Freitag, 8. Oktober 2021

Urteil aus Warschau: Droht der Polexit?

 

Das Verfassungsgericht in Warschau hat geurteilt, dass Teile des EU-Rechts nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar sind. Konkret geht es um Bestimmungen, mit denen die EU-Kommission ihr Mitspracherecht bei Fragen der Rechtsstaatlichkeit begründet. Polens Regierung erklärte, sie wolle EU-Recht weiter respektieren. Allerdings sei eine klare Aufteilung nationaler und europäischer Kompetenzen nötig.

POLITYKA (PL)

PiS erklärt Brüssel den Krieg

Durch das Urteil wird der Konflikt weiter zugespitzt, beobachtet Polityka:

„Das Urteil und seine Begründung klingen fast wie eine Kündigung der Mitgliedschaft in der Europäischen Union, weil deren Organe in einer Weise handeln, die die Souveränität Polens bedroht. Es sieht so aus, als ob die PiS-Regierung, die kein Geld aus dem Wiederaufbaufonds erhalten könnte, der EU den Krieg erklären will. Sie scheint beschlossen zu haben, dass sie nichts mehr zu verlieren hat. Und es kümmert sie wenig, ob die Gesellschaft, die sie an die Regierung gebracht hat, etwas zu verlieren hat.“

Ewa Siedlecka
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WPOLITYCE.PL (PL)

Niemand will die Union verlassen

Der Austritt Polens aus der EU steht für das PiS-nahe Portal WPolityce gar nicht zur Debatte:

„Niemand schlägt irgendeine Art von Polexit vor, beginnt ihn oder zieht ihn auch nur in Betracht. Das Urteil ist nur eine in dieser Situation notwendige Erinnerung daran, dass die EU-Institutionen mit spezifischen Kompetenzen ausgestattet wurden und verpflichtet sind, innerhalb dieser Kompetenzen und in einer streng gesetzlich festgelegten Weise zu handeln. Was darüber hinausgeht, ist Sache der Mitgliedstaaten. Zum Beispiel die Organisation der Justiz. Wir wollen und werden Teil der Europäischen Union sein, in der wir die gleichen Rechte wie andere Nationen und Länder haben. Darum geht es im Rechtsstaat und nicht um vertragsfremde Urteile, mediales Trommelfeuer, Versuche, jede Diskussion abzuwürgen und Projekte aus politischen Gründen rechtswidrig zu blockieren.“

Michał Karnowski
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DIE WELT (DE)

EU muss eine Antwort geben

Für den Warschau-Korrespondenten von Die Welt, Phillip Fritz, stellt der Urteilsspruch eine Zäsur dar:

„Zwar bricht die polnische Regierung schon seit 2020 täglich EU-Recht, indem sie Entscheidungen des EuGH zur sogenannten Disziplinarkammer am Obersten Gericht nicht umsetzt. Dass Polen jedoch so grundsätzlich und offen EU-Recht unterminiert, ist eine neue Qualität und eine Kampfansage an die EU. Polen scheidet nun aus der europäischen Rechtsgemeinschaft aus und reißt sie gleichsam mit. Denn polnische Gerichte sind europäische Gerichte, das System beruht transnational auf Vertrauen. ... Wie es jetzt weitergeht, weiß jedoch niemand. Es ist jetzt an der EU, eine Antwort auf die polnische Krise zu finden.“

Phillip Fritz
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CORRIERE DELLA SERA (IT)

Verfassung ändern oder raus

Eigentlich hat das polnische Gericht im Urteil auch schon die möglichen Auswege aus dem Dilemma erklärt, meint Corriere della Sera:

„Damit wird das gesamte Rechtssystem, auf dem die EU beruht, infrage gestellt. Der Gerichtshof erklärt auch, dass im Falle eines 'unlösbaren Konflikts' zwischen dem EU-Recht und der polnischen Verfassung folgende Konsequenzen möglich sind: Änderung der Verfassung, Änderung des europäischen Rechts oder Austritt aus der Europäischen Union. Nun muss die Regierung in Warschau entscheiden, ob sie den Polexit will oder die Verfassung ändert.“

Francesca Basso
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