Dienstag, 16. Juni 2020

euro|topics: Was können die Anti-Rassismus-Proteste bewirken?

Die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA und Europa reißen nicht ab – auch, weil am Wochenende in Atlanta erneut ein Schwarzer bei einem Polizeieinsatz ums Leben kam. Ein weißer Polizist schoss den 27-jährigen Rayshard Brooks nieder. Kommentatoren in Europa glauben, dass die Protestbewegung die Gesellschaft nachhaltig verändern könnte.
ILTA-SANOMAT (FI)

Der Sommer könnte heiß werden

Sich ausbreitende Unruhen im Zusammenhang mit den Antirassismus-Protesten fürchtet Ilta-Sanomat:
„Die einsetzende Wirtschaftskrise durchkreuzt die Zukunftsträume der Jugend in den USA und Europa. Ihre Sorgen sind begründet. ... Die Geschichte lehrt, dass arbeitslose junge Menschen bereit sind, ihre Meinung kundzutun. ... Die Unzufriedenheit wächst auch in Ländern, wo die Geschehnisse in den USA nicht der Auslöser sind. Russland zum Beispiel ging bei der Bewältigung der Corona-Krise äußerst willkürlich vor. ... In vielen Schwellenländern hat die Krankheit noch nicht mit voller Kraft zugeschlagen. Wenn zusätzlich zu Problemen im Gesundheitswesen Lebensmittel oder andere Dinge der Grundversorgung knapp werden, braucht es keinen weiteren Zündfunken. Dies könnte ein Sommer des Zorns werden.“
Zum Originalartikel
Teilen auf
 
L'HUMANITÉ (FR)

Chance zur Mobilisierung der Jugend

Endlich könnte die Gesellschaft ein Gegenmodell zur Politik Macrons entwickeln, erklärt Soziologe Éric Fassin und schreibt in L'Humanité:
„Für Antirassisten und Linke bietet sich eine historische Gelegenheit, die es zu ergreifen gilt: Die altehrwürdigen Bewegungen können nun neuen Kontakt zur Jugend und zu strukturschwachen Vierteln herstellen. Das ist umso wichtiger, als dass sich unser junger Präsident an eine alternde Wählerschaft richtet, indem er wie gewohnt auf Angst setzt. Ich habe Assa Traoré [die Schwester des 2016 bei einem Polizeieinsatz getöteten Schwarzen Adama Traoré] jüngst als 'Schwester Courage' bezeichnet. Denn Mut ist es, was diese Bewegungen letztlich auszeichnet, allen Drohungen und aller Gewalt zum Trotz. Die Jugend lässt auf eine Politik hoffen, die Wut in Hoffnung umwandelt und dem Regime der Angst, das der Staatspräsident errichtet, etwas entgegensetzt.“
Éric Fassin
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
NÉPSZAVA (HU)

Radikalität lässt sich lernen

Inspiriert von den Protesten in den USA könnten auch die Unterschichten in Europa zur kollektiven Selbstverteidigung übergehen, glaubt Soziologe Pál Tamás in Népszava:
„Die Afroamerikaner in den USA sind zwar in einer besonderen Situation, aber auch die osteuropäischen Roma zwingt man unbewusst oft in ähnliche Umstände. ... Unsere Welt ist ruhiger als die in Atlanta oder in Minneapolis, aber das liegt nicht an einer klügeren Politik, sondern vielmehr am allgemeinen Gemütszustand im Karpatenbecken. Die ungarischen Eliten und die Mittelschicht haben einfach mehr Glück gehabt. ... Aber man kann im Leben vieles lernen. Warum sollte der Radikalismus nicht auch in die unteren zwei Drittel unserer Gesellschaft exportiert werden? Es scheint immer mehr so, dass in dieser Entwicklungsphase der Gesellschaft nur das helfen kann.“
Pál Tamás
Teilen auf
Zum Originalartikel
 
ABRILABRIL (PT)

Das Problem ist der Kapitalismus

AbrilAbril sieht die Proteste als einen Beleg für einen dringend nötigen Systemwechsel:
„Man kann Rassismus nicht wirksam bekämpfen, ohne den Kapitalismus auf organisierte Weise anzugreifen. Ebenso wenig ist es möglich, sich für den Frieden einzusetzen oder effizient gegen den Klimawandel vorzugehen, ohne gegen den zu handeln, der Krieg führt und den Planeten zerstört: den Kapitalismus. Rassismus, Polizeigewalt, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, kulturelle Diskriminierung, Kolonialismus, Terrorismus, Krieg und Umweltzerstörung sind Zweige desselben Baumes. Sie wohnen einem System inne, das den Weg der Globalisierung fortsetzt und in dem Nationalismen und Faschismen der immer dringenden Notwendigkeit entsprechen, das Überleben des Kapitalismus selbst abzusichern.“
José Goulão
Teilen auf
Zum Originalartikel

Keine Kommentare: