Mittwoch, 3. Juli 2013

Edward Snowden

Es sind zwei Skandale.
Da ist einerseits der Umfang der Überwachung von unverdächtigen Bürgern und damit der Verstoß gegen die Menschenwürde (Recht auf informationelle Selbstbestimmung). (mehr dazu) Das Wesentliche war freilich bereits 1989 bekannt. Durch die Informationen von Edward Snowden ist es freilich auch einer breiten Öffentlichkeit bewusst geworden. Wenn Politiker jetzt Empörung zeigen, frage ich mich: Haben sie nicht mitbekommen, dass die deutschen Geheimdienste ständig Informationen von befreundeten Geheimdiensten beziehen und insofern ihre Arbeit in wesentlichem Umfang auf der Basis von Menschenrechtsverletzungen tun? - Ich kann es nicht glauben. Auch wenn ich es zu glauben vermöchte, bliebe mir nur die Möglichkeit, sie als Ignoranten statt als Heuchler einzuordnen.

Der zweite Skandal ist der noch größere. Jetzt hat endlich einmal  ein junger Mann sich nicht auf Befehlsnotstand berufen, sondern bekannt gemacht, was an Menschenrechtsverletzungen ausgeübt wird. Und was passiert?

Weltweit beginnt eine Verfolgungsjagd auf ihn. Alle Staaten, die sich bisher zur Frage eines Schutzes vor Verfolgung geäußert haben, weisen ihn ab. Man wünschte sich, Amnesty International besäße wie die katholische Kirche einen eigenen Staat, wo AI ihn vor Verfolgung schützen könnte, so wie Großbritannien es mit Salman Rushdie getan hat, als die Fatwa gegen ihn ausgesprochen wurde.*
Man kann darüber streiten, ob seine Tat notwendig und sinnvoll war. Aber dass er sie aus Gewissensnot getan hat, weil er glaubt, ein so ungeheurer weltweiter Angriff auf die Menschenrechte der Bürger aller Staaten dürfe nicht verborgen bleiben, scheint mir unzweifelhaft.

*Freilich, der Staat hätte im Nu Millionen von neuen Bewohnern. Wie groß müsste sein Territorium sein?

dazu: Zwangslandung für den bolivianischen Präsidenten

H.Prantl am 3.7.13 in der SZ (S.4) weist auf §4 des Asylverfahrensgesetzes hin, wonach Asylentscheidungen im Fall, dass Auslieferungsabkommen bestehen, nichtig sind. "Auslieferung geht vor."

Mein Kommentar: Wer kann sicher sein, dass Snowden nach einer Auslieferung nicht mit dem Tode bestraft würde?  - Dass die USA als Rechtsstaat gelten, bedeutet noch nicht, dass dort die Todesstrafe abgeschafft wäre. 

Nachtrag:
Interview mit Edward Snowden: NSA liefert BND Werkzeuge für Lauschangriff , Spiegel online, 7.7.13
So wird nach und nach klar, wie die Überwachungsprogramme von NSA und GCHQ, Prism, Tempora und Boundless Informant zusammenwirken: Die Metadaten-Abfrage gibt Analysten Hinweise, für welche Kommunikationen und Inhalte sie sich vielleicht interessieren könnten, dann, sagt Snowden sinngemäß, lässt sich per Knopfdruck festlegen, dass von einer Person oder einer Gruppe alle verfügbaren Inhalte im Volltext mitgeschnitten oder anderweitig erfasst werden. Zum Zielobjekt könne man aber auch "aufgrund des eigenen Facebook-Profils oder der eigenen E-Mails" werden." 

  • Snowden beantragt Asyl in Venezuela Zeit online, 9.7.13

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