"New York Times": Ein falsches Wort Von Kerstin Kohlenberg, ZEIT 18.2.2021 Nr.8
"Die Redaktion der "New York Times" streitet darüber, wie ausgewogene Berichterstattung in Zeiten der Polarisierung funktioniert – und wer die Deutungsmacht hat.
Wenn eine Gesellschaft sich polarisiert wie die amerikanische, dann setzt diese Entwicklung irgendwann auch Institutionen unter Druck, die versuchen, sich an der Mitte zu orientieren. Das prominenteste Beispiel ist die New York Times: Dort wurde vor zwei Wochen ein Redakteur entlassen, weil er in einem Gespräch einen rassistischen Begriff zitiert hatte. Der Fall ist weit über die Vereinigten Staaten hinaus von Bedeutung, da die Zeitung eine Institution ist, die weltweit Maßstäbe für journalistische Exzellenz setzt, und bislang versucht, ein möglichst großes Spektrum an Meinungen zu präsentieren. Was bei der New York Times passiert, prägt den Journalismus und die liberale Öffentlichkeit.
Im Zentrum des Kulturkampfes stehen der Wissenschaftsredakteur Donald G. McNeil und ein Vorfall, der bereits zwei Jahre zurückliegt, aber erst Ende Januar durch die Online-Publikation The Daily Beast öffentlich wurde. 2019 hatte McNeil an einer von der New York Times organisierten Studienreise für Schüler nach Peru teilgenommen. Die New York Times veranstaltet diese Bildungsreisen (wie auch die ZEIT), auf denen Fachredakteure Vorträge zum Thema der Reise halten. In Peru ging es um die öffentliche Gesundheitsversorgung. Don McNeils fachliche Vorträge kamen nach Berichten der Teilnehmer gut an, seine privaten Einlassungen beim Essen oder bei den Ausflügen jedoch weniger. Mit einigen Schülern kam es zu erhitzten Debatten über das Verhältnis von schwarzen und weißen Amerikanern, die McNeil den Rassismus-Vorwurf einbrachten und seine Karriere nach 45 Jahren bei der New York Times nun beendeten. [...]"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen