum geworden, auf dem sich diese Generation organisiert und Posts zu Umweltschutz, Rassismus und gegen Polizeigewalt teilt. Man kann sagen, dass, wenn Twitter und Facebook die Apps des Arabischen Frühlings waren, Tiktok die von Black Lives Matter ist. Mit einem Verbot von Tiktok - und 49 weiteren Apps chinesischen Ursprungs - untersagt Donald Trump also ein mächtiges Informationstool gegen ihn.“

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EXPRESSEN (SE)

Das World Wide Web war einmal

Die USA verhalten sich letztlich genau wie China, konstatiert Expressen:

„Die westliche Welt hat immer für eine freiere Sicht auf das Netz gestanden - zumindest in den Sonntagsreden. Aber wenn nun auch die Vereinigten Staaten anfangen, Apps zu verbieten, nähern sie sich in der Praxis der chinesischen Position, auch wenn es dafür gute Gründe gibt. … Auf diese Weise sind die Konturen eines regionaleren Internets erkennbar. Die digitalen Entfernungen können sogar wachsen - wenn Wechat [chinesischer Messenger] in den USA schließt, wird es für die chinesische Diaspora viel schwieriger, mit Familie und Freunden zu kommunizieren. Vielleicht ist es an der Zeit, das erste W im World Wide Web zu löschen.“

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L'ECHO (BE)

Kalter Krieg 2.0

Barack Obama hatte die Gefahr der Zersplitterung des Internets erkannt, erinnert L'Echo:

„Der frühere US-Präsident sprach sich für die den Webpionieren so liebe und teure Philosophie der ersten Stunde aus, für den gemeinsamen Raum - um die Entstehung immer unterschiedlicherer, abgeschotteter und tendenziöser werdender Welten zu verhindern. Damals hat Obama von der Zersplitterung gesprochen, die sich in unseren Gesellschaften vollzieht und Extremismen befördert, heute kann er sehen, wie sehr seine Analyse zutrifft. Eine digitale 'chinesische Mauer' imitiert den Eisernen Vorhang auf seltsame Weise. Ebenso kann er sehen, wie real das Risiko ist, dass dieser unmögliche Frieden und dieser unwahrscheinliche Krieg [wie der Philosoph Raymond Aaron einst den Kalten Krieg bezeichnete], die unsere Gesellschaften damals so heftig spürten, die Welt erneut jahrzehntelang lähmen.“

Serge Quoidbach
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THE INDEPENDENT (GB)

Endlich Konkurrenz für Google und Facebook

Dass Softwareentwickler Microsoft Interesse an Tiktok zeigt, freut The Independent:

„Wenn Microsoft die Kontrolle über das US-Geschäft von Tiktok erhält, tritt die große alte Dame der US-High-Tech-Industrie in direkte Konkurrenz mit ihren jüngeren Rivalen, insbesondere Facebook und Google. Dies sind gute Nachrichten für jene Menschen, die überzeugt sind, dass Meinungs- und Informationsvielfalt in einer zersplitterten Welt am besten bewahrt werden können, wenn es auch eine Vielzahl von Medienplattformen gibt. Anders ausgedrückt: Wenn alles darauf hinausläuft, dass es nur wenige Markteilnehmer gibt - und es ist zu befürchten, dass angesichts der Eigenarten von sozialen Medien ein Oligopol unvermeidlich ist -, dann ist es besser, fünf oder sechs große Anbieter zu haben, als nur zwei oder drei.“

Hamish McRae
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DIE WELT (DE)

Jetzt kann sich Europa beweisen

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten dürfen nicht darauf warten, dass Washington das Problem für sie löst, mahnt die Tageszeitung Die Welt:

„Sie müssen Tiktok selbst prüfen und eine mutige Entscheidung treffen. Auch wenn sie riskieren, es sich mit China oder den USA zu verscherzen. Diesmal muss es besser laufen als beim 5G-Netzausbau. Seit Monaten ringen Europas Regierungen darum, wie man mit dem chinesischen Konzern Huawei umgehen sollte. Hier droht ein Flickenteppich. Europa will sich seit Jahren als Bastion gegen Falschmeldungen und als Instanz für Datenhoheit positionieren. Tiktok ist nun die Chance, zu beweisen, wie ernst man es damit meint.“

Christina Brause
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