"Martin Schulz strebt keine dritte Amtszeit als EU-Parlamentspräsident an und wechselt stattdessen in die deutsche Bundespolitik. Welchen Job er dort übernimmt, ist offen. Einige Kommentatoren freuen sich, dass alte Seilschaften zwischen Schulz und Kommissionspräsident Juncker gekappt werden. Andere fürchten, dass der deutsche Einfluss in Europa zunimmt."
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH) / 25. November 2016
Alte Seilschaften werden endlich gekappt
"Mit dem Wechsel von Martin Schulz nach Berlin endet eine Seilschaft mit EU-Kommissionspräsident Juncker, glaubt die Neue Zürcher Zeitung und begrüßt den Neubeginn:
„Als die Luxemburger Steuerpraktiken in der Luxleaks-Affäre Ende 2014 Juncker politisch gefährlich wurden, wirkte der gewiefte Sozialdemokrat [Schulz] darauf hin, dass das EU-Parlament statt eines Untersuchungsausschusses bloss einen Sonderausschuss mit weniger griffigen Rechten einsetzte. Im Gegenzug hatte sich Juncker jüngst offensiv für eine dritte Amtszeit von Schulz starkgemacht. ... Der Glaubwürdigkeit der EU schadet aber gerade solch demonstrative Kumpanei ihrer Exponenten. Richtigerweise hat die christlichdemokratische Fraktion Schulz darum den Teppich für eine dritte Amtszeit nicht ausgerollt, sondern darauf gepocht, 2017 das EU-Parlaments-Präsidium zu übernehmen. Das mag die parteipolitische Balance in Brüssel kurzfristig stören. Doch benötigt die EU-Spitze nicht Kontinuität, sondern eine Blutauffrischung. Und eine gesunde Distanz zwischen den Präsidenten ihrer Institutionen.“ Niklaus Nuspliger
LIDOVÉ NOVINY (CZ) / 25. November 2016
Deutsche Hegemonie in EU wird gestärkt
"Keinerlei Begeisterung ruft der Wechsel von Schulz von Brüssel nach Berlin bei Lidové noviny hervor:
„Als Chef des EU-Parlaments verkörperte Schulz die Rolle Deutschlands in der Union. Helmut Kohl sagte 1990, Ziel sei kein deutsches Europa, sondern ein europäisches Deutschland, die andere Seite der Medaille des sich einigenden Europa. Aber gerade Schulz - obwohl ein überzeugter Europäer - hat für den Eindruck eines deutschen Europas gesorgt, auf strenge, ungeduldige und auch arrogante Art. ... Schulz wäre in der hohen deutschen Politik kein Risiko, wenn die EU nach den Wünschen Kohls funktionieren würde. Sein Einfluss würde durch Frankreich und Großbritannien abgemildert werden. In einer Situation aber, in der Deutschland einsamer Hegemon der EU bleibt, verkörpert Schulz genau das deutsche Europa, vor dem Kohl gewarnt hat.“ Zbyněk Petráček
DEUTSCHLANDFUNK (DE) / 25. November 2016
Parlament verliert echten Europäer
Mit seinem Wechsel nach Berlin hinterlässt Martin Schulz große Fußstapfen, lobt der Deutschlandfunk:
„Auch die lautesten Kritiker geben zu, dass Schulz dem EU-Parlament Gewicht und Stimme in nie gekanntem Maße gegeben hat. ... Wann immer er nur die geringste Chance sah, mitzureden auf der europäischen Bühne, hat er sie ergriffen - zumeist im Namen der gewählten Volksvertreter, aber manchmal eben auch auf eigene Rechnung. Brüssel beziehungsweise Straßburg verlieren einen Parlamentspräsidenten, der ein im Wortsinne leidenschaftlicher Europäer ist. ... Er kann sich für Europa wahlweise auch der Sprache der sprichwörtlichen 'kleinen Leute' bedienen, wie man sie sonst meist nur von EU-Gegnern hört.“
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